Hallo,
um es klar zu sagen: es spricht nichts dagegen, Tafelspitz in kaltem Wasser anzusetzen. Meiner Ansicht nach, spricht aber auch nichts dafür - oder eben dagegen, ihn in warmem Wasser anzusetzen, weil das Ergebnis nämlich das gleiche ist. Zumindest gibt es keine naturwissenschaftlichen Hinweise darauf, daß es zwischen diesen beiden Vorgehensweisen einen Unterschied gibt.
Ich will auch gar nicht in Abrede stellen, daß die Erfahrungen oder Überlieferungen dahingehend lauten, daß man mit kaltem Wasser anfangen sollte. ABER: Überlieferungen und Erfahrungen müssen nicht notwendigerweise stimmen. Ich würde eher darauf tippen, daß man das Essen in kaltem Wasser angesetzt hat, weil die Leute anderes zu tun hatten, erst ein Feuer zu machen, dann zu warten, bis das Wasser warm war und dann das Fleisch hineinzulegen. Da das Essen sowieso stundenlang köchelte, konnte man den Topf genauso gut über dem Feuer aufhängen und anschließend seiner Feldarbeit nachgehen, die Kinder im Auge behalten oder die Kühe melken.
Es ist tatsächlich nicht selten, daß sich zu irgendeinem Brauchtum oder einer Vorgehensweise, die zu irgendeiner Zeit üblich war, im Nachhinein eine Erklärung eingefunden hat, die aber völlig unzutreffend ist und mit dem Grund für die überlieferte Vorgehensweise nichts zu tun hat.
Ob in der Überlieferung ein Körnchen Wahrheit steckt, kann man letztlich nur herausfinden, wenn man ein Stück Tafelspitz teilt und eines davon kalt ansetzt und das andere warm - und das Ergebnis von einem Dritten, der nicht weiß, welches Stück welches ist, verköstigen und bewerten läßt.
Sofern das natürlich schon jemand gemacht hat, bin ich auf Berichte genauso gespannt wie auf die von mir zwischenzeitlich eingeforderten naturwissenschaftlichen Hintergründe oder meinetwegen auch Theorien, warum sich das Ergebnis bei den beiden Vorgehensweisen unterscheiden sollte.
Gruß
C.