Strömungsgetriebe; Wie genau erhöht Leitrad Moment am Turbinenrad?

Hallo zusammen,

ich schaue mir gerade die Funktionsweise eines Strömungsgetriebes an, verstehe aber noch nicht alles. Ich habe verstanden, dass grundsätzlich das Pumpenrad das Öl in Bewegung setzt und so das Turbinenrad antreibt. Es bleiben aber noch drei Fragen:

  1. Ohne Leitrad haben wir keinen Drehmomentwandler, sondern eine
    Strömungskupplung. Doch wie genau wird gekuppelt? Wird das
    Turbinenrad festgehalten, am Abtriebsstrang das Zahnrad gewechselt
    und das Turbinenrad dann wieder losgelassen?
  2. Wie wird das Übersetzungverhältnis beim Drehmomentwandler eingestellt? Können bspw. die Schaufeln des Leitrades verstellt werden?
  3. Das Leitrad lenkt den Ölström auf dem Weg vom Turbinenrad zum Pumprad um. Doch wie genau erhöht das Leitrad so das Moment am Turbinenrad?

Ich freue mich auf eure Antworten!
Grüße, Juli

Hallo!

Wie stellst du dir das bei einem Auto vor, daß das Turbinenrad festgehalten wird? Das hieße ja, daß auch die Räder still stehen müßten.

Nein, der Punkt ist, daß eine Strömungskupplung einen gewissen Schlupf erlaubt, ja eigentlich sogar immer hat. Du kannst daher im laufenden Betrieb die Gänge wechseln, den Drehzahlunterschied fängt die Strömungskupplung schon auf.
Die Synchronringe, die in einem manuellen Schaltgetriebe unter anderem als „Mini-Kupplung“ wirken, um die Welle zwischen Kupplung und Getriebe auf die richtige Drehzahl zu bringen, sind bei einem Automatikgetriebe sehr viel stärker ausgeprägt, oft als Lamellenkupplung, da hier während des Schaltvorgangs immernoch ein Drehmoment vom Motor übertragen wird.
Eine Strömungskupplung hat wegen dem Schlupf immer Verluste, daher haben heutige Automatik-Autos zusätzlich eine kleine, normale Kupplung, die beide Seiten fest miteinander verbindet und so den Schlupf aufhebt. Aber die ist auch nur klein, die Hauptarbeit leistet die Strömungskupplung.

Funktionsprinzip

Ich muß sagen, ich habe grade ein wenig nach netten Animationen und Erklärungen gegoogelt, das meiste ist viel zu vage, oder sehr oft sogar falsch. Das beste Video, das ich gefunden habe, ist das hier.

Das Pumpenrad (gelb) besitzt Leitbleche, die in erster Näherung radial von der Welle weg zeigen. In der Realität sind sie zwar auch für bessere Effizenz gebogen, das kannst du aber erstmal vernachlässigen. Durch die Drehung, die vom Motor aus gesehen im Video gegen den Uhrzeigersinn verläuft, wird das Öl nach außen geschleudert, und fließt von dort dann durch das Turbinenrad wieder in Richtung Welle.

Das Turbinenrad (blau) soll sich auch gegen den Uhrzeigersinn drehen. Um das zu erreichen, sind seine Leitbleche so gebogen, daß sie nicht genau radial auf die Welle zulaufen, sondern im Uhrzeigersinn daran vorbei. Das Öl wird also im Uhrzeigersinn abgelenkt, wodurch das Turbinenrad wie gewünscht ein Drehmoment gegen den Uhrzeigersinn bekommt. Dieses Drehmoment ist alleine davon abhängig, wieviel Öl da pro Sekunde durchfließt, und zur Seite abgelenkt wird.

Jetzt gibt es ein Problem: Der Ölstrom entlang der Welle in das Pumprad dreht sich mit dem Uhrzeigersinn, das Pumprad dagegen. Das heißt, das Öl bremst das Pumpenrad alleine deshalb ab, und der Motor muß einen Teil seiner Leistung dafür aufwenden, um das Öl in die andere Richtung zu beschleunigen.

Hier kommt jetzt der Stator ins Spiel, der den Drehsinn des Ölstroms umkehrt, so daß er jetzt gegen den Uhrzeigersinn in das Pumpenrad gelangt. Denk dran: Das kostet keine Energie, da das Pumpenrad sich nicht bewegt. Das ist, wie wenn ein Körper elastisch von einer Wand reflektiert wird.

Die gesamte Leistung kann jetzt darein gesteckt werden, das Öl nach außen zu drücken, und so zu einem Fluss des Öls zu führen. Diese Leistung wird vom Turbinenrad aufgenommen, und wenn seine Drehzahl gering ist, ist das Drehmoment entsprechend hoch, denn Leistung ist grob gesagt Drehzahl mal Drehmoment.

Beachte nebenbei auch: Wenn Pumpen- und Turbinenrad sich gleich schnell drehen, dann fließt das Öl gar nicht nach außen / innen, und dann wird auch gar kein Drehmoment und gar keine Leistung übertragen. Deshalb ist da immer ein Schlupf notwendig.

Die ganze Sache ist nicht einfach zu verstehen, im Prinzip kann man sagen, daß der Stator den Fluß des Öls so optimiert, daß keine Leistung verschwendet wird, sondern möglichst vollständig übertragen wird. Aus der Energie- bzw dann eben Leistungserhaltung folgt, daß bei niedrigerer Turbinendrehzahl dort eben ein höheres Drehmoment anliegen muß.


Vielleicht noch ein etwas anschaulicheres Beispiel, was da passiert:

Auf zwei auf Schienen nebeneinander stehenden Waggons sind zwei Freunde A und B, die sich einen Ball immer wieder gegenseitig zuwerfen. Ein dritter Freund C schiebt A’s Waggon, so daß der immer weiter beschleunigt. Wenn A den Ball nun B zuwirft, hat der Ball auch eine Geschwindigkeitskomponente parallel zu den Schienen. Und wenn B den Ball fängt, überträgt sie sich auf seinen Waggon, so daß er mitgezogen wird.
Wenn B den Ball allerdings zurück wirft, ist der Ball (in Fahrtrichtung) langsamer als A, so daß A und sein Waggon beim Fangen abgebremst werden. Das ist doof, denn dagegen muß C ja ankämpfen.
Glücklicherweise befinden sich feststehende Schilder zwischen den Waggons, die so gedreht sind, daß ein Ball, von B dagegen geworfen, leicht in Fahrtrichtung abgelenkt wird. Wenn der Ball nun bei A ankommt, bremst er ihn nicht mehr ab, und die gesamte Kraft von C geht jetzt in die Beschleunigung.
Es sollte auch klar sein, daß der Effekt des Abbremsens, bzw. das Fehlen des Effekts davon abhängt, wie unterschiedlich die Geschwindigkeiten von A und B sind.

Das Beispiel hinkt an einigen Stellen gewaltig, aber ich hoffe, es macht einigermaßen verständlich, was die feststehenden Ablenkbleche so bewirken können.

Ah, das bringt schon etwas mehr Licht ins Dunkle!

Ein bisschen fehlt aber glaube ich noch:

Eine Strömungskupplung ist aufgebaut wie ein Strömungsgetriebe, bloß dass das Leitrad fehlt. Korrekt? Wofür wird die denn eingesetzt, nur zum Anfahren, um ne normale Reibkupplung zu entlasten…? Und warum baut man hier dann nicht auf ein Leitrad ein, wenn man so Leistungsverluste verhindern kann?

Ein Strömungsgetriebe kann den klassischen Aufbau von Reibkupplung mit Getriebe ersetzten. Stimmt das? Ist es dann auch richtig, dass man sich ums Schalten gar nicht mehr kümmern muss, da der Motor einfach immer weiter Energie ins System steckt und das Turbinenrad sich eben so schnell dreht, wie es eben benötigt wird? Am Anfang also langsam mit hohem Moment und später (nach einer Beschleunigungsphase) eben schneller und mit niedrigerem Moment?

Danke dir und Grüße!
Juli