Streikendes Gesinde im Havelland wegen zu häufiger Verköstigung mit Flusskrebsen

Ihr Wissenden,

kurz nach dem Fall der Mauer, in den frühen 1990ern also, besaß ich einmal ein Kochbuch aus einem DDR-Verlag mit Gerichten (u.a.?) aus dem Havelland. Zu jedem Rezept gab es eine Anekdote. So auch zu dem Flusskrebsrezept. Ich versuche mal, die Story zusammenzubekommen.

Also: Es gab in früheren Zeiten Flußkrebse in Hülle und Fülle im Havelland. Nach den jährlichen Frühjahrsüberschwemmungen konnte man sie sogar aus den Büschen und Bäumen pflücken. Sie waren nahr- und schmackhaft und vor allem eine billige Speise. Drum hat man das Gesinde gern damit abgefüttert. Selbigem kamen aber die Krabbeltierchen schon fast aus den Ohren wieder raus, weil manche Dienstherren ihre Dienerschaft mit nichts anderem versorgte. Eines Tages sollen diese dann gestreikt haben. Ihre Forderung war, dass ihnen Flusskrebse nicht öfter als dreimal in der Woche vorgesetzt werden sollten.

Nun brauche ich eure Hilfe: Wo finde ich diese (nacherzählte) Textpassage? Hat jedem vielleicht sogar noch das Kochbuch und könnte mir den Text kopieren? Das Kochbuch verkaufen? Oder kennt jemand wen, der jemanden kennt, der …?

Ich brauche diese Geschichte und die Quellen dazu unbedingt! :frowning: Könnt ihr mir helfen?

Herzliche Grüße
Ann da Cava

Ich habs! Tatsächlich es war der Oderbruch und nicht das Havelland, und natürlich ist das bei Fontane beschrieben („Frau Jenny Treibel“, Kapitel 10. http://gutenberg.spiegel.de/buch/frau-jenny-treibel-4451/10)

Eine ähnliche Anekdote gibt es mit „Stint“ statt Flusskrebs.
Kann sein aus Ostpreussen

Auch dieser damalige Allerweltsfisch (Fischlein) war im Überfluss vorhanden und wurde aufgetischt bis er einem aus den Ohren herauskam. Es gab so viel davon dass er sogar als Felddünger untergepflügt wurde.

Nach der Anekdote hatte sich Dienstpersonal ausbedungen nur an 3 Tagen in der Woche Stint essen zu müssen.

MfG
duck313

Hallo Ann,
die Anekdote mit den streikenden Dienstboten scheint mir doch eher eine launige Erfindung des notorisch unseriösen Friedeberg zu sein, die er da an Professor Schmidts Herrenabend zum besten gibt. Etwas ernsthafter berichtet Fontane selbst (d.h. nicht als fiktive Romanfigur) über das Thema Oderkrebse denn auch im ersten Kapitel des zweiten (dem Oderbruch gewidmeten) Bandes der ‚Wanderungen durch die Mark Brandenburg‘ - notabene drei Jahrzehnte vor der ‚Jenny Treibel‘ erschienen. Selbstredend ohne die zweifelhafte Geschichte vom Dienstbotenstreik; wenn auch mit der ebenso dubiosen Geschichte, man habe die Flußkrebse einst von den Bäumen geschüttelt. Die Fontane immerhin konkret auf das extreme Dürrejahr 1719 datiert (und nicht, wie Friedeberg, mit Überschwemmungen in Verbindung bringt). Immerhin entspricht Friedebergs Preisauskunft „Ein Schock Krebse kostete einen Pfennig“ wohl den Tatsachen, berichtet Fontane doch in den ‚Wanderungen‘, „daß man zu Colerus’ Zeiten, ausgangs des sechzehnten Jahrhunderts, sechs Schock schöne, große Krebse für sechs Pfennige meißnerischer Währung kaufte.“ Mit Fontanes Quelle Colerus ist offensichtlich Johannes Coler (1566 - 1639) gemeint.

Freundliche Grüße,
Ralf

Danke für deine Mühe, aber ich kann das leider nicht verwenden. Meine Schuld!
Ich muss eine Geschichte über das Osthavelland schreiben und hatte den Krebsstreik im Sinn, der in meiner Story eine Rolle spielen sollte. Irgendwie hatte ich die Havel fest damit verknüpft, wohl weil meine Cousine dort lebt und ihr Mann uns vor Jahren von den damals dort reichlich vorkommen Flusskrebsen ein köstliches Gericht gekocht hat.

Dass die besagte Geschichte - egal, ob Dichtung oder Wahrheit - im Oderbruch angesiedelt ist, macht sie für mich leider untauglich. :frowning:

Aber immerhin habe ich mal wieder Fontane gelesen. Es ist also kein Schaden entstanden, ich muss nur über eine andere Story nachdenken :smile:

Schöne Grüße
Ann da Cava

Nichts zu danken. Für mich gilt dasselbe wie bei Dir:

Was eine „andere Story“ angeht - wenn es nicht gerade um Kulinarisches geht, würdest Du bestimmt ebenfalls bei Fontane fündig, im dritten Band der ‚Wanderungen‘. Vielleicht eine der diversen Anmerkungen über das Kloster Lehnin, das Kapitel über die Havelschwäne oder die Geschichte von der Seeschlacht in der Malche …

Freundliche Grüße,
Ralf

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Es geht um eine Anthologie mit Geschichten aus Spandau, Schönwalde, Falkensee, Dallgow, Brieselang … kurz Osthavelland. Kulinarisch muss nicht, kommt aber immer gut.

Die habe ich hier schon in „Krimineller Reiseführer Berlin“ verwendet, um die Erzfeindschaft zwischen Berlin und Spandau zu dokumentieren :slight_smile:

Mal sehen, wie ich die Havelschwäne einweben kann. (Wobei: Es gibt ja auch anderes nettes Wassergetier hier ;-))

Danke nochmals!

AdC