Hallo J~,
Du hast natürlich recht und in aller Regel - wie es auch MecFleih schrieb - wird es eine erklärende Ansage geben. Ich wollte lediglich daraufhinweisen, daß wir halt nicht primär fürs erklärende Ansagen geschult werden, weswegen die ein oder andere Ansage manchmal nicht ganz optimal gelingt.
Dazu kommt auch noch folgendes:
a) Du siehst die Passagiere nicht. Versuch mal eine Rede zu halten, in dem Du gegen eine Wand sprichst, auf einem Kopfhörer (etwas leiser gedreht aber noch zu verstehen) ein Hörbuch hörst und in Deinem Blickfeld jemand anders diverse Aktivitäten vollführt.
b) Du kennst Deine Passagiere nicht. In der Regel ist leider kaum Zeit am Boden, um sich mit an die Tür zu stellen und den Gästen „Guten Tag“ zu sagen (wenn sie doch mal da ist, nutze ich sie sehr gerne dafür). In Konsequenz kann die Ansage kaum korrekt an den Zuhörer adressiert werden, sondern muß so allgemein gültig und verständlich wie möglich gehandhabt werden. Dementsprechnend wird eigentlich immer jemand enttäuscht.
Nehmen wir mal einen Flug an einem Dienstag Vormittag von Frankfurt nach Rom. Da sitzen sicherlich Geschäftsleute drin, die arbeiten / sich ausruhen wollen und bestens auf eine (weitere) Ansage jeglicher Art verzichten könnnen. Da kann aber auch genauso gut Erna und Hans-Werner aus Haiger-Burbach drin sitzen, die unbedingt wissen wollen, wie jeder einzelne Gipfel vor dem Fenster heißt, wie warm das Wasser vor Genua ist und wie schwer und schnell das Flugzeug beim Start ist. Einfacher ist es natürlich Montagsmorgens innerdeutsch, wo 90% Geschäftsflieger sind - oder Samstags nach Palma, wo 98% Ernas und Werners sind… 
c) Last but not least: Wir gehen davon aus, daß über 70% der Gäste Flugangst hat. Angefangen von einem leichten Unwohlsein über echte Angst bis hin zu den krassen Fällen. Dieser gesamte Personenkreis wird jedes einzelne Wort jeder Ansage auf die Goldwaage legen, insbesondere wenn sich der Kapitän zu einem technischen Defekt meldet. Das Problem ist nur: In der Regel können diese Gäste weder mit technischen Details etwas anfangen noch können sie Gefahren oder Risken abschätzen. Ein einfacher Computerfehler in einem sekundären System, der als „kleiner Computerfehler“ erklärt wird, ist für viele schon das erste Anzeichen für den drohenden Absturz…
Hinzu kommt, daß die Wahrnehmung extrem unterschiedlich ist: Was sich einem Passagier extrem dramatisch darstellt, mag für die Cockpitbesatung kaum von Bedeutung sein. So gibt es im Cockpit z.B. gar keine Anzeigen für den Beleuchtungszustand der Kabine und auch die Meldung, daß die Kabine nur noch teilweise mit Strom versorgt ist, wird vom Bordsystem erst unter „Sonstiges“ vermeldet.
Auf der anderen Seite gibt es Situationen im Cockpit, die einen gewaltigen Stresslevel hervorrufen - die vom Passagier nichtmal bemerkt würden!
Wenn Du all dieses berücksichtigst und darauf basierend versuchst die Passagiere bestmöglich zu informieren, wirst Du vermutlich einige Zeit zum Nachdenken („erst denken, dann reden“) brauchen - die Dir im Alltag aber oft nicht gegeben ist. Da scheitert es z.B. an banalen Dingen: Entweder wir starten jetzt (wo der Fehler behoben / geklärt ist) oder aber wir halten an, machen eine Ansage, verpassen damit den Slot, müssen 20-60+ min hier auf einen neuen Slot warten usw. Die meisten Kollegen werden sicherlich versuchen trotzdem einen Kompromiss zu finden, im Wissen eben darum, daß die Gäste eine Ansage erwarten. Wie der Kompromiss dann ausfällt, liegt sicherlich auch am Talent des Einzelnen…
Gruß,
Nabla
P.S.: Die Kabinenbesatzung soll prinzipiell keine Ansagen zu technischen Zwischenfällen machen. Abgesehen davon, daß dieses vom Kapitän persönlich erwartet wird, hat die Kabinenbesatzung nicht das technische Fachwissen, um Zusammenhänge korrekt zusammenzufassen / zu vereinfachen. Hinzu können natürlich auch noch „Stille Post“-Effekte kommen.