Terror und Unterhaltungsindustrie

Hawedere!

Wenn man davon ausgeht, dass ein Terrorakt nur dann „gelungen“ ist, wenn er Aufmerksamkeit erregt hat (abgesehen von den Akten, in denen gezielt bestimmte Personen beseitigt werden sollen), und wenn man davon ausgeht, dass ein (Selbstmord)terrorist sich weniger opfert, weil er glaubt, so ins Paradies zu den 2589 Jungfrauen zu kommen, sondern -psychologisch realistischer- davon ausgeht, dass er das tut, weil er so antizipieren kann, als kleines Würschtel wenigstens einmal im Leben seine 15 Tage Ruhm auf den Titelblättern der diesseitigen Welt zu bekommen.

Wenn man also davon ausgehen kann, wieso kann dann bei der „Terrorbekämpfung“ nicht endlich die Stellschraube „unterhaltungsindustrielle Massenmedien“ gedreht werden?
Ähnlich wie über Suizide sollte über Terroranschläge nur in kleinen nüchteren Notizen, evtl. zeitverzögert, berichtet werden. Keine hochemotionalisierenden Fotos, keine O-Töne, keine Bildaufnahme der Taten, keine Sondersendungen usw.

Das würde weder die heilige PPressefreiheit beschneiden noch würde es ein trügerisches Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung heraufbeschwören. Allheilmittel ist es auch keins, aber ein wichtiger Schritt.

Wie seht ihr das?

Gruß
F.

Hawedimasern!

Nicht? Das kollidiert gewaltig mit Art 5 GG wenn jemand (ja wer denn überhaupt?) den Medien vorschreibt über was sie zu berichten haben. Und… vor 30 Jahren ging das vielleicht, aber heute will jeder bei sowas der Erste sein. Und wenn SPON, BILD etc. sich einig sind nicht zu berichten verbreitet sich halt alles über soziale Medien.

Keine Chance…

Gruss
K

Mundartler?

Heu,

falls die Medien sich eine Selbstverpflichtung auferlegen wollten, dann könnten die Privaten dies tun. Bei den Öffentlich-Rechtlichen sehe ich hingegen bereits Probleme, die sich aus ihrer Aufgabe zur Information ergeben, was ich aber hier nicht vertiefen möchte (zumal ich es nicht abgecheckt habe :wink:).

Ein Sender wie NTV oder N24 wird sich solch eine Verpflichtung nicht auferlegen. Dabei wäre es schon mal schön, wenn die nicht per endloser Bildschleife sieben Stunden lang den gleichen Scheiß berichten würden, der im Kern nur auf einer wirklich wichtigen Meldung beruht und ansonsten nur Unkenntnis oder Gerüchte über die Lage verbreitet. „Breaking News: Wir wissen nichts genaues nicht, aber dafür sind wir jetzt mit XY direkt vor Ort (oder im 5.000 Kilometer entfernten Kuala Lumpur) verbunden, der/die/das auch nichts weiss“. Brechreizneuigkeiten wäre wohl die treffendere Übersetzung für so einen journalistischen Murks und Schrott.

Zudem hat Kasi mit den sozialen Medien recht. Totschweigen würde nur noch mehr Verschwörungsgeplapper generieren.

Gruß
vdmaster

Pressekodex

Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Ausschlaggebend ist doch, welche politischen und militärischen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Unter dem Strich wird kein Gefühl des Triumphes bleiben

Kommt doch darauf an, was konkret getan wird, zumal das eh auf einem breiten Konsens basieren müsste.

Sehe ich nicht so.
Andere Dinge kann man im Internet ja durchaus auch hinreichend eindämmen (voll und ganz ist nicht möglich, aber auch nicht nötig), zumal es ja nicht mal ums Geheimhalten geht, sondern nur um ‚ein paar Nummern kleiner‘.

Gruß
F.

eh

Gegen nüchterne, sachliche Information habe ich doch gar nichts gesagt … m.E. bringt erst diese emotionalisierende Aufbereitung der Nachricht den Terrorakt als „Medienevent“ hervor.

Gruß
F.

Hallo F.,

ich teile Deine unterstellten Motive nicht

einmal im Leben seine 15 Tage Ruhm auf den Titelblättern der diesseitigen Welt

da (nicht nur) Selbstmordattentätern weniger an der Meinung Minderwertiger Feinde, als der der Peergroups gelegen ist, und deren Propaganda im Zweifel unabhängig von unserer Presse ist.

Ich Teile aber Deine Schlussfolgerungen voll und ganz! Die emotionale Dauerbeschäftigung mit dem Terror rückt ihn in den Bereich der Option, des Möglichen, des Denkbaren, am Ende des Mittels bzw. des Alltäglichen.

So wie der Werthereffekt weniger durch das Medieninteress „danach“ befeuert wird, als mehr durch die rationale Beschäftigung mit der „Möglichkeit“ bzw. „Lösung“.

Ich sehe auch nicht, welchen Nachrichtenbedarf die „Emotionen“ in Haltern im März oder nun in Paris befriedigen. Emotional aufgewühlte Privatpersonen gehören überhaupt nicht in Großaufnahme in die Nachrichten.

Das glaube ich nicht.
Die Islamistenzirkel sind wichtig bei der Radikalisierung und der Erstickung des letzten Stückchens Mitgefühl.
Für diese Spiegelungsfunktion (der eigenen Grandiositätsvorstellungen), dafür braucht es schon die Out-Group. Für „minderwertig“ werden die westlichen Medien doch nur auf der oberflächlichen Ebene der Ideologie gehalten. Das ist für den psychologischen Mechanismus wenig relevant.
Aber das wäre jetzt eine andere Diskussion.

M.E. hat das in erster Linie schlicht und einfach mit Unterhaltung zu tun.
Es geht mir da nicht nur um das Zeigen von Emotionen, sondern um die ästhetisch-dramaturgische Gestaltung an sich, die aus einem realen Ereignis ein emotionalisierendes Medien-Ereignis macht, das viel mehr wie ein Film gestaltet ist.

Das krasseste Beispiel ist sicher 9/11, das natürlich schon von den Terroristen als Inszenierung gedacht war, das aber erst die Medien wirklich zu diesem Spektakel gemacht haben, das die Terroristen wollten: da liefen immer wieder die gleichen Bilder, Zwischenschnitte auf Symbole und Gesichter in Nahaufnahme, z.T. sogar Unterlegung mit Musik usw.
Aus meiner Sicht sind das eigentlich perfekt gemachte emotionalisierende Propagandafilme, nur hergestellt mit einer Art unfreiwilligen Arbeitsteilung von Terroristen und Unterhaltungsdienstleistern.

Gruß
F.

1 Like

72 . Es sind 72 Jungfrauen.

halten zu Gnaden

oder so

DDD

Hi,

natürlich waren es Propagandafilme, deren Grundlage stets das emotionalisierte WIR und das böse DIE ist. Aber in der emotionalisierten Berichterstattung der deutschen Medien ist es wohl eher der wirtschaftl. Gedanke, der hinter dem Pseudoargument „wollen auch die menschliche Seite zeigen“ steckt.

Einige haben ja nicht mal mehr den Anspruch, sich auf Inofs zu beschränken. Sie bieten gleich das Infotainment an und haben natürlich auch entsprechend gepolte Redationscrews, bei denen offenbar kein von Dir eingeforderter Regulierungsmechanismus (Stop, hier mal nur die Sachinfo) einsetzt.

Gruß
vdmaster

Ich dachte Weintrauben …

Halten auch zu Gnaden
F.

Das sehe ich schon auch so, dass es bei den Medien um wirtschaftliche Interessen geht, nicht um den Willen zur politischen Propaganda.

Ich dachte mir halt laut, dass dieses ungewollte Zusammenspiel von Terrorismus und Unterhaltungsindustrie eigentlich ein perfektes gemeinsames Propagandaprodukt schafft - das als solches auch erkennbar wäre, wenn es geplant aus einer gemeinsamen Hand käme.
So steckt halt nur eine Smith’sche invisible hand dahinter … der Effekt ist aber dergleiche.

Yepp (wobei ich das nicht nur bei NTV und dergleichen sehe, sondern bis weit in die Öffentlichen hinein).
Und genau da würde ich politisch nicht mehr länger zuschauen wollen.
Deren „Freiheiten“ sähe ich gerne massiv beschnitten, und das sähe ich auch nicht als „Zurückweichen vor dem Terror“ oder so, sondern als Bekämpfung des Übels direkt an einer der beiden Wurzeln.

Gruß
F.

Aber das machen die doch ganz dolle

http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/#panel-ziffer_11____sensationsberichterstattung_jugendschutz

Und in § 10 des Rundfunkstaatsvertrag steht

(1) Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen.

Der Pressekodex gehört zu diesen Grundsätzen, gilt also auch für Nachrichtensendungen im TV. Um es mit Nina Ruge zu sagen: Alles wird gut! :grin: (ach so … die Renten sind natürlich sicher)

Gruß
vdmaster

Falls ihr es nicht mitbekommen habt, waren die Terroristen von Paris schon einen Schritt weiter. Die wollten sich im Stadion in die Luft jagen, während einer Live-Übertragung. Da hätte also gar nicht nicht berichtet werden können. Mit ein wenig technischem Geschick hätten die sicher den Zuschauern im Stadion und am heimischen Bildschirm auch noch folgende Information einblenden können: „Dieser Anschlag wurde ihnen vom lokalen IS-Vertreter präsentiert.“
Da hätte also wie anderenorts bis heute üblich die Übertragung zeitversetzt erfolgen müssen, damit noch der lokale Zensor handeln kann. Von da ist es dann nicht mehr weit, dass man auf bestimmte Veranstaltungen/Themen verzichtet, um ja nur keinen Anlass zu bieten.

Grüße

Das ist sicher richtig, aber erstens sind Veranstaltungen dieser Größenordnung ja als potentielle Anschlagsziele bekannt und daher einigermaßen schützbar.
Zweitens habe ich auch gar nicht den Anspruch, das völlig und endgültig unterbinden zu können. Natürlich würden die jungen Kreativen des IS sich immer wieder was einfallen lassen …

Gruß
F.