Tempelberg & Kultus

moin,

leztztens habe ich mich mal gefragt, ob eigentlich etwas bekannt ist über die Reaktion der Jüdischen Gemeinden (Jerusalemer oder Diaspora) über die Bebauung des Tempelberges durch Justinian.
Ist das Verbot der Betretung des ehemaligen Tempelgeländes ( es ging um die Gefahr das Allerheiligste zu betreten, oder ? )eigentlich in der praktischen Durchführung oder theoretischen Begründung neueren Ursprungs ? War das Gelände seit der Zerstörung des Tempels in einen Kultus eingebunden oder besaß es im Geistesleben der jüdischen oder Diasporagemeinden überhaupt eine religiöse Dimension ?

grüße, sober

Moin,
Jerusalem war seit Niederschlagung des Bar-Kochba-Aufstandes 135 keine jüdische Stadt mehr. Hadrian gründete an Stelle der weitgehend zerstörten Stadt (die sich kaum von der Zerstörung durch Titus im Jahr 70 erholt hatte) die römische Militärkolonie Colonia Aelia Capitolina und ließ auf dem Tempelberg einen Jupitertempel bauen (unter Kaiser Konstantin abgerissen). Die heutige Altstadt entstand aus dieser Militärkolonie, die Anlage ist im Straßennetz noch erkennbar.

Juden war das Betreten der Stadt bei Todesstrafe verboten. Wann dieses Verbot aufgehoben wurde, ist nicht bekannt - möglicherweise erst nach der Eroberung 637 durch Kalif Umar. Im Laufe der Zeit gab es lediglich eine gewisse Lockerung - gegen Geld durften Juden am Jahrestag der Zerstörung von Stadt und Tempel durch Titus auf dem ehemaligen Tempelplatz diese Zerstörung beklagen - der historische Ursprung des Klagemauer-Ritus.

Es dürfte verständlich sein, dass die Juden zur Zeit Justinians kein Interesse hatten, ihre prekäre Lage durch Unmutsäußerungen über eine Bebauung des Tempelberges zu verschärfen. Jerusalem war eine christliche Stadt, Christentum Staatsreligion und mit Persien - wo deutlich mehr Juden lebten als in Palästina - führte man Krieg, was die Juden im Reich automatisch unter Kollaborationsverdacht stellte.

Das Betretungsverbot des Tempelgeländes für Nichtjuden war nur noch eine historische Kuriosität - übrigens belegt durch zwei Stelen mit griechischer(!) Inschrift, die die Zerstörung des herodianischen Tempels überstanden hatten. Sie sind der ‚harte‘ Beleg für das von Flavius Josephus erwähnte Verbot. Die eine wurde durch Clermont-Ganneau entdeckt, der diesen Fund 1872 publizierte, die andere 1936. Kurioserweise waren diese Stelen aller Wahrscheinlichkeit nach von den Römern (selbstverständlich vor 70) aufgestellt worden - als Warnhinweise für ‚Touristen‘. Schon Mommsen hat darauf hingewiesen. Griechisch war im römischen Palästina offizielle Verwaltungssprache.

Erstmals promulgiert wurde dieses Gesetz, das Nichtjuden das Betreten des Tempels bei Todesstrafe verbat, übrigens ebenfalls durch einen Nichtjuden (wenn auch sicherlich auf jüdischen Wunsch hin) - den Seleukidenherrscher Antiochos III. Aber - wie schon gesagt - im 6. Jahrhundert waren das nur noch historische Kuriositäten, allenfalls Spezialisten bekannt.

Freundliche Grüße,
Ralf

vielen dank ! owt

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