Teilzeit Ausbildung im Nachhinein beantragen

Liebe Community,

ich überlege mir eine Teizeit Ausbildung zu mache , aus gesundheitlichen Gründen mit 30 Stunden die Woche. Ist es mögich ersteinmal 40 Stunden auszuprobieren ohne das man dem Arbeitgeber mitteilt von seiner Einschränkung und dann falls es zuviel wird im Nachhinein eine Teilzeit Ausbildung zu beantragen.
Vielen Dank

Gruß Cyberwurm

Servus,

kein ausbildender Betrieb ist gezwungen, mit jedem Bewerber, der darauf Bock hat, einen Vertrag über die Berufsausbildung einzugehen. Wenn ein Vertrag geschlossen worden ist, ist dieser einzuhalten - „pacta sunt servanda“ gilt auch hier. Keine der Parteien kann den bestehenden Vertrag nach Gutdünken einseitig ändern, wenn sie nach Vertragsschluss erkennt, dass ihr was anderes eigentlich besser gefiele. Verträge über Berufsausbildungen zum „ersteinmal ausprobieren“ werden üblicherweise nicht abgeschlossen - schon allein deswegen nicht, weil der Ausbildungsbetrieb während des ersten halben Jahres richtig fett drauflegt und es lange dauert, bis ein Azubi rentabel wird - je nach Beruf wird er das eh erst nach Ende der Ausbildung und Übernahme.

Was lernt uns das?

Wenn bei Dir schwerwiegende Einschränkungen vorliegen, die es überhaupt möglich machen, eine Berufsausbildung mit verkürzter Arbeitszeit im Betrieb zu beantragen, ist die zweite bedeutende Hürde, dass Du einen Betrieb findest, der dazu bereit ist. Die einzige Chance, so einen zu finden, ist, dass Du von vornherein sagst, was Sache ist und nicht mit irgendwelchen Winkelzügen im Nachhinein versuchst, einen Vorteil für Dich rauszuholen.

Schöne Grüße

MM

das wird wohl das große Problem sein …

Hallo,

„zum ersteinmal Ausprobieren“ wäre die Probezeit. :wink: Da kann der Ausbilder auch schon mal feststellen, dass er sich bei der Azubi-Auswahl vertan hat, denn nach der Probezeit den Azubi loszuwerden ist nicht mehr so einfach (wenn auch nicht unmöglich, mir sind einige Fälle durchaus bekannt).
Was ich mich auch frage ist, wie das mit der Berufsschule läuft, denn Berufsschule in Teilzeit gibt‘s nicht, d. h… eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit würde wohl ausschließlich zu Lasten der Arbeitszeit im Betrieb gehen.

Gruß
Christa

Die Stunden in der Berufschule kann man soweit ich weiß nicht verkürzen , auch wenn man eine Teilzeit Ausbildung beantragt auf 30 Stunden bleibt die Ausbildungszeit gleich.

Das habe ich doch geschrieben …

Gutdünken ist gut , immerhin liegt eine nicht unerhebliche Erkrankung vor diese sich allerdings nicht linear zeigt und auch von den Arbeitsbedingungen abhängt . So 100 % läßt sich das nicht im vorfeld sagen , ob man der Belastung von 40 Stunden gewachsen ist.
ich mein was wäre wenn die Erkrankung erst während der Ausbildung auftritt , wäre es dann möglich eine Teizeitausbildung zu beantragen ?

  • das kommt ein bissele drauf an, was für einen Beruf Du anstrebst.

Im öffentlichen Dienst bestehen relativ gute Chancen, wenn Du Dir (falls noch nicht geschehen) rechtzeitig vor dem Bewerbungsverfahren beim Versorgungsamt einen Schwerbehindertenausweis besorgst und ggf. bei der Agentur für Arbeit die Gleichstellung beantragst.

In kaufmännischen und eventuell auch handwerklichen Berufen ist für Schwerbehinderte einiges bei den Unternehmen der Diakonie (CAP Lebensmittelmärkte usw.) zu erreichen; sonst gibt es auch lokal / regional entsprechende Initiativen, diese über IHK und Handwerkskammer zu erfahren. Für Menschen mit besonderen Defiziten gibt es teils auch eigene Organisationen, die ab und zu recht erfolgreich deren Eingliederung unterstüczen.

Schöne Grüße

MM

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Es würde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen zweiten Anlauf „zurück zum Start“ mit entsprechendem Verlust an Geld und Zeit notwendig machen, da dem auf diese Weise kalt erwischten Ausbildungsbetrieb nicht grade ohne weiteres zumutbar wäre, die Ausbildung zu ganz anderen als den vereinbarten Bedingungen fortzusetzen.

Schöne Grüße

MM

Hallo Aprilfisch,

grundsätzlich hast du damit

zwar recht, aber aus der Fallschilderung könnte eine Ausnahme vom Grundsatz resultieren.
Ist der Azubi nämlich schwerbehindert oder gleichgestellt, dann könnte als höherrangiges Recht evtl. auch im Laufe eines Ausbildungsverhältnisses § 164 Abs. 5 SGB IX
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__164.html
greifen.
Aufgrund der Definitionen der §§ 151 Abs. 1, 156 Abs. 1 SGB IX
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__151.html
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__156.html
ist !64 Abs. 5 SGB IX auch auf Ausbildungsverhältnisse anwendbar.

Die „verlorene“ Zeit kann dann u.a. gem. § 8 Abs. 2 BBiG „kompensiert“ werden.
https://www.gesetze-im-internet.de/bbig_2005/__8.html

Auf jeden Fall muß dann eine Einzelfallprüfung stattfinden. Dem gleichgestellten/schwerbehinderten Azubi ist dann anzuraten, bei einem entsprechenden Wunsch frühzeitig den örtlich zuständigen IFD einzuschalten.
Und nein, die AG werden dabei nicht über Gebühr strapaziert, den für eine entsprechende seriös bezifferbare Belastung können sie finanzielle Nachteilsausgleiche bis zu 80% (Quote ist abhängig von der Erfüllung der Beschäftigungspflicht :wink: ) gem. § 185 Abs. 3 Nr. 2a, c, e SGB IX
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__185.html
erhalten.

&Tschüß
Wolfgang

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Ohhh, die Latte liegt ziemlich hoch, dass sich ein AG gegen Teilzeitausbildung wehren kann. Er muss schon sehr gute Argumente bei der IHK oder HWK vorbringen, um sich gegen eine Teilzeit auszusprechen.
Es ist natürlich bei dieser Geschichte auch eine Frage des gegenseitigen Vertrauens. Wenn das von Anfang an nachhaltig durch solche Aktionen gestört ist, können AG auch schon mal auf absurde Aktionen kommen.

Soon

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  • à propos: Ein Asperger-Autist aus meinem persönlichen Umfeld ist nach zwei abgebrochenen naturwissenschaftlichen Studiengängen mit Vermittlung durch so eine lokale Initiative zu einer Berufsausbildung bei einem nicht sehr großen Handwerksbetrieb als Metallbauer gekommen. Sein Meister hat sich schnell daran gewöhnt, dass es für R. eben kein ‚ungefähr‘ und kein ‚vielleicht‘ gibt und seine Ausdrucksweise darauf eingestellt, er ist jetzt mit abgeschlossener Ausbildung ein Mitarbeiter, der für extrem maßgenaues Arbeiten (wen wundert’s?) bekannt ist, seine Kollegen behaupten, er hätte zwischen Daumen und Zeigefinger eine angeborene Mikrometerschraube, bei Aufmaßen rechnet er im Kopf so schnell wie ein Taschenrechner, erkennt dabei aber im Gegensatz zu diesem auch Fehler im Ansatz usw… Dass er, eben weil er ohne „ungefähr“ und „vielleicht“ lebt, für seine Arbeiten die Zeit braucht, die er braucht, nimmt der Meister gerne in Kauf - er gibt ihm die Aufträge, die er besser kann als andere und nicht die, die andere besser können als er.

Schöne Grüße

MM

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Nachtrag:

Und natürlich weiss ich, wovon ich rede, denn in meinem Dir wohlbekannten Betrieb habe ich derartige Konzepte schon für Azubis entwickelt und begleitet.
Und als dann das Füllhorn des Integrationsamtes in Form eines üppigen Bewilligungsbescheides kam, fühlten sich auch alle vormaligen Bedenkenträger als richtig gute Menschen, die natürlich schon immer dafür waren, auch behinderte Azubis einzustellen und zu fördern.

&Tschüß
Wolfgang

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Seh ich ja auch so ich würd ja gerne mit offenen Karten spielen aber bei psychisch Erkrankungen sehen die meisten Arbeitgeber doch sofort Rot oder Irre ich mich da, kann man mittlerweile auch bei psychischen Erkrankungen mit offenen Karten spielen ?

Servus,

es geht nichts daran vorbei.

Natürlich gibt es immer noch Zurückgebliebene, die z.B. Psychosen als Bessessenheit mit bösen Dämonen verstehen und im Glauben sind, der Besessene habe eine Strafe Gottes erhalten oder ähnliches dummes Zeug, oder - ziemlich verbreitet und extrem barbarisch und dumm - ein Depressiver müsse sich nur „mal am Riemen reißen, dann wird das schon“. Aber mit einem solchen Dummkopf als Arbeitgeber wird man sowieso nicht glücklich, auch mit erfolgreicher Therapie oder gut eingestellter Medikation mit guter Prognose kommt man bei so einem Trottel nicht drum herum, sich „irgendwie durchzuflunkern“, wenn mal was ist - damit tut sich niemand etwas Gutes, und die dauerhafte Stabilisierung wird gefährdet, wenn man darauf angewiesen ist, sich ständig von sich selber zu distanzieren.

Das heißt natürlich nicht, dass man einem Arbeitgeber oder Ausbilder von vornherein und als erstes auf die Nase binden muss, dass man noch nicht sicher weiß, in welchem Umfang man belastbar ist - wer weiß das denn überhaupt, wenn er irgendwo einen Job oder eine Ausbildung antritt?

Aber in geeigneter Verpackung „Ich hatte gesundheitliche Schwierigeiten, die ich niemandem wünsche, ich hab mich darum gekümmert und bin jetzt zum Glück wieder an einem Punkt, dass ich mich selber um meine Zukunft kümmern kann“ ist eine zumindest in ihrem akuten Zustand überstandene psychische Erkrankung nichts, was man verstecken müsste.

Und eine Ausbildung bei solchen Trotteln, die dann hinter vorgehaltener Hand kichernd kommentieren „Bei solchen Leuten weiß man doch nie, ob es ihnen nicht in den Sinn kommt, das Haus anzuzünden, wenn sie dafür einen Befehl aus dem Weltraum bekommen!“ oder sonstwelchen geistigen Durchfall absondern, braucht niemand - egal ob er seine Krise schon hinter sich oder erst noch vor sich hat.

Schöne Grüße

MM

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