Selber gefunden!
Alles gefälscht? - Sonderausstellung im Staatshauptarchiv
Stuttgart (dpa/lsw) - Der Benediktinermönch Odalrich hatte für seinen Orden nur Gutes im Sinn: Als er im 12. Jahrhundert in seinem Kloster auf der Reichenau eine Urkunde von Kaiser Ludwig des Deutschen fälschte, wollte er damit die Besitztümer der alten Benediktinerabtei sichern. Heute wäre sein Tun ein Fall für die Gerichte. «In der Stauferzeit aber waren Fälscher noch ehrbare Leute», sagte Archivdirektor Robert Kretzschmar vom Hauptstaatsarchiv in Stuttgart am Mittwoch. Odalrich ist einer der wenigen Fälscher aus der Stauferzeit, die den Stuttgarter Wissenschaftlern heute namentlich bekannt sind. Auf seiner Fälschung ist das Original-Siegel des Kaisers seit Mittwoch in der Sonderausstellung «Alles gefälscht? Verdächtige Urkunden aus der Stauferzeit» zu sehen.
Konkrete Nachzeichnungen eines nicht mehr vorhandenen Originals, verfremdete Texte bis hin zu bewusst verfälschten und veränderten Urkunden - so weit reicht die Spannbreite der Manipulationen. Der Begriff «Fälschungen» trifft nach Angaben Kretzschmars deshalb nicht immer zu: «Oft sind die vermeintlichen Fälschungen eine wahre Meisterleistung der Schreibkunst.» Wissenschaftler sähen aber auch plumpe Nachahmungen, die auf den ersten Blick schon als Fälschung zu erkennen seien. Eine Fälschung aus der Stauferzeit sei auch heute nicht immer zu beweisen - oft bliebe es bei einer Vermutung.
Fälscherwerkstätten waren häufig Klöster wie das auf der Reichenau oder das in Maulbronn. Doch auch die südwestdeutschen Bischofssitze Worms, Speyer und Konstanz haben nachweislich im 11. und 12. Jahrhundert Fälscherkonsortien gegründet. Eines hätten aber alle Fälscher aus der Stauferzeit gemeinsam: «Alle konnten Lesen und Schreiben, gehörten also zur Bildungsschicht», so Kretzschmar. Die Erforschung der Manipulationen auf Urkunden und Dokumenten reicht bis weit in das 18. Jahrhundert hinein. Doch erst in den vergangenen 30 Jahren hat die Forschung zunehmend Aufmerksamkeit erhalten.
(Die Sonderausstellung ist bis Ende März im Hauptstaatsarchiv Stuttgart
montags von 12.00 bis 17.00 Uhr;
dienstags und mittwochs von 8.30 bis 17.00 Uhr;
donnerstags von 8.30 bis 19.00 Uhr; und
freitags zwischen 8.30 und 16.00 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Auch während der langen Nacht der Museen am 29. März ist die Ausstellung geöffnet.)