'Text: Rede für alle Anlässe'

Hallo!

In kannte mal einen Text, der hieß „Rede für alle Anlässe“, oder so ähnlich, und fing in etwa so an:

„Meine sehr verdienten Damen und Herren, bevor ich zu Ihnen spreche möchte ich Ihnen erst noch etwas sagen“

Wie hieß der Autor und gibt es den Text vielleicht irgendwo im Netz?

Danke!

hochverehrte anwesende !

sie wollen gütigst verzeihen, wenn ich es wage, sie höflichst und dringend zu ersuchen, mir gütigst zu erlauben, dass ich mir die freiheit nehme, sie hierdurch zu fragen, ob sie die gewogenheit haben wollen, mir huldreichst zu vergönnen, dass ich mich erkühne, sie untertänigst zu bitten, mir das unnennbare glück zu gewähren, dass ich mich ihnen in grösster bescheidenheit nahe, um ihnen freundlichst zu sagen, dass ich nichts sehnlicher wünsche, als imstande zu sein, ihnen zu zeigen, wie ganz ausserordentlich es mich erfreut, dass das schicksal mir so günstig ist, den augenblick herbeizuführen, der mir das unbeschreibliche glück zuteil werden lässt, sie zu versichern, dass es mir unmöglich ist, durch leere, gehaltlose worte die wunderbaren gefühle auszudrücken, die mein herz bei dem erhabenen gedanken ergreifen, dass ihre güte mich berechtigt, die angenehmen hoffnung zu hegen, dass sie überzeugt sind, welch ein vorzug es ist, dass ich die ganz besondere ehre haben darf, mit den gefühlen der lebhaften hochachtung und mit der mir angeborenen bescheidenheit ihnen allen eine guten aben wünschen zu dürfen.

vom wem das ist, weiss ich aber nicht, als „absender“ steht in meinem buch „lachen der jugend3“

-)

fred

…es gibt noch das „muster einer festrede“, die tippe ich dir bei gelegenheit ab (dachte eigentlich das würde goolge finden, iss aber nich).
fred

das is das muster, hatte zeit das ganze abzutippen heute abend…

meine herren ! gönnen sie mir einige wenige worte an die hochverehrte und hochgeschätzte versammlung richten, welche sich heute in diesem saale so zahlreich vereinigte, um gemeinsam ein fest zu begehen, welches unsi ins brüderlicher eintracht zu jenem geminsamen zwecke vereinigt, der uns so deutlich und unzweifelhaft die zusammengehörigkeit aller gleichstrebenden und gleichdenkenden gesinnungsgenossen erkennen lässt - ich kann diese feierliche gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne die wichtigkeit des umstandes mit allem gewicht zu betonen, dass eben heute der moment gekommen ist, um jenen grossen und erhabenen gefühlen, welche uns hier zum schlönen zwecke des gemeinsamen zusammentrittes in brüderlicher eintracht vereinigen, den unzweideutigsten und bestimmmtesten ausdruck zu verleihen – meine herren ! wenn ich heute das wort ergreife, so geschieht es in jener tiefsinnigsten überzeugung, von deren wahrheit sowohl sie als auch ich gewiss durchdrungen sind, denn es wird in der tat keine einziger unter uns sein, der nicht von der wichtigkeit dieser meiner eben ausgesprochenen ansicht gewiss so wie ich vollkommen überzeugt wäre, und der die unerschütterlichkeit der grundsätze unserer gemeinsamen prinzipien, die uns eben zu einem so schönen und edlen zweck zusammenführen, so wie ich, anerkennen würde. Dieses bewusstsein eben ist es, welches uns alle zu dem edlen stolze des wahre selbstbewusstsiens erhebt, ohne welchen wir nicht die gleichgewichtigen grundsätze der zusammengehörigkeit und gemeinschatlichkeit erkennen würden. Ich fordere sie daher auf, meine herren, sich zu erheben, die gläser zur hand zu nehmen, und mit mir einzustimmen in ein donnerndes hoch !

fliegende blatter 47 (1867)

fred

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Kurt Tucholsky
Ratschläge für einen schlechten Redner

(aus: Kurt Tucholsky „Gesammelte Werke“, Rowohlt Verlag (rororo), 1930, Bd. 8, Seiten 290 ff, Reinbeck bei Hamburg 1975)

Fang nie mit dem Anfang an, sondern immer drei Meilen vor dem Anfang! Etwa so: „Meine Damen und meine Herren! Bevor ich zum Thema des heutigen Abends komme, lassen Sie mich Ihnen kurz …“

Hier hast du schon ziemlich alles, was einen schönen Anfang ausmacht: eine steife Anrede; der Anfang vor dem Anfang; die Ankündigung, daß und was du zu sprechen beabsichtigst und das Wörtchen ‘kurz’. So gewinnst du im Nu die Herzen und die Ohren der Zuhörer.

Denn das hat der Zuhörer gern: daß er deine Rede wie ein schweres Schulpensum aufbekommt; daß du mit dem drohst, was du sagen wirst, sagst und schon gesagt hast. Immer schön umständlich!

Sprich nicht frei - das macht einen so unruhigen Eindruck.

Am besten ist es: du liest deine Rede ab. Das ist sicher, zuverlässig, auch freut es jedermann, wenn der lesende Redner nach jedem viertel Satz mißtrauisch hochblickt, ob auch noch alle da sind.

Wenn du gar nicht hören kannst, was man dir so freundlich rät, und du willst durchaus und durchum frei sprechen … du Laie! Du lächerlicher Cicero! Nimm dir doch ein Beispiel an unseren professionellen Rednern, an den Reichstagsabgeordneten - hast du die schon mal frei sprechen hören? Die schreiben sich sicherlich zuhause auf, wann sie „Hört! hört!“ rufen … ja, also wenn du denn frei sprechen mußt:

Sprich, wie du schreibst. Und ich weiß, wie du schreibst.

Sprich mit langen, langen Sätzen - solchen, bei denen du, der du dich zu Hause, wo du ja die Ruhe, deren du sosehr benötigst, deiner Kinder ungeachtet, hast, vorbereitest, genau weißt, wie das Ende ist, die Nebensätze schön ineinandergeschachtelt, so daß der Hörer, ungeduldig auf seinem Sitz hin und her träumend, sich in einem Kolleg wähnend, in dem er früher so gern geschlummert hat, auf das Ende solcher Periode wartet … Nun, ich habe dir eben ein Beispiel gegeben. So mußt du sprechen.

Fang immer bei den alten Römern an und gib stets, wovon du auch sprichst, die geschichtlichen Hintergründe der Sache. Das ist nicht nur deutsch - das tun alle Brillenmenschen. Ich habe einmal in der Sorbonne einen chinesischen Studenten sprechen hören, der sprach glatt und gut Französisch, aber er begann zu allgemeiner Freude so: „Lassen Sie mich in aller Kürze die Entwicklungsgeschichte meiner chinesischen Heimat seit dem Jahre 2000 vor Christi Geburt …“ Er blickte ganz erstaunt auf, weil die Leute so lachten.

So mußt du das auch machen. Du hast ganz recht: man versteht es ja sonst nicht, wer kann denn das alles verstehen ohne die geschichtlichen Hintergründe … sehr richtig! Die Leute sind doch nicht in deinen Vortrag gekommen, um lebendiges Leben zu hören, sondern das, was sie auch in den Büchern nachschlagen können … sehr richtig! Immer gib ihm Historie, immer gib ihm.

Kümmere dich nicht darum, ob die Wellen, die von dir ins Publikum laufen, auch zurückkommen - das sind Kinkerlitzchen. Sprich unbekümmert um die Wirkung, um die
Leute, um die Luft im Saale; immer sprich, mein Guter. Gott wird es dir lohnen.

Du mußt alles in die Nebensätze legen. Sag nie: „Die Steuern sind zu hoch.“ Das ist zu einfach. Sag: „Ich möchte zu dem, was ich soeben gesagt habe, noch kurz bemerken, daß mir die Steuern bei weitem …“ So heißt das.

Trink den Leuten ab und zu ein Glas Wasser vor - man sieht das gern. Wenn du einen Witz machst, lach vorher, damit man weiß, wo die Pointe ist.

Eine Rede ist, wie könnte es anders sein, ein Monolog. Weil doch nur einer spricht. Du brauchst auch nach vierzehn Jahren öffentlicher Rednerei noch nicht zu wissen, daß eine Rede nicht nur ein Dialog, sondern ein Orchesterstück ist: eine stumme Masse spricht nämlich ununterbrochen mit. Und das mußt du hören. Nein, das brauchst du nicht zu hören. Sprich nur, lies nur, donnere nur, geschichtele nur.

Zu dem, was ich soeben über die Technik der Rede gesagt habe, möchte ich noch kurz
bemerken, daß viel Statistik eine Rede immer sehr hebt. Das beruhigt ungemein, und da jeder imstande ist, zehn verschiedene Zahlen mühelos zu behalten, so macht das viel Spaß.

Kündige den Schluß deiner Rede lange vorher an, damit die Hörer vor Freude nicht einen Schlaganfall bekommen. (Paul Lindau hat einmal einen dieser gefürchteten Hochzeitstoaste so angefangen: „Ich komme zum Schluß.“) Kündige den Schluß an, und dann beginne deine Rede von vorn und rede noch eine halbe Stunde. Dies kann man mehrere Male wiederholen.

Du mußt dir nicht nur eine Disposition machen, du mußt sie den Leuten auch vortragen - das würzt die Rede.

Sprich nie unter anderthalb Stunden, sonst lohnt es gar nicht erst anzufangen.

Wenn einer spricht, müssen die anderen zuhören - das ist deine Gelegenheit. Mißbrauche sie!

(Zusammengefaßt: Der schlechte Redner fängt drei Meilen vor dem Anfang an, liest die Rede ab, spricht geschriebene Sprache, mit langen langen Sätzen, kündigt den Schluß lange vorher an und findet kein Ende…)

Ratschläge für einen guten Redner

Hauptsätze. Hauptsätze. Hauptsätze.

Klare Disposition im Kopf - möglichst wenig auf dem Papier. Tatsachen, oder Appell an das Gefühl. Schleuder oder Harfe.

Ein Redner sei kein Lexikon. Das haben die Leute zu Hause.

Der Ton einer einzelner Sprechstimme ermüdet; sprich nie länger als vierzig Minuten.
Suche keine Effekte zu erzielen, die nicht in deinem Wesen liegen. Ein Podium ist eine
unbarmherzige Sache - da steht der Mensch nackter als im Sonnenbad.

Merke Otto Brahm’s Spruch: „Wat jestrichen is, kann nich durchfalln.“

Hallo,
und hier ist der Text:

http://www.frigger.de/leer.htm

Gruß

J.