Liebe Consodales in rebus Dionysiis,
ich klemm mich jetzt grade bei Deiner Antwort dran, @Tychiades, meine aber alle miteinander: @Udo_Becker, @Albarracin genauso gut.
Das wird jetzt ausschweifend, weil ich heute mit „meinen“ Portugiesen ein paar Viertel weiter gekommen bin, daher das Ergebnis vorweg: Einen eigenen Begriff gibt es, glaube ich, für das Gesuchte nicht, und so sehr ich solche Modegeschichten verachte, sollte hier wohl tatsächlich „Terroir“ stehen bleiben, auch wenn das für jemanden, der nichts davon oder dazu im Mund gehabt hat, völlig nichtssagend ist. So nichtssagend wie „stahlig“ für jemanden, der noch keinen klassischen Moselwein getrunken hat, oder „fränkisch trocken“ für jemanden, der noch keinen ‚richtigen‘ Silvaner vom Juliusspital oder so kennen gelernt hat - insofern eigentlich nicht so schlimm, weil sich so vieles, was ein Wein haben kann, doch nur ziemlich unzulänglich in Worte fassen lässt, und Wortwolken wie der im lauen Mairegen durchgerittene Damensattel werfen eigentlich eher ein Licht auf die kränklich schwülen Fantasien ihres Schöpfers als auf den Wein, den er damit ganz sicher nicht beschreiben kann.
Wie auch immer -
insbesondere im Vergleich mit Wein aus Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz bringen die Portugiesen allesamt sehr wenig Säure mit, das ist sicher richtig. Kohlensäure ist in diesem Zusammenhang allerdings fast nur für Weiße, vielleicht auch Roséweine bedeutend - die Versuche aus den letzten Jahren, wo die für Riesling viel zu warmen Nächte in den Wochen vor der Lese zu viel (Wein)säure abbauen ließen, diesen Mangel mit Kohlensäure auszugleichen, sind - finde ich - nicht gut gelungen. Früher herbsten oder sich schweren Herzens auf die lange Sicht von König Riesling verabschieden und anderen Sorten den Vorzug geben dürfte hier eher funktionieren.
Sehr frühes grün Herbsten hat im Norden Portugals zu einer eigenen Klasse geführt. Bei meinem Ausflug ‚querbeet‘ durch einige Weine aus Portugal hab ich allerdings gesehen, dass der hier herum häufig zu findende Vinho Verde Casal Garcia auf die Anforderungen deutscher Supermärkte angepasst ist: Schon regelrecht strenge Weinsäure noch unterstrichen durch beinahe schon perlende Kohlensäure ist was ganz anderes als das, was ich auf jenem Ausflug beim Vinho Verde der Adega Cooperativa de Guimarães (aka „Wiege Portugals“) getrunken und geschmeckt habe: bei dem bitzelt nichts, er hat den selben weichen a-Moll-Tonfall wie viele seiner Kollegen. Die höhere Säure reicht da grade mal dafür, dass er vielleicht ein Jahr oder ein wenig drüber alt werden kann, man schmeckt weiter nichts davon.
Dass diese Weine schon so gut wie „erwachsen“ aus dem Fass kommen und ihnen weiteres Liegen nicht besonders viel bringt (oder gar schadet, wie ich bei einem mal grade fünf Jahre alten von der Quinta do Vesúvio gesehen habe, der in Deutschland zu einem stolzen Preis vertrieben wird und dem man mit Geduld noch anmerken kann, dass er im Alter von vielleicht drei Jahren wahrscheinlich ein großer Wein war), ist sicherlich typisch. Keineswegs Maulaufreißerei, einen 2015er als „Reserva“ zu bezeichnen - er hat tatsächlich schon seine längste Zeit hinter sich.
Weniger schwer als ihre spanischen Cousins waren meine Kandidaten allesamt. Sie schaffen es irgendwie, auch mit 13,5 Umdrehungen noch nicht spritig zu wirken, aber im Vergleich zwischen einem Spanier aus der Extremadura und zwei Portugiesen aus den fast benachbarten Gebieten des Alentejo und der Beira Interior spiegeln sich die Sterotypen, die der kleine Max mit diesen Herkünften verbindet. Der eine steht mit blankem Degen und herausgedrückter Brust hackenstampfend da: Ich, Sohn des Hauptverwalters der Hausmeisterei des Barons von Rembremerdeng, Urgroßenkel des allerkatholischsten Protzenabschmierers des Duque de Alba etc. etc., während der andere freundlich strahlend erzählt, dass es ihm nach aufmerksamem Zuhören und geduldigem Üben endlich gelungen ist, den Ruf eines Buchfinken mit der Flöte nachzuahmen.
Einen Einfluss haben da wohhl auch die Rebsorten. Zwar stammen ein paar davon sicherlich nicht aus Portugal (wenn man ‚Alicante Bouschet‘ und ‚Jaen‘ heißt, ist das schon ein eindeutiger Nachweis für den Geburtsort), aber deutlich ist schon, dass bei den Portugiesen, die ich vor mir hatte, weniger der „Generallinie“ Syrah - Merlot - Garnacha gehuldigt wird als in Spanien. „Besser“ oder nicht, mag ich nicht beurteilen - aber jedenfalls ist damit eine sehr breite Palette von teils überraschenden und teils auch nicht gar so harmonischen, aber immer irgendwie „weichen“ Aromen verbunden: Da gab es einen Alentejo, der (auch dieser in a-Moll) einen Hintergrund von Rohrblattregistern bot, Aromen von Kakao, roten Feigen und (ungelogen, ohne Flachs jetzt) Veilchen sind vielleicht nicht grad das erste, was mir einfiele, wenn ich einen Wein erfinden sollte, aber sie bilden eine sehr persönliche Handschrift, das trottet nicht im Gleischschritt mit. Die Reihe der Namen macht da eine ganze Poesie: Trincadeira, Rufete, Marufo, Mitida, Sousão, Castelão…
Wahrscheinlich ist ein weiterer Einfluss, dass in Portugal die Reben noch älter werden als in Spanien üblich. Bei meiner bishherigen Tour war einer aus der Beira Interior dabei, der mit „Vinhas Velhas“ bezeichnet ist, und von dem ich dann doch mit etwas Überraschung gelesen habe, dass die „Alten Reben“ zumindest teilweise in den 1940er Jahren gepflanzt worden sind. Sie scheinen eine Art „Altersmilde“ auszumachen.
Und etwas kommt von einer eher warmen ersten Gärung: Das hab ich von den Etiketten, wo bei eher „modern“ und an den Durchschnitt (ohne Wertung!) angepassten Weinen ausdrücklich die Vergärung bei niedrigen Temperaturen und auf Nirosta-Tanks erwähnt wird.
Ja, etwas ist von alledem dabei, was Ihr geschrieben habt. Einen eigenen Begriff dafür, der diese Worte zusammenfassen könnte, gibt es aber wohl nicht. So, wie es halt auch keinen gibt, der „schmeckt nach Rheingau“, „schmeckt nach Ortenau“, „schmeckt nach südlicher Oberhaardt“, „schmeckt nach Rotem Hang“ usw. wiedergeben könnte.
Abschließend noch ein Gruppenfoto von den letzten Kandidaten - die Schönheit der Etiketten fand ich auch bezeichnend. In einem Gegensatz zu italienischen Herkünften, wo die Schönheit des Etiketts ganz gerne auch mal benutzt wird, um Mängel des Inhalts der Flasche ein wenig hübscher zu machen. Richtig klasse finde ich das mit den drei Eulen („Wo ist der Fehler?“) von dem eher „modernen“ Tejo ‚Deli Rare‘, dessen Namen man Englisch so wie links lesen kann, der dann aber mit dem dritten oder vierten Glas ins lateinische delirare kippt…
Hier sind sie, jedenfalls:
Sehr zum Wohle!
MM