Theoretische Fragen zu Autocrashs

Was ist theoretisch schlimmer:
Mit 240 km/h gegen eine nicht nachgebende Wand fahren oder zwei jeweils 120 km/h schnelle Autos die geradeaus ineinander fahren?

Hallo!

Geht es um die Überlebenschance, sehe ich keinen Unterschied. Die Insassen sind nämlich in beiden Fällen tot. Die in Verformung umzusetzende kinetische Energie liegt sehr deutlich jenseits dessen, was Fahrgastzellen von Pkw aushalten.

Im Netz gibt es zahlreiche Artikel zu Crashtests bei Pkw. Es gibt auch einschlägige Normen, wie die Tests durchzuführen sind. Frontale Kollisionen bei 120 km/h gehören nicht dazu. Dabei blieben nur zerrissene Konstruktionen und unförmige Klumpen übrig. Eine schützende Fahrgastzelle mit allen Sicherheitseinrichtungen mutiert zur tödlichen Falle, in der niemand überlebt. M. W. finden übliche Tests bei 64 km/h mit festgelegter Überdeckung des Hindernisses statt. Das ist konstruktiv noch beherrschbar, was aber keineswegs heißt, dass die Insassen unversehrt bleiben. 80 km/h ist schon zu viel und nur mit schweren Verletzungen und Glück zu überleben.

In den 60ern veröffentlichte Daimler-Benz Filme zu Tests an Fahrgastzellen. Damals gab es die genormten Crash-Tests noch nicht. Sicherheit war noch ein Randthema, obwohl auf den Straßen massenhaft gestorben wurde. Alljährlich 15.000 und mehr Verkehrstote und das trotz niedriger Verkehrsdichte. Bei Daimler-Benz wurden die ersten Test mit per Baukran hochgezogenen Autos durchgeführt, was mancherorts zu Unverständnis führte, wie man auf die seltsame Idee kommen kann, solche schönen Autos absichtlich kaputt zu machen. Die gewünschte Aufprallgeschwindigkeit wurde mit der Fallhöhe eingestellt, dann ausklinken und nachgucken, was vom Auto noch übrig war. Mit Sensoren vollgestopfte Dummys gab es natürlich noch nicht, aber immerhin halfen die Versuche den Chirurgen, die nicht mehr so viele Zierleisten, Hupringe und Instrumente aus Patientenköpfen und Brustkörben operieren mussten. Mit der Zeit wurde dabei auch gelernt, wie man Fahrgastzellen baut, damit nach einem Crash noch Platz genug für einen Menschen bleibt, der im günstigen Fall nicht vom auf dem Fahrersitz liegenden Motorblock zerquetscht und von der Lenksäule (war damals tatsächlich ein auf den Fahrer gerichteter Spieß) zu ofenfertigem Schaschlik gemacht wurde. Aber so viel wusste man auch damals schon: Frontaler Aufprall auf ein starres Hindernis bei >100 km/h wird nicht beherrschbar sein. Dabei ist es geblieben. Schon deutlich vorher zerlegt sich alles.

Damals herrschte bei Konstrukteuren weitgehende Ahnungslosigkeit über die bei einem Unfall in Verformung umzuwandelnde Energie. So waren Armaturenverkleidungen bei Autos wie z. B. Opel Rekord in den 60ern butterweich, mit dem Daumen problemlos einzudrücken, was bei einem Unfall dazu führte, dass die Knochen sofort Bekanntschaft mit Blech machten. War aber alles nicht wirklich wichtig, weil die Insassen ohne Sicherheitsgurte und Kopfstützen ohnehin am Genickbruch starben. Aber auch wer nicht gleich tot war, bekam nicht unbedingt viel mit, denn Grenzen für Blut im Alkohol Alkohol im Blut gab es nicht (oder lagen jenseits von Gut und Böse). Wer nicht mehr gehen konnte, musste eben Auto fahren.

Gruß
Wolfgang

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Hallo!

Ich will die Chancen im Smart nicht klein reden.

Der Punkt ist: hat das SUV ein Gewicht von 2t und der smart ein Gewicht von 1t, besagt die impulserhaltung, dass sich nach dem Crash beide Fahrzeuge mit 40km/h in Fahrtrichtung des SUVs fortbewegen. Das SUV hat seine Geschwindigkeit um 80km/h geändert, der smart aber um 160km/h. Die Insassen des SUVs haben eine sehr geringe Chance zu überleben, die des smarts haben gar keine.

Würde der smart wie ein Golfball zurück springen, wäre das ja noch schlimmer für die Insassen.

Ein wichtiger Punkt ist aber, wie lang der Crash, also die Geschwindigkeitsänderung dauert. Das hängt davon ab, wie viel Platz zwischen Fahrer und Stoßstange ist, quasi der Bremsweg. Mit 240 gegen die Wand lässt sich spielend überleben, wenn man eine 500m lange Motorhaube hat.

Der Smart hat ne knautschzone von… 20cm?, das SUV eher nen Meter oder so.

Beim Crash der beiden existiert also sowas wie 1,20m knautschzone. Die Insassen beider Fahrzeuge ändern also auf 1,20m ihrer Geschwindigkeit.

Knallen zwei smarts zusammen, beträgt die knautschzone nur 40cm, was sehr viel heftiger ist. (wenngleich die Geschwindigkeitsänderung „nur“ 120km/h beträgt)

Bei der Konstruktion des smarts würde natürlich versucht, die bestmögliche knautschzone zu schaffen, aber wo kein Platz ist, kann man keine hinzaubern. Gleichzeitig soll die fahrgastzelle robust genug sein, dass der smart nicht wie eine Dose zerquetscht wird und die Insassen eingeklemmt werden.
Letzters ist das, was man mit viel Aufwand erreicht. Für eine knautschzone bräuchte der smart aber eine Motorhaube…

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Oh, ich lese es jetzt erst…

Mit 120 gegen eine Wand ist genauso wie mit 120 in ein gleiches, gleich schnelles, entgegenkommendes Auto.

Mit 240 gegen die Wand ist ungleich schlimmer.

Naja, die Überlebenschancen im Smart sollte man nicht kleinreden. Er fliegt dann halt rückwärts weg wie ein Golfball und baut dadurch reichlich Energie ab. Kommt halt darauf an wo und wie er aufkommt. Die Sicherheitszelle ist jedenfalls ziemlich stabil.

Wenn ein Smart hingegen mit 240 gegen eine stehende Wand fährt steigen anschließend die Passagiere unversehrt aus - wieso: ein Smart kann nicht 240 fahren, wer das erzählt lügt und dann ist auch der Ausgang der Geschichte egal …

Aber mal ernsthaft:

Mit 240 gegen die Wand ist allein schon deshalb schlechter, weil die Wand eben nicht nachgibt, die Autos hingegen schon. Da ist jede Menge Sicherheitstechnik eingebaut, um soviel wie möglich Energie abzubauen. Mein Vater hatte mal mit einem älteren MB einen Frontalunfall und da war anschließend der Kofferraum nach unten abgeknickt, weil der ganze Wagen die Energie aufgenommen und in geplante Verformungen umgesetzt hat.

Trotzdem sollte bei diesem Tempo die Überlebenswahrscheinlichkeit sehr gering sein. Man denkt gar nicht wieviel Energie in einem solchen Fahrzeug steckt.

Ich habe mal einen Unfall erlebt, bei dem auf der Autobahn ein Auto mit vielleicht 100 Sachen von hinten in ein neben mir stehendes Fahrzeug gerast ist. Dieses stehende Fahrzeug ist in die Luft geflogen, hat sich um die eigenen Achsen gedreht, das vor mir stehende Fahrzeug von der Straße gefegt - und stand stand schließlich verkehrt herum (also entgegen der Fahrtrichtung) vor mir. Die Insassen waren allesamt - bis auf den Verursacher - unverletzt (Gott sei Dank!)

Und ich spreche hier von Mittelklassewagen, keine Fiat500 oder Smarts …

Wie geschrieben: 120 gegen Wand oder gegen gleichwertiges Auto ist annähernd gleich (wie z.B. sweber).
Gedankenexperiment: Von beiden Seiten fährt je ein Auto gleichzeitig gegen die Wand. Und nun machen wir in jedem neuen Versuch die Wand immer dünner, bis sie Papierdünn ist.

Zu den mittleren g-Kräften (und nur die kann man sinnvoll bestimmen):

Eine Geschwindigkeit v (z.B. 120km/h) kann man durch freien Fall aus Höhe h (=g/2*t² = v²/2g) erzielen. Dann wirkt ein g, also z.B. für 120km/h = 33m/s --> h = 56m

Nun bremst der Wagen innerhalb der Knautschzone (inklusive dem was der Körper Richtung Amaturenbrett fliegt etc.) auf 0 ab. Das Verhältnis Knautschzone zu (virtueller) Fallhöhe ist der Wert, wieviel g (im Mittel) auf den Körper wirken.

Bei 2m wirken also grob 56m/2m = 28 (g).
Bei 60km/h nur etwa 7.

In der Regel fliegen Autos aber auch in annähernd Fahrtrichtung weiter, oder fliegen z.B. hoch und fallen wieder runter, so dass mehr Knautschzone da war als es im Nachhinein aussieht.

Gruß
achs

egal - tot

Nachtrag zur Ausgangsfrage 240 vs. 120km/h:

Mit 240 gegen ein stehendes Auto (statt: Wand) ist identisch zu: beide mit 120km/h gegeneinander (!).

Ein (sekundärer) Unterschied: Im ersten Fall schleudern beide Wracks mit (~)120km/h fort, so dass ein zweiter Aufprall wahrscheinlich ist. Der erste Crash ist aber identisch, wie die Impulserhaltung zeigt.

(~): wenn beide gleich schwer sind, sonst mehr, wenn das fahrende Auto schwerer war und vice versa.

Beim Crash eines SUVs mit einem Smart ist der Smart schlimmer dran als das SUV.

Denn: wenn der Stoß inelastisch erfolgt (sollte er im Idealfall), bewegen sich beide Fahrzeuge nach dem Crash gemeinsam weiter, wegen des Gewichts in Fahrtrichtung des SUVs. Während das SUV nur auf eine niedrigere Geschwindigkeit abgebremst wird, wird der Smart nicht nur auf 0km/h abgebremst, sondern auch noch rückwärts beschleunigt.

Zwei gleich schwere Autos werden beide auf 0km/h abgebremst, es macht theoretisch keinen Unterschied, wenn man ein Auto durch eine massive, ruhende Wand ersetzt.

Im Detail kann es natürlich schon gewisse Unterschiede machen, je nachdem, wie die Innereien des Motorraum bei zwei Autos ineinander greifen.

Mein Vorredner hat mit seiner lapidaren Antwort natürlich recht, für die Insassen macht es meistens keinen Unterschied. Nur die Insassen des SUVs könnten gegen den Smart eine Chance haben.

Wieso ist das schlimmer, kannst du mir das erklären?