Tarifforderungen

Hallo,
wenn man nicht will, dass sich die Einkommens- u. Vermögensschere immer weiter öffnet, warum fordern dann Gewerkschaften bei Lohnerhöhungsforderungen weiterhin - wie schon immer - prozentuale Erhöhungen, die sich zwangsläufig bei Gutverdienern viel höher auswirken als bei Geringverdienern. Bei gleichem finanziellen Gesamtaufwand würde der Konsum - und damit die Binnenwirtschaft - doch viel besser mit für alle gleichen Festbeträgen zu stimulieren sein.
Warum will man das nicht?
Danke für verständliche Erklärung.
JohBa

Hallo,
wenn man nicht will, dass sich die Einkommens- u.
Vermögensschere immer weiter öffnet, warum fordern dann
Gewerkschaften bei Lohnerhöhungsforderungen weiterhin - wie
schon immer - prozentuale Erhöhungen, die sich zwangsläufig
bei Gutverdienern viel höher auswirken als bei
Geringverdienern.

Es gibt hier natürlich viele weltfremde Beiträge - aber das ist echt mal wieder erstaunlich.

Wenn es unterschiedliche Löhne geben soll (und das muss so sein), dann müssen Erhöhungen natürlich auch der Tatsache Rechnung tragen dass dies so bleiben soll. Ansonsten hat eine ungelernte Kraft in der Warenannahme irgendwann so viel wie ein Etec Ingenieur.

Das verstehe ich jetzt leider nicht.
Wenn die ungelernte Kraft - genauso wie der Ingenieur - jeder z.B. 1 Euro mehr bekommen, dann verdient auch nach x Jahren die ungelernte Kraft immer noch nicht das was der Ingenieur verdient. Nur der Abstand zwischen den beiden Verdiensten wird nicht mehr größer. Oder was sehe ich da weltfremd falsch?
JohBa

Moin,

Nur der Abstand zwischen den beiden Verdiensten wird
nicht mehr größer.

aber die %-Rechnung kennst und beherrschst Du bzw. hast sie verstanden?!

Oder was sehe ich da weltfremd falsch?

Ich fürchte ja

Gandalf

Hallo Gandalf,
gerade weil ich Prozentrechnung kenne und um die Wirkung von Zinseszins weiß, erlaube ich mir die Frage: warum kämpfen die Gewerkschaften um immer weitere Spreizung der Vermögensverteilung in dem sie NICHT mit absoluten Zahlen arbeiten.
Bitte Gandalf erkläre mir das mal so, dass auch ich Dummi das verstehe.
JohBa

…wie diese Forderung auf den ersten Blick scheint, ist sie allerdings nicht; die Schwierigkeit ergibt sich jedoch aus der riesigen Anzahl der einzelnen Verträge, die dann bei „Tarifverhandlungen“ alle einzeln ausverhandelt werden müßten, was den „zeitlich angemessenen Rahmen“ für derartige Verhandlungen sprengen würde, bzw. ein „Scheitern der Gesamtverhandlungen“ aufgrund von „Unvereinbarkeit der Vorstellungen“ bereits wegen einer einzigen, eventuell nur für eine oder zwei Personen im gesamten „Verhandlungsgebiet“ relevanten „Forderung“ nicht nur möglich macht, sondern gewissermaßen regelrecht herausfordert, womit keiner der beiden Seiten gedient wäre.
Des weiteren ist die Gewerkschaft eine „Massenvertretung“ und würde sich selbst durch eine derartige „Regelung“ ihrer „Druckmittel“ (Bestreikung, etc.) berauben, da (erfolgreich und zutreffend) von „Arbeitgeberseite“ dann bei „Unstimmigkeiten“ darauf hingewiesen würde, daß es sich ja nur „um eine wenige Personen umfassende Gruppe“ handeln würde, die „den zentralen Streitpunkt“ darstellt, und eine (eine der Grundlagen gewerkschaftlicher Existenz) „Solidarisierung“ der „Gesamtmasse der Beschäftigten“ einer Branche wäre kaum zu erzielen.
Auch wäre eine solche „Regelung“ kaum in der Lage, die oft auftretenden „gehaltlichen Abstufungen“ aufgrund etwa unterschiedlicher Dauer der Betriebszugehörigkeit, Vorqualifikation, differierender Aufgabengebiete, etc. zu erfassen.

Im Übrigen ergibt sich das „Aufklaffen der Einkommensschere“ weniger aus eher geringfügigen Unterschieden des Einkommens annähernd ähnlicher Einkommensschichten, sondern aus der eklatanten Ungleichheit des Einkommens eines kleinen Teiles der Bevölkerung mit dem der „breiten Masse“; gerade die „Gehälter“ ebenjener „Spitzenverdiener“ sind aber in der Regel ohnehin nicht, bzw. nur sehr begrenzt von „gewerkschaftlichen Massenregelungen“ abhängig, bzw. von diesen ausgenommen.

Gruß
nicolai

Hallo nicolai,

herzlichen Dank, dass Sie sich die Mühe für Ihre ausführlichen Gedanken zu diesem Thema gemacht haben. Das beruhigt.
Auch sehe ich natürlich, dass die gröbsten Verwerfungen in unserem Land nicht durch gewerkschaftliche Forderungen verursacht oder gar zu beseitigen sind.
Aber:
Warum nicht mal demonstrativ vorführen, wie´s besser gehen könnte???
Deshalb vermag ich die von Ihnen geschilderten Schwierigkeiten so gar nicht zu erkennen.
Wenn - wie es beispielsweise Porsche, und neuerdings auch VW praktiziert - ein Jahresbonus wie Gießkanne in einem gleichen Betrag für Putzfrau bis Konzernchef (hier jeweils etwa 7.500 EUR) ausgeschüttet werden kann, dann könnte man doch genau so auch Entgelterhöhungen vornehmen: Z.B. 300.–EUR mehr pro Vollzeitbeschäftigten und Monat. Punkt.
Das macht keine individualisierten Berechnungen nötig, das kostet im Ergebnis nicht mehr, UND - was das Wichtigste sein wird - es kapiert jeder und es fließt überwiegend sofort wieder in den Konsum.
Dass die Solidarität derjenigen nicht gerade gefördert wird, bei denen 300.–EUR nicht der Rede wert sind, das glaube ich. Diese Herrschaften zeichnen sich in der Regel aber ohnehin sicher nicht durch ihre besondere Solidarität mit dem Präkariat aus.
Da einzige „Problem“ wird wohl letztlich sein:
Zu viel Geld für „kleine Leute“ vermindert bei denen zu sehr den Druck und die Angst und birgt die Gefahr, dass diese - da Armut gewöhnt - sich mit dem Geld bescheiden und nun nicht mehr so für schlechte Arbeit zu motivieren sind.
Kann das sein?
Freundliche Grüße
JohBa

Moin,

gerade weil ich Prozentrechnung kenne und um die Wirkung von
Zinseszins weiß, erlaube ich mir die Frage: warum kämpfen die
Gewerkschaften um immer weitere Spreizung der
Vermögensverteilung in dem sie NICHT mit absoluten Zahlen
arbeiten.

weil das Verhältniss dann gleich bleibt.

Würden immer nur über alle Gruppen ein fixer Betrag aufgeschlagen, würden die Unterschiede immer kleiner mit einem Grenzwert, daß alle Gruppen fast gleich sind.

Wenn vor 50 Jahren ein Facharbeiter 1000 DM verdiente und ein Ingenieur 2000 DM, dann war da der Faktor 2 zwischen.

Heute sage ich mal verdient ein Facharbeiter 3000 € und ein Ingenieur 6000 €, dann ist da wieder der Faktor 2.

Und wenn wir mal eine theoretische Prognose in die Zukunft machen, dann mag dann der Facharbeiter 5000 € verdienen und der Ing.10.000 dann ist der Faktor immer noch 2

Gandalf

Hallo Gandalf,
danke für den ernsthaften Diskussionsbeitrag.
Ich habe mir erlaubt, mal eben hochzurechnen, was eine durchschnittlich 2 prozentige Entgelterhöhung in den letzten 50 Jahren denn bei Ihrem Beispiel bewirken würde:
Zur Vereinfachung lassen wir jetzt mal die Wirkungen von Inflation außen vor (deshalb ja auch nur 2%) - ok?
Der Ingenieur konnte vor 50 Jahren genau 1.000.- EUR mehr ausgeben als der Facharbeiter (sich also beispielsweise 1.ooo Artikel zum Preis von je 1.- Euro mehr leisten als der Facharbeiter.)
Heute könnte sich der Ingenieur - bei kontinuierlich 2% Entgelterhöhung - nunmehr plötzlich 2.691 Artikel zu je einem Euro MEHR leisten als der Facharbeiter.
Das nenne ich: Die Schere öffnet sich…
Ich erkenne nicht, wann sich - bei absoluter, statt prozentualer Entgelterhöhung - in einem Menschenleben jemals ein Gleichverdienst von Ingenieur und Facharbeiter ergeben könnte!!! Eigentlich nie…
Natürlich haben Sie „relativ“ recht - aber Sie haben „absolut“ unrecht.
Mit freundlichen Grüßen
JohBa

Moin,

Heute könnte sich der Ingenieur - bei kontinuierlich 2%
Entgelterhöhung - nunmehr plötzlich 2.691 Artikel zu je einem
Euro MEHR leisten als der Facharbeiter.
Das nenne ich: Die Schere öffnet sich…

wie kommst Du zu dieser Behauptung?
Die Kaufkraft zwischen dem fiktiven Arbeiter und dem fiktiven Ing. hatte damals den Faktor 2 und hat sie heute auch.
Die Preise sind seitdem doch auch gestiegen.

Gandalf

Das ist keine Behauptung, Gandalf, das ist ein Zinsezinsergebnis der Prozentrechnung, die deshalb nur mit jährlich 2% angesetzt wurde, um die gleichzeitigen Kaufkraftverluste - auch Inflation oder Preissteigerung genannt - mal vereinfachend unberücksichtigt lassen zu können.
Die Schere öffnet sich…

Moin,

Die Schere öffnet sich…

wenn Du meinst…

Gandalf

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Egal was du rauchst - lass die Finger davon…

Du verwechselst hier (meiner Meinung nach) ein oder zwei Dinge, nämlich daß innerkonzernliche „Bonuszahlungen“ nicht mit allgemeingültigen gewerkschaftlichen Tariflohnforderungen gleichzusetzen sind, sowie, daß es sich in meinem Beitrag nicht um „300 Euro sind mir wurscht oder auch nicht“-Positionen handelt sondern darum, daß wohl kaum ein paar hunderttausend Beschäftigten einer Branche zu vermitteln wäre, daß der Grund für ein (voraussehbares) Scheitern von allgemeinen Branchentarifverträgen der Streit um fünf oder zehn Euro Erhöhung für (Hausnummer) 17 Personen (im gesamten verhandlungsrelevanten Gebiet) mit etwa einer bestimmten Sonderqualifizierung ist.
Des weiteren geht Dein Kommentar in eine falsche Richtung, denn nicht eine „gleiche Entlohnungserhöhung“ schafft Abhilfe für sogenannte „Präkariatsbeschäftigte“, sondern ein gesetzlicher allgemeiner Mindestlohn sowie das (vom Gesetzgeber zu schaffende) Verbot von sogenannten „Präkariatsverträgen“; was allerdings in Anbetracht der vorherrschenden (immer mehr zunehmenden) neoliberalistischen Grundhaltung der relevanten legislativen Entscheidungsträger nicht zu erwarten ist…

Gruß
nicolai

p.s.: wobei noch anzuführen wäre, daß eine „allgemein gleiche Lohnerhöhung“ (etwa „zehn Euro mehr pro Monat für jeden“) an der existenten gravierenden Ungleichheit der jeweiligen Einkünfte kaum relevante Veränderungen herbeizuführen imstande ist, wenngleich es für den einzelnen Beschäftigten (subjektiv) so erscheinen mag (der Unterschied zwischen EUR 5050,-- und EUR 1010,-- - bei etwa 1%iger Erhöhung - ist nicht viel anders als der Unterschied zwischen EUR 5015,-- und EUR 1015,-- bei etwa „15 Euro für alle“, nämlich noch immer etwa EUR 4000,–)

Natürlich sind betriebsinterne Bonuszahlungen etwas anderes als Ergebnisse von Tarifverträgen. Das verstehe ich sehr wohl.
Was ich noch nicht verstanden habe, ist, warum bei allgemeinen Tariferhöhungen irgendwelche Einzel-Sonderqualifikationen einzeln und gesondert zu berücksichtigen wären? Das dürfte doch wohl über Eingruppierungsregelungen zu lösen sein.
Zu beklagen, was die Politik hier korrigierend lösen können sollte - es aber nicht tut - hilft allerdings meiner Meinung nach erstens nicht weiter und zweitens erklärt es nicht den Umstand, dass auch die Gewerkschaften am Öffnen der Einkommens- u. Vermögensschere immer weiter mitarbeiten.
Und hier war nun meine Überlegung, ob nicht auf dieser Ebene mal das versucht werden könnte, was man bei außer Kontrolle geratenen Bränden tut: man bekämpft sie mit Feuer. Hier also z.B.: die bisherigen Methoden, die in ihrem Ergebnis am Ende inakzeptabel wirkten, mit Methoden bekämpfen, die am Anfang inakzeptabel wirken…

Lohnangleich, Sozialismus und Kommunismus
Hallöchen,

sorry, normalerweise stehe ich auf einem relativ linksliberalen Standpunkt, aber bei dem Kommentar muss ich gleich an Kommunismus denken, und dass der ja nicht funktionierte.

Klar, ich bin kein Fan dafür, dass der Eine €10000 pro Stunde Golfspielen, Reisen und Kaffeetrinken und der Andere €2,37 für’s Bauteilschrauben kriegt.

Aber wenn Karl €3750 für’s Schrauben von Radlagern in 36 Stunden am Fließband kriegt, Otto €3825 für Design, Planung, Konzeption und Validierung der neuen Produktkette an 6 Tagen die Woche mit jeweils 10-12 Stunden — dann kann man sich fragen, was für Otto die Motivation sein sollte, sich das Ganze anzutun: und wenn er es nicht täte, gäbe es für Karl keine Radlager, da keine Kunden da sind und was hat Karl davon, wenn es mangels Aufträgen gar keine Arbeit mehr da ist? --> Grundsicherung hat er davon…

Das Auseinanderklaffen der Einkommensschere ist gesellschaftlich schlecht, aber das Zusammenführen von „Geringverdienern“ und „dem Mittelstand“ ist nicht die Lösung.
Es führt nur zu einer Steigerung des Allgemeinen Preisniveaus (Lohnstückkosten etc.) und somit zur Verarmung des Mittelstands und das wiederum führt schließlich zu noch größerem sozialen Unfrieden.

Was nämlich passieren würde: Da plötzlich viel mehr Leute etwas mehr Geld in der Tasche hätten, würden z.B. viele Leute eine etwas bessere Wohnung mieten wollen, was dazu führt, dass die Vermieter dank mehr Nachfrage höhere Mieten nehmen und die bisherigen Bewohner sich ihr Milieu nicht mehr leisten können.

Die Gewinner einer pauschalen x€-Lohnsteigerung sind, so blöd es klingt, NICHT die Gering- und Normalverdiener (es sei denn, die Geringverdiener sehen es als „Gewinn“, wenn es Anderen auch so schlecht geht wie ihnen selbst) - sondern Bosse und Aktionäre, da deren Profit mit steigendem Preisniveau einfach nach oben geht.

Ach ja, tl;dr:
Pauschale Lohnerhöhungen führen zu marktwirtschaftlich nicht tragfähigen Strukturen.
Deswegen wird sowas nicht gemacht.

Blöd für die am unteren Ende der Nahrungskette.

Gruß,
Michael
… Freund der sozialen Marktwirtschaft, aber Gegner des Kommunismus

Hallo Michael,
herzlichen Dank dafür, dass Sie sich ernsthaft auf „abweichende Gedankenspiele“ einlassen.
Ihr Fazit im Wissen, dass das obere 1% sich vom Gesamtkuchen Deutschland 34% abschneidet und das halbe Volk (50%) sich mit insgesamt 1% zu bescheiden hat, soll sein:
Solidarisierung der Mittelschicht mit dem Präkariat geht gar nicht, weil die Mittelschicht sonst Gefahr läuft ebenfalls ins Präkariat abzurutschen?
Das soll tatsächlich helfen?
Könnte es nicht eher umgekehrt zielführend sein, statt „abschotten wo irgend geht“ nach dem Motto „Radfahrer“: nach unten treten… mit dem Ergebnis des „teile und herrsche“ der Oberschicht statt dessen: dann doch lieber „Einigkeit macht stark“ im Sinne: „wir lassen uns unser Land und die Früchte unserer Arbeit nicht wegmanipulieren“.
Das ist doch wohl weder Neid, noch Kommunismus, noch Sozalismus, sondern statt dessen sohl eher irgendwie Logik, Fairness, Humanität und gesunder Menschenverstand…
Oder - wie jetzt???

Enteignung ist keine Solidarität!
Hallöchen zurück,

Ihr Fazit im Wissen, dass das obere 1% sich vom Gesamtkuchen Deutschland 34% abschneidet und das halbe Volk (50%) sich mit insgesamt 1% zu bescheiden hat, soll sein:
Solidarisierung der Mittelschicht mit dem Präkariat geht gar nicht, weil die Mittelschicht sonst Gefahr läuft ebenfalls ins Präkariat abzurutschen?

Nein. Es geht nicht darum, dass ich hier gegen Solidarisierung spreche.
Ich spreche hier davon, dass eine Angleichung das Gegenteil einer Solidarisierung bedeutet - nämlich Enteignung der Mittelschicht zugunsten der Oberschicht.

Unter realen Bedingungen kann die Welt nur funktionieren, wenn Leistung honoriert wird. Deswegen kann die Lösung nicht darin liegen, Leistung pauschal mit Enteignung zu bestrafen.

Die Idee ist einfach zu kurz gegriffen.
Ich will es mal so erläutern:

A hat €10 Gehalt.
B hat €90 Gehalt.
C hat €100000 Gewinn aus Aktien und Vermögen.

Damit hat B die Möglichkeit, 4x A zu beschäftigen und dann hat B genau so viel wie A.
Und C hat die Möglichkeit, A 100x zu beschäftigen und hat trotzdem noch mehr als A und B zusammen.

Wenn man nun A und B jeweils €100 gibt, dann kann B A überhaupt nicht mehr beschäftigen, ohne plötzlich schlechter als A dazustehen.
C kann jedoch A und B beschäftigen, ohne dass es seinen Geldbeutel kratzt.

Nimmt man nun Lebenhaltungskosten in die Rechnung:

A kann sich keine Miete leisten, weil die €12 kostet. Deswegen wird er für €2 vom Staat subventioniert, was effektiv B mit €2 zahlt.
B kann sich diese Miete und die Subvention leisten und danach trotzdem noch A 3x beschäftigen.

Erhöht man das Gehalt von A auf € 110 und von B auf €200, so wird die Miete auf €120 gehen, wodurch sich A die Miete immer noch nicht leisten kann und er €20 Subvention benötigt.
Aber B kann nach Mietzahlung A nicht mehr beschäftigen.

Dadurch hat A gar kein Einkommen mehr und B muss €120 Mietsubvention für A zahlen, was sich auch B nicht mehr leisten kann.
Also ist A pleite und B pleite.

Da aber C der Kapitalinhaber ist, dem auch die Wohnung gehört, kassiert der jetzt statt €100024 nun zusätzliche €226 Miete und erhält €100400, so dass sowohl A und B sich garnichts mehr leisten können, aber C nun noch mehr Geld in der Tasche hat als vorher.

So hast Du effektiv zwar die „Einkommensschere (brutto)“ etwas reduziert, aber die Netto-Lebensqualität für den Mittelstand komplett ruiniert, ohne dass das Präkariat irgend einen Nutzen davon hatte.

Jetzt meine Frage an Dich: Ist das die Lösung, wie Du sie Dir vorstellst?

Könnte es nicht eher umgekehrt zielführend sein, statt „abschotten wo irgend geht“ nach dem Motto „Radfahrer“: nach unten treten… mit dem Ergebnis des „teile und herrsche“ der Oberschicht statt dessen: dann doch lieber „Einigkeit macht stark“ im Sinne: „wir lassen uns unser Land und die Früchte unserer Arbeit nicht wegmanipulieren“.

Ganz ehrlich, es ist doch normal und sollte es auch bleiben, dass diejenigen, die mehr leisten, auch mehr haben als diejenigen, die weniger - oder noch ganz extrem - gar nichts leisten.
Wenn man ein System aufbaut, was Leistungsträger mit Faulenzern finanziell gleichstellt, wird es in sich kollabieren und das hat mit Solidarität oder Radfahren nichts zu tun.

Was, wenn der gesamte Mittelstand sich plötzlich denkt „Hey, warum soll ich malochen wenn ich fürs Nichtmalochen noch mehr kriege als jetzt?“ - und genau das wird passieren, wenn pauschal alle Betrag X mehr kriegen!

Das Ganze kann nur dann überhaupt funktionieren wenn mit dieser Erhöhung des Grundeinkommens ein massiver Sozialabbau einhergeht, welcher Subventionen komplett streicht (d.h. keine Grundsicherung, kein ALG, keine Rente, kein garnichts) und das finde ich persönlich weder logisch, fair, human noch gesund…

Wenn man so etwas wie eine Lösung haben will, dann auf der Ebene, dass die Möglichkeit der unbegrenzten Anmassung von Kapital unterbunden werden muss.
Sprich, ein Spitzensteuersatz von 99,9% für Einkommen „jenseits von Gut und Böse“.

Es muss effektiv verhindert werden, dass Kapital unkontrolliert und uneingeschränkt zur Schaffung weiteren Kapitals genutzt werden kann, da genau dies der Mechanismus ist, welcher dazu führt, dass es die „finanzielle Oberschicht“ überhaupt gibt.

Hier müsste man sehr, sehr weit ausholen.
Prinzipiell läuft es darauf hinaus, dass eine Volkswirtschaft nur eine begrenzte Menge von Werten zur Verfügung hat und auch nur begrenzt Werte schaffen kann.
Wenn jedoch die Sammlung von Kapital für die „Superreichen“ schneller vonstatten geht als die Schaffung von Werten, dann ist -komplett unabhängig davon, ob auf dem Lohnzettel der Putze nun €3,61 oder €1212 steht- ein kontinuierlicher, schleichender Prozess im Gange, welcher Werte aus dem Präkariat und dem Mittelstand in die Taschen der Oberschicht verlagert.
Bis irgendwann sämtliche Werte in der Oberschicht liegen und weder Mittelstand noch Präkariat welche halten.

Es ist gerechter, wenn jeder Mensch nach seiner individuellen Leistung eine unterschiedliche Menge an Werten besitzt, als wenn von Regierungsseite her diktiert wird, dass man den Mittelstand im Rahmen einer falsch verstandenen „Solidarisierung zugunsten des Präkariats“ enteignet aber deren Besitz effektiv den Reichen zuschustert.

Gruß,
Michael

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Hallo Michael,

recht herzlichen Dank für Ihre detaillierte Meinungsäußerung.

Ich möchte – bevor ich auf Ihre Thesen im Einzelnen eingehe – noch 3 Punkte vorausschicken:

1.)
Es ist zwischen uns sicherlich unbestritten, dass die bestehende Wirtschaftsordnung – an der jeder Einzelne seinen ganz persönlichen Anteil zu verantworten hat – zu der grotesken Verwerfung (nicht nur) in unserem Land geführt zu haben scheint (wie wissenschaftlich behauptet wird) dass der „Gesamtkuchen Deutschland“ mit z.B. etwa 81.000.000 Kuchenstücken wie folgt verteilt ist:
800.000 Menschen beanspruchen schon mal jeder etwa 34 Stücke für sich. (Oberschicht).
40.000.000 Menschen bekommen jeder 0,002 – oder das 500teTeil EINES Kuchen-Stückes – davon ab (mit anderen Worten: das halbe Land isst „Kuchenkrumen" und ist "Kuchenkrumen-Präkariat“).
Und jetzt fehlt noch die Mittelschicht, die sich – zu Lasten der Unterschicht (bestehend aus der halben Bevölkerung!!!)– ebenfalls einen „Kuchenzuschlag von 33% auf ihren rechnerisch zustehenden Anteil gönnt.
Konkret:
40.000.000 Menschen der Mittelschicht beanspruchen – jeder für sich – 1 und 1/3 Stück vom Gesamtkuchen.
2.)
Das das eine geradezu abenteuerlich-groteske Verteilung ist, wird nicht zu leugnen sein. Oder?
3.)
Es ist wahr, meine Idee als alleinig seligmachend - greift zu kurz. Dass mein Gedanke einer – vielleicht sogar befristeten - gewerkschaftlichen Initiative zu Entgelterhöhung in absoluten Zahlen, das Problem nicht lösen kann, weiß auch ich. Aber es hilft, dass der Kuchenanteil der Mittelschicht - und damit die Spaltung der Bevölkerung - nicht noch weiter zu Lasten der Unterschicht steigt.

Nun zu Ihren Ausführungen, für die ich ihnen – wie immer – herzlich danke:
1.)
Sie schreiben von „A“ (ich nehme an, Sie meinen „Päkariat“), „B“ (ich nehme an „Mittelschicht“) und „C“ (ich nehme an „Oberschicht“).
Sie gehen nun – wie selbstverständlich - davon aus, dass A nur von und durch B lebensfähig zu sein scheint (Sie schreiben sinngemäß: B bezahlt A und zusätzlich auch noch Teile der Miete von A).
Frage: wo hat B denn das Geld her, von dem er dann A bezahlt und zusätzlich die Miete für A subventioniert? (Übrigens: warum bezahlt B eigentlich den A nicht gleich so anständig, dass eine Steuersubvention für A gleich überflüssig wird???)
Auf jeden Fall wird der Kunde von B ja wohl nicht mehrheitlich C sein, sondern – richtig – A. Irgendwie bezahlt sich A also - abzüglich des abgeschöpften Anteiles von B - letztlich ein stückweit selbst - oder nicht???
2.)
Wieso erhöht sich zwangsläufig die Miete von A, wenn A + B ein höheres Einkommen hätten?
Erhöht sich nicht vielmehr – der erhöhten Kaufkraft wegen – das Angebot an (meinetwegen auch besseren) Wohnungen?
3.)
Selbstverständlich darf „Leistung“ nicht bestraft werden.
Aber selbst der unbelehrbarste Behauptungsverkünder des „jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ müsste ins Grübeln kommen, wenn er die halbe Bevölkerung als „leistungslose Schmarotzer“ der Mittelschicht ansehen wollte.
4.)
Ja, ich habe auch keinen Vorschlag wie:

  1. der gnadenlos geringe Anteil von 1/500 Kuchenstück für die Hälfte der Bevölkerung,
  2. der 33 prozentige Zuschlag der Mittelschicht auf ihren fairen Anteil,
  3. der obszöne 3.400%-Anteil der Oberschicht auf ein den sozialen Frieden bewahrendes ausgleichendes Maß gebracht werden kann, in dem JEDER nach dem Maß seines Nutzens für die Allgemeinheit vergütet wird.
    Haben SIE eine Antwort?
    Suchen Sie wenigstens nach einer?
    MfG
    Johannes

Das eigentliche Problem liegt doch vielmehr darin, daß die große Mehrheit der „ein klein wenig bessergestellten“ lieber die ungeheuerlichsten Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten akzeptiert, solange diese (direkt oder indirekt) ein Weiterbestehen der - wenn oft auch nur winzigen - „persönlichen Besserstellung“ garantieren, als sich wirklich mit den „schlechtergestellten“ Menschen zu solidarisieren, und diese - nichts weniger als grob eigennutzige - Einstellung damit zu kaschieren versucht, daß mit Pseudoargumenten wie „Leistung“, „Ausbildung“ oder „Qualifikation“ (exakt dieselben Pseudoargumente, die auch von den sogenannten „Spitzenverdienern“, gegen die sich die angesprochene Gruppe der „etwas besser gestellten Personen“ offiziell abzugrenzen versucht ins Treffen geführt werden) hantiert wird, ohne die in der Klammer angeführte Tatsache zu begreifen oder sich dieser gar bewußt zu werden.
Ein weiteres grundlegendes (und globales) Problem besteht darin, daß als „gesellschaftlich akzeptiert“ gilt, daß Kapital weiteres Kapital (sprich : Geld schafft weiteres Geld) generiert, ohne dafür die entsprechende Wertschöpfung (Geld ist eigentlich ein Äquivalent für Wertschöpfung) zu generieren, und zwar mittlerweile in einem Verhältnis von beinahe zwanzig zu eins (sprich : reine „Geldvermehrung“ übertrifft „Wertschöpfung“ um ein zwanzigfaches), was volks-, bzw. global gesamtwirtschaftlich gesehen nur zum Untergang der derzeit vorherrschenden Geld-, Finanz- und Wirtschaftssysteme führen kann; erste Ausläufer davon haben uns bereits mit den Bankenabstürzen, der „Eurokrise“ und anderen „Ereignissen“ erreicht…
Nicht unerwähnt bleiben sollte, daß es gerade die „Liberalisierung“ von Finanzwesen, Wirtschaft und diesbezüglicher Legislative ist, die die Hauptschuld an dieser Situation trägt, weswegen die (persönliche) Standpunktbestimmung, man sei „liberal“, egal nun, ob „rechts-“ oder „linksliberal“ vielleicht in Zeiten der Monarchie als fortschrittlich gegolten haben mag, heutigentags aber wohl eher in anderem als dem ursprünglichen Sinn zu verstehen sein dürfte.

Gruß
nicolai