Straßenführungen bis zum 19. Jahrhundert umständlicher?

Ich habe hier einen Katasterplan meiner Region aus der Zeit zwischen 1820 und 1860. Mir fällt dabei auf, dass viele Straßen und Wege damals noch ganz andere Routen nahmen. Ich gehe mal davon aus, dass viele dieser Strecken so auch im Mittelalter verwendet wurden? Bis zum frühen 19. Jahrhundert sind die Orte ja nicht großartig gewachsen. Was besonders ins Auge sticht:

Dort, wo Straßen eine Serpentine möglichst angenehm den Berg hinaufführen, nahmen sie bis ins 19 . Jahrhundert oft noch den direkten Weg, was oftmals eine viel steilere Variante darstellte. Aber zu einer Zeit, als man noch keine motorbetriebenen Fahrzeuge besaß und kannte, wäre es doch eigentlich viel logischer gewesen, den Weg für Ochsenkarren, Kutschen, Handkarren etc. bequemer zu gestalten - aber warum tat man dies nicht?

Es war damals scheinbar tatsächlich üblich relativ direkt die Berge zu erklimmen. Dabei hab ich mal in einem Buch dazu gelesen, daß der Grund nicht ganz klar ist, aber man nimmt an, daß damals einfach ein Paar weitere Zugtiere vor den Wagen gespannt wurden, so daß der Direkte Weg dann kein so großes Problem mehr war.
Dabei stellt sich mir natürlich die Frage: Wo diese zusätzlichen Ochsen oder Pferde dann auf einmal hergekommen sind.

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Wenn es tatsächlich so wäre, würde mich das auch überraschen !
Und man hat bestimmt keinen direkten Weg auf eine Anhöhe angelegt, sondern der folgte natürlichen Gegebenheiten.

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Hallo,

an vielen stark frequentierten Steigungsstrecken gab es am Beginn der Steigung Fuhrleute, die diese zusätzlichen Gespanne angeboten haben - oft in Kombination mit Wirtshäusern.
In unserem Ort war bis Anfang des 20. Jhdts im Umkreis von mehr als 10 Km die einzige Furt über ein Flüßchen. Auf beiden Seiten ging es über 400 bzw. 700m steil bergauf (mindestens 12% Steigung). Es war eine der Hauptverbindungstrassen von den „Fildern“ nach Stuttgart. In der Senke unterhalb des Ortskerns gab es noch 1905 8 Gasthäuser, von denen mindestens 6 diese Vorspanntiere anboten.

Es kam immer auf die lokalen Gegebenheiten an. Nicht immer war das Gelände für eine Kurvenführung geeignet.
Außerdem hatten die Territorialherren früher ein Interesse an diesen Vorspanndiensten, da einerseits den Fuhrleuten oft die Strassenpflege auferlegt wurde und natürlich auch diese Führung die Kontrolle einschließlich der Erhebung von Abgaben und Zöllen erleichterte. Und aus den Vorspanndiensten generierten sich natürlich zusätzliche Steuern und Abgaben.

Alberca

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Was für ein Zufall! Ich komme aus Stuttgart! Mir fällt halt auf, dass damals die Alte Weinsteige, die Strecke nach Botnang, oder die Allee rauf zum Schloss Solitude ziemlich direkt bzw. im Fall Solitude schnurgerade den Berg hinauf bzw. hinab führten. Die Bergheimer Steige gab es nämlich bis Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht. Was ich ebenfalls sehr seltsam finde, ist die Serpentine bei Stuttgart-Büsnau, die zum Mahdental ab bzw. von dort herauf führt. Die verlief offenbar bis irgendwann im 19. Jahrundert auch noch ziemlich direkt, ohne sanft den Hang ab-/aufwärts zu führen.

Servus,

dazu noch die Anmerkung, dass die Führung von Straßen entlang von Höhenzügen unter Meidung der überschwemmungsgefährdeten Täler rund knapp 2.000 Jahre lang „Stand der Technik“ war, und erst zusammen mit der Regulierung der Gewässer etwa ab dem 18. Jahrhundert Fernstraßen in ihren heutigen Lagen gebaut wurden.

Und der Hinweis, dass ein solches Weghaus mit allem, was dazugehört: Stall und Weiden für die Rosse und eine Gaststätte, in ausnehmend schöner Weise an der gewesenen Straße Mainz - Kaiserslautern gleich bei Göllheim in Gestalt des Göllheimer Häuschens besuchbar ist. Die später im Tal gebaute Straße über Marnheim - Lohnsfeld heißt übrigens „Kaiserstraße“, weil Napoleon nicht nur an dieser Stelle den Bau von Straßen veranlasste, auf denen Artillerie ohne Vorspanndienste transportiert werden konnte.

So sieht es da aus:

Schöne Grüße

MM

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Hallo,

ja, in und um Stuttgart gab es aufgrund der Topographie einige „Paradebeispiele“ für solche geraden, beschwerlichen Streckenführungen. Erst mit der technischen Entwicklung des Strassenbaus konnten steile Direktverbindungen wie zB die alte Weinsteige durch anspruchsvolle, steigungsärmere Kunstbauten wie zB die neue Weinsteige ersetzt werden. Dazu kamen dann noch ab Ende des 19. Jhdts der Schienenverkehr wie zB die Zahnradbahn.
Und wenn Du

kommst, dann solltest Du (wegen seiner Furt) den ehemaligen Zentralort der Fildern mit der ältesten Kirche der Region kennen.

na, dämmerts ?

Natürlich PLIENINGEN !
(in dem derzeit die allgemein bekannte Arbeits- und Sozialrechtskoryphäe @albarracin seinen Home-Urlaub in selbsterwählter Internet-Abstinenz eremitisch verbringt - Grüße von ihm !)
Alberca

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Ach ja, kleiner Nachtrag noch:

jetzt solltest Du Dir als Stuttgarter auch vorstellen können, woher die „Ruhbank“ ihren Namen hat.

Alberca

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