Teilt oder vereint sich der Strom aus 4 Armen?

1.Mose 2,10 Ein Strom entsprang in Eden zur Bewässerung des Gartens. Von da an teilt er sich in vier Arme.

Ich dachte bisher, das wäre nur verkehrte Logik. Gemeint wäre, er vereinte sich aus 4 Armen. Es heißt aber wirklich, er teilte sich. Denn dieses mythische Bild findet sich auch in einem anderen mesopotamischen Mythos wieder: ‚Enki und Ninhursag‘. Im heiligen Land Dilmun entspringen Quellen, die alle Flüsse der Erde füllen. Auch in der Edda befinden sich unter dem Weltenbaum Quellen, die alle 25 Flüsse der Erde füllen.

Nun meine eigentliche Frage:

Haben diese mythischen Bilder gemeinsame Wurzeln? Etwa vor langer Zeit in China? Oder handelt es sich um Parallel-Entwicklungen?

Wenn Parallel-Entwicklung, welchen Sinn macht dann die biblische Erwähnung?

Gruß FraLang

Psychologische Symbolik
Hi FraLang.

Haben diese mythischen Bilder gemeinsame Wurzeln?

Aus psychoanalytischer Sicht sicherlich. Wasser gilt hier als Symbol der Fruchtbarkeit und des Lebens, die Ströme im Paradies können auch als Symbol des Fruchtwassers interpretiert werden. Es gibt aber auch eine Theorie, die das anders sieht. Eine Ex von mir, Dozentin an der Humboldt-Uni und der TU Dresden, deutet Wasser als Männlichkeitssymbol, was gut zur patriarchalischen Gestus des AT passt. Ich zitiere aus dem Waschzettel ihres diesbezüglichen Buches:

„Der bekannte Konnex zwischen Wasser und Weiblichkeit, der spätestens seit der Frühromantik in den Köpfen männlicher Künstler und Autoren kursiert und im allgemeinen Kulturverständnis fest verankert scheint, erfährt hier eine grundlegende Relativierung. Es wird gerade danach gefragt, wie Männlichkeit sich über das Wasser konstituiert. So gesehen findet eine Fortschreibung von Theweleits Männerphantasien statt, nur unter umgekehrtem Vorzeichen: Denn Männer haben nicht nur das andere Geschlecht im Sinn; sie sprechen oft auch von sich selbst, wenn sie Visionen vom Fließenden, Strömenden entwickeln und gedankliche Entwürfe zum Ozeanischen oder Meerischen vornehmen. Nicht nur männlich geprägte Meeres- und Schifffahrtsmythen stehen dafür seit der Antike Pate.“

http://www.weltbild.de/3/14890226-1/buch/flusspoeten…

Gruß

Chan

Hallo Chan,

… als Symbol des Fruchtwassers
… Wasser als Männlichkeitssymbol, was
gut zur patriarchalischen Gestus des AT passt.

Warum so kompliziert? Das Wasser zum Gießen der Felder und zum Trinken hat doch schon eine lebensnotwendige Bedeutung. In trockenen Gegenden besonders. Ein Mythos, in dem ein Gott Quellen hervorsprudeln lässt, die Flüsse füllt, damit die bestellten Felder bewässert werden können, macht für sich ja schon Sinn.

Das Epos Enki und Ninhursag verstehe ich eher als eine Erklärung, warum und wie es zu den vielen Kanäle und Bewässerungsanlagen im damaligen Mesopotamien kam.

Gruß FraLang

elementare Mytheme in kosmogonischen Mythen

Es heißt aber wirklich, er teilte sich.

ונהר יצא מעדן להשקות את הגן ומשם יפרד והיה לארבעה ראשים

Heißt tatsächlich wörtlich: „und ein Strom (war) ausgehend von Eden zu bewässern den Garten und von dort teilte (er) sich und wurde zu vier Häuptern“

Es ist nur eines von einigen Mythemen, das hier und da in Schöpfungserzählungen auftaucht. Es gehört jedoch nicht zu den Figuren, die grundsätzlich zu der manifesten Erzählung eines kosmogonischen Mythos gehören. Sehr wohl aber zu einer ihm zu Grunde liegenden Logik, die tatsächlich jeder mythischen Kosmogonie eigentümlich ist.

Genaueres zu dieser Mythen-Logik, insbesondere warum sie sich in allen solchen Mythen zeigt, findest du in einer Publikation von mir:
Zum mythen-logischen Zeitbegriff

Demnach beantwortet sich deine Frage

Haben diese mythischen Bilder gemeinsame Wurzeln?

so: Nicht gemeinsame Wurzeln, sondern eine gemeinsame Logik. Daß viele kosmogonische Mythen aber Elemente von früheren ethnischen Formationen oder auch von benachbarten Ethnien übernahmen, kommt dann sehr oft noch dazu.

Der mythische Akt der Weltentstehung wird - unter anderem - in einem mythischen Ort"reaktualisiert". Und zu den Standards solcher Orte gehören neben Bergen und Bäumen eben auch Quellen. Und so hat sich dieses erzählerische Element auch(!) in diesem (zweiten) israelitischen Mythos erhalten.

Über solche Elementarstrukturen von Mythen, ebenso wie von Ritualen (die immer mit Mythen zusammenhängen) hab ich zahlreiche Artikel im Archiv. Leider funktioneren die alten Links nicht mehr. Diesen hier finde ich gerade:
/t/ist-das-eine-religion-oder-was/935356/5

Gruß
Metapher

Danke für die interessanten Links. Um sie durchzuackern, brauch ich allerdings noch ein bisschen Zeit.

Nicht gemeinsame Wurzeln, sondern eine gemeinsame Logik.

Mytheme entstehen mehrmals nach der gleichen Logik. Also, wenn ich das richtig verstehe, heißt das, es gab schon Parallel-Entwicklung.

Daß viele kosmogonische Mythen aber Elemente von früheren
ethnischen Formationen oder auch von benachbarten Ethnien
übernahmen, kommt dann sehr oft noch dazu.

Ja, Überlieferungen können ziemlich dauerhaft sein. Die Venus-Figuren wurden ja auch über 15.000 Jahre lang immer wieder angefertigt. Es muss sich der Mythos um sie auch so lange gehalten haben.

Was konkret könnte mit dem sich zerteilenden Quellfluss passiert sein? Ich denke an Tibet. Dort entspringen alle ost- und süd-asiatischen Flüsse. War dort die heilige Stätte, die das Überleben in den Küstenregionen während der Eiszeit durch Wasser in den Flüssen ermöglichte? Kommt dieses Mythem von dort?

Gruß FraLang

Hallo,:

Nun meine eigentliche Frage:

Haben diese mythischen Bilder gemeinsame Wurzeln? Etwa vor
langer Zeit in China? Oder handelt es sich um
Parallel-Entwicklungen?

Weshalb sollte das nur ein „Mythisches Bild“ sein?

Euphrat und Tigris sind noch vorhanden. Die anderen beiden Flüsse/Zuflüsse sind ausgetrocknet. Man kann die Flußverläufe noch auf Luftaufnahmen rekonstruieren.
Ich sage das im Moment nur aus einer Lese- Erinnerung und werde versuchen, in meinen vielen Unterlagen die Info- Quelle zu finden.
Mit diesen 4 Flüssen kann man die Lage des Garten Eden anhand damaliger Texte in etwa lokalisieren.

Gruß:
Manni

Hallo FraLang,

-> http://de.wikipedia.org/wiki/Flussdelta
-> http://www.klett.de/sixcms/media.php/76/gelber_fluss…

Grüße Roman

Weshalb sollte das nur ein „Mythisches Bild“ sein?

Euphrat und Tigris sind noch vorhanden.

Aber sie haben keine gemeinsame Quelle, nach der sie sich dann trennen würden. Und darum geht es hier.

Martinus

Hallo Manni,

Euphrat und Tigris sind noch vorhanden. Die anderen beiden
Flüsse/Zuflüsse sind ausgetrocknet. Man kann die Flußverläufe
noch auf Luftaufnahmen rekonstruieren.

Das würde doch wieder heißen, dass sie sich vereinten und nicht zerteilten. Aber es wäre interessant, zu wissen, welche diese ausgetrockneten Flüsse gewesen sein sollen.

Gruß Fralang

Hallo Roman,

wenn es sich um ein Flussdelta gehadelt hat, dann wäre erst recht interessant, welches das war. Der Persische Golf ist zu eng dazu. Es müsste schon so etwas wie China zur Eiszeit gewesen sein, und das ganze heutige Gelbe Meer war ein Flussdelta.

Gruß Fralang

Hallo,

Das würde doch wieder heißen, dass sie sich vereinten und
nicht zerteilten. Aber es wäre interessant, zu wissen, welche
diese ausgetrockneten Flüsse gewesen sein sollen.

Im Altertum waren die Flüsse unter folgenden Namen bekannt:

„…der Name des ersten ist Pishon, welcher sich windet von Havilah, wo das Gold ist…
Der Name des zweiten ist Gihon, er ist der, der das ganze Land Kush umkreist…
Und der Name des dritten Flusses ist Hiddekel, der, der östlich von Assyrien fließt
Und der vierte ist der Prath…“

Hiddekel und Prath sinnd Tigris und Euphrath.

Das Flußbett des Pishon wurde im März 1993 durch Landsat- Aufnahmen „wiederentdeckt“. Er ist ausgetrocknet und floß quer durch Saudi- Arabien. Er mündete bei Basra/Kuweit in den Persischen Golf.

Der Gihon ist vermutlich der Fluß Karun, der der Hauptfluß im antiken Land Kushshu war. Er beginnt in heutigen Südwest- Iran.

Alle 4 Flüsse fließen (flossen) im Delta zusammen, das sich an der Spitze des Persischen Golfes befindet (dem heutigen Shatt- el- Arab).
Der Garten Eden lag nach diesen alten Beschreibungen wohl demnach im südlichen Mesopotanien.

Gruß:
Manni

Hallo Manni,

ich habe etwas unterschiedliche Informationen über diese Flüsse:

"…der Name des ersten ist Pishon, welcher sich windet von
Havilah, wo das Gold ist…

Das Land Hawila wird ein weiteres mal in der Bibel erwähnt. Im Land Hawila siedelte der erste Sohn Abrahams, den er mit der Ägypterin, der Magd seiner Frau, zeugte. Hawila soll vor (oberhalb) Ägypten gelegen haben und könnte somit das Land zwischen Blauem Nil und Rotem Meer sein. Am Blauen Nil gab es tatsächlich Gold und Edelsteine. Ob der biblische Edelstein allerdings als Onyx richtig übersetzt ist, ist die Frage. Das Bedolach-Harz kommt aber tatsächlich aus Südarabien oder Ostafrika, also aus der Region des Blauen Nils.

Der Name des zweiten ist Gihon, er ist der, der das ganze Land
Kush umkreist…

Kusch war in etwa das heutige Äthiopien und grenzte an den Weißen Nil. Kusch war der altägyptische Name für Nubien. Demnach wäre der Gihon der Weiße Nil.

Nach dieser Version hätten die Flüsse aber weder einen gemeinsamen Ursprung, noch einen Zusammenfluss.

Alle 4 Flüsse fließen (flossen) im Delta zusammen, das sich an
der Spitze des Persischen Golfes befindet (dem heutigen Shatt-
el- Arab).

Nach deiner Version haben sie aber auch keinen gemeinsamen Ursprung. Das steht aber eindeutig in der Bibel. Der Strom teilte sich von da an in 4 Arme. Was ist die Lösung?

Der Garten Eden lag nach diesen alten Beschreibungen wohl
demnach im südlichen Mesopotanien.

Das tat er wohl, das geht auch aus den anderen mesopotamischen Mythen eindeutig hervor. Der Ort, an dem sich der Fluss zerteilt, ist aber trotzdem ein mythischer.

Den Gihon und Pishon finden wir nur in der Bibel. Nachdem sich die Quellen an einem mythischen Ort befinden, können es auch der Blaue und Weiße Nil sein.

Gruß FraLang