Strittiger Paragraph im Arbeitsvertrag - vereinbar mit Zivil- bzw. Arbeitsrecht?

Hallo, ein Freund von mir möchte eine neue Stelle antreten, hat aber in seinem Arbeitsvertrag folgende strittige Stelle gelesen:

§12
„Tritt der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis nicht an, löst er das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist oder wird der Arbeitgeber durch schuldhaftes vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst, so hat der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 Bruttomonatslohn zu zahlen. Der Arbeitnehmer kann einen weitergehenden Schaden geltend machen.“

Frage:
Ist diese Klausel vereinbar mit unserem Zivil- bzw. Arbeitsrecht? Müsste er wirklich in einem solchen Fall einen Bruttomonatslohn zahlen, dann würde es ihn wahrscheinlich in den Ruin stürzen, da er zuhause keine Rücklagen hat. Aktuell hält ihn diese Klausel sogar davon ab den Arbeitsvertrag überhaupt anzunehmen und stattdessen bei einer anderen Stelle nur Teilzeit zu arbeiten. Darüber hinaus muss er auch nach Dienstschluss ständig erreichbar sein, um ggfs. die Ware (im Catering-Bereich) an Kunden zu beliefern. Ihm wurde auch nicht gesagt, ob er diese Überstunden dann auch vergütet bekommt oder nicht.

Ist die Klausel im Arbeitsvertrag unwirksam, da nicht vereinbar mit dem deutschen Arbeitsrecht?

Vielen Dank im Voraus für eure Antworten.

Hallo,

solche Klauseln sind nicht ungewöhnlich und nach meiner Kenntnis (als Nicht-Anwalt) durchaus rechtens.

Die ganzen Details zu diesem Thema findest zu z.B. hier:
https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-vertragsstrafe-im-arbeitsvertrag_066167.html

Das dein Freund nur einen Monatslohn vom finanziellen Banktrott entfernt ist, sollte ihm eigentlich mehr zu denken geben, als diese Klausel. Von den drei Fällen, in denen sie greifen könnte, hat er nämlich zwei vollständig unter Kontrolle (Nichtantritt und Verletzung der Kündigungsfrist) und braucht nur dafür zu sorgen, das der dritte Fall (schuldhafte, fristlose Kündigung durch den AG) nicht eintreten kann.

Gruß,
Steve

Das ist sicher nicht rechtens.

Hallo!

Grundsätzlich sind Vertragsstrafen im Arbeitsrecht zulässig. Wer einen Arbeitsvertrag nicht antritt, kann durchaus zur Kasse gebeten werden. Die Sache mit dem Bruttolohn Vertragsstrafe bei Anlass zur fristlosen Kündigung ist aber angreifbar. Es müsste genau geregelt sein, welches vertragswidrige Verhalten zur fristlosen Kündigung und zur Vertragsstrafe führt. Als Rundumschlag, wonach jeder Anlass zur fristlosen Kündigung auch die Vertragsstrafe fällig werden lässt, hat die Passage vor einem Arbeitsgericht vorhersehbar keinen Bestand.

Es gibt betriebliche Belange, deren Verletzung sowohl die fristlose Kündigung als auch eine Vertragsstrafe rechtfertigen, aber diese Belange müssen ausdrücklich und klar verständlich beschrieben und abgegrenzt sein. Einige Klassiker betreffen die betriebliche EDV, ihre nicht genehmigte private Nutzung oder das Aufspielen irgendwelcher mitgebrachter Datenträger.

Mit einem Hintergrund aus einigen Jahrzehnten betrieblicher Praxis hat man irgendwann alles erlebt, was man unter keinen Umständen noch einmal erleben möchte, aber jederzeit erneut lauert, wenn man nicht rechtzeitig deutlich kommuniziert, welche Folgen das Tun haben wird. Mitarbeiter, die begrenzte Zeit aufgrund von Beziehungsproblemen neben der Spur stehen, nimmt man mit etwas Lebenserfahrung hin. Wer aber z. B. Dateien zur außerbetrieblichen Nutzung kopiert, Entwicklungsergebnisse ausplaudert oder Lieferantenverbindungen nach privatem Nutzen auswählt, gehört sofort entfernt. Manche Zeitgenossen brauchen die deutliche Ansage nebst aller Konsequenzen und das geht auch arbeitsrechtlich in Ordnung. Das gilt u. a. auch für Belange der Arbeitssicherheit, bei denen man sich den Inhalt der regelmäßigen Belehrungen per Unterschrift bestätigen lässt.

Ununterbrochene Dienstbereitschaft kann von niemandem verlangt werden. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Mitarbeiter ihr Handy nach Dienstschluss ausschalten und nicht erreichbar sind. Erreichbarkeit während bestimmter Zeiten muss vereinbart und abgegolten werden.

Gruß
Wolfgang

Unter Sklaventreibern ist das üblich und korrekt. Sklaven sind keine Arbeitnehmer nach deutschem Arbeitsrecht.
Deshalb gelten die Schutzbestimmungen nicht für sie.

@Wolfgang_Dreyer
Ja, so ähnlich hätte ich das auch gesehen. Störend ist ja, dass dies nicht näher definiert wird was ein vertragswidriges Handeln darstellt. Ist es bereits vertragswidrig, wenn der Arbeitnehmer im Berufsverkehr mit dem Catering-Fahrzeug einen kleinen Unfall baut, die Bestellung des Essens nicht den Kunden erreicht und er dann eine Vertragsstrafe von rund 1800€ zahlen muss und das obwohl normalerweise die KFZ-Versicherung dafür aufkommt?

Oder muss er seinen Bruttomonatslohn bereits bezahlen, wenn er Baustellen-bedingt mehrere Kunden nur mit Verspätung beliefern kann, obwohl er dafür nichts kann?

Das mit den EDV Datenträgern ist vollstens nachvollziehbar und auch wünschenswert, um vertragswidriges Verhalten mit Schädigung des Unternehmens zu vermeiden. Allerdings scheint der Arbeitgeber meines Bekannten eher das Ziel zu verfolgen umfängliche Sicherheit zu bekommen um einen hohen Druck auf den Arbeitnehmer ausüben zu können. Und falls er nach ein paar Jahren aus objektiven oder rein subjektiven Gründen nicht mit ihm zufrieden ist, dann kann er sich etwas ausdenken, ihn fristlos kündigen und eine Menge Geld von ihm verlangen.

Und mal abgesehen davon muss er ja auch nach Dienstschluss erreichbar sein. Nun stellen sie sich vor, dass er nach Dienstschluss von der Arbeit nach hause kommt und es dann nach dem Eingang eines neuen Auftrags nicht rechtzeitig schafft den Kunden zu beliefern. Was folgt wäre eine fristlose Kündigung mit einer Vertragsstrafe von 1800€.
So kann der AG einen enormen Druck auf den AN ausüben, was im eigentlichen Sinne nicht der Sinn und Zweck solcher Klauseln ist, sondern diese hier eher schamlos ausgenutzt werden.

@steve_m

Das habe ich ihm auch schon gesagt. Auch ist das der Grund weshalb er sich jetzt eine Stelle in Vollzeit gesucht und nach langer Sucherei auch eine gefunden hat.
Allerdings muss ich sagen, dass hier nicht voreilig über eine Person geurteilt werden sollte, da er nur eine Teilschuld trägt, dass er nur einen Monatslohn vom Bankrott entfernt ist. Er hat mir nämlich erzählt wie er als Kind jahrelang vom Vater und danach von seiner Pflegefamilie misshandelt wurde und ihn das sein ganzes Leben lang verfolgt. Das ist im übrigen auch der Grund, weshalb ich ihm ein wenig helfen will wieder auf die Beine zu kommen.
Wie weit würden sie es schaffen, wenn sie an seiner Stelle wären?

Trotzdem bedanke ich mich vielmals bei den Leuten, die sich um eine Antwort bemüht haben.
Der Thread kann nun geschlossen werden.