Theorie für Gegenwarts-Zukunft-Zielkonflikt?

Hallo, ich suche für meine Abschlussarbeit einen weiteren Fachbegriff aus einer mir fremden Disiplin. Wie heißt das Dilemma, dass entsteht, wenn das politische System durch eine Maßnahme langfristig effektiviert werden kann (z.B. Transparenzerhöhung durch die Einführung von e-Government), der einzelne Politiker/Beamte zunächst einmal Nachteile aus dieser Maßnahme erfahren würde (Mehrarbeit, Machtverlust) und diese deswegen verhindert???

Das ist doch ein grundsätzlicher Zielkonflikt zwischen Gegenwartsinteresse des Individuums und Zukunftsinteresse der Gesellschaft oder?

Vielen Dank für eure Mühe!!!

Klingt unglaublich kompliziert so wie du es darstellst, obwohl es im Prinzip relativ einfach ist. Was du meinst ist (wie du ja eigentlich selbst sagst) ein Konflikt zwischen kurfristiger und langfristiger Gewinn- bzw. Interessenmaximierung. Man könnte das auch Nachhaltigkeitsproblem nennen (bzw. das ist vermutlich der Begriff, den du suchst), aber der Terminus Nachhaltigkeit ist so politisch aufgeladen, dass ich ihn nicht empfehlen würde. Nachhaltig ist halt meistens das was politisch opportun ist. Selbst Atomkraft kann als nachhaltige Energiequelle darstellt werden :smile:

Hoffe das hat dir weiter geholfen.

Liebe Grüße,
Den

ja danke, das hilft mir schon! ist nachhaltigkeitsproblem ein feststehender theoretischer begriff? du hast recht, wird mittlerweile recht weit gebraucht und ist deswegen auch ein bißchen weich…

Um es nochmal zu verdeutlichen: mir geht es vor allem um die schlechte Anreizstruktur für den individuellen Beamten bzw. Politikers, den persönlichen Zielkonflikt, in dem er sich befindet.

Diesen Zielkonflikt möchte ich an der entsprechenden Stelle in der Arbeit nicht nur beschreiben, sondern gern mit einem Verweis auf ein Theorem, eine politikwissenschaftliche Grundfrage oder einen Autor belegen.

Vielleicht passt auch einen Begriff aus der Spieltheorie oder der Neuen Politischen Ökonomie (die ist doch etwas wie die politische Spieltheorie oder?)

In jedem Fall danke und bg!

Also du könntest das sicher mit irgendeinem Ansatz aus der Spieltheorie argumentieren. Ich finde das eher problematisch, weil die Spieltheorie von rationalen Spielern ausgeht und das Laborbedingungen sind, die in der Realität oft nicht richtig hinhauen.

Nachhaltigkeit ist sicher irgendwo theoretisch konzeptualisiert worden, aber ich würde erneut davon abraten mich da auf irgendwelche Theorien zu stützen. Im Grunde genommen ist das gar nicht notwendig, denn es versteht sich von selbst, dass ein Spannungsfeld zwischen kurzfristigen (sichtbaren) und langfristigen (weniger sichtbaren) Entscheidungen besteht, wenn die Amts/Wahlperiode bei 4-6 Jahren liegt. Sie bestünde auch bei 20 Jahren, nur anders. Der Konflikt, um den es dir als theoretisches Phänomen geht, liegt also in der zeitlichen Begrenzung von Handlungen und deren Bewertungen. An Beispielen wie Stuttgart 21 oder dem Votum gegen Gesamtschule in Hamburg zeigt sich, dass es nicht gerechtfertigt wäre offizielle Amtsperioden als einzig geltenden Bezugsrahmen zu verwenden, daher würde ich Studien die sich allein darauf beziehen raus lassen (gibt es aber bestimmt).

Ein weiteres Phänomen, auf das du evtl. zu sprechen kommen kannst ist das Free Rider Dilemma, oder - einfacher ausgedrückt - Trittbrettfahrer-Problem. Wenn eine Handlung eigentlich notwendig ist, der Nutzen aus der eigenen Handlung aber relativ gering bei gleichzeitiger Möglichkeit eines Profits aus dem Handeln anderer ohne eigene Kostenaufwendung werden politische Entscheidungen oftmals ausgebremst. Das wird sicher beispielsweise im Zusammenhang mit dem Kyoto-Protokoll diskutiert worden sein. Aber natürlich ist das nicht in jeder Hinsicht das Gleiche wie wenn bspw. Wahlversprechen gemacht werden (meistens sinnlos hoch, führen langfristig zu Frustration bei den Wählern, kurzfristig aber (noch) zu Gewinnen). Da läge das Trittbrettfahrer-Problem darin, dass - obwohl langfristig eine Frustration bei den Wählern entstehen könnte - man sich an einem entsprechenden Wahlkampf beteiligt, weil es ohnehin von allen praktiziert wird.

Zum Schluss noch einmal die Empfehlung dich bei deiner Arbeit auf dich selber zu verlassen. Du brauchst keine wichtigen Fachworte um ein Argument sauber durchzudeklinieren, sondern v.a. eine klare logische Struktur. Wenn du die hast kannst du dir das akademische Herumzitieren ersparen. Ein Freerider-Problem übrigens, dass es dennoch meistens anders gemacht wird :smile:

Hallo

Vielleicht gibt es in der Spieltheorie noch weitere Begriffe, z. B. im Umfeld des sozialen (Beitrags-)Dilemmas, des Gefangenendilemmas, des Hirschjadg-Dilemmas, der Tragik der Allemde, etc.

Mein Vorschlag wäre jedoch die Rationalitätenfalle ( http://de.wikipedia.org/wiki/Rationalitätenfalle).

Was ist denn, wenn ich fragen darf, das Thema Deiner Abschlussarbeit? Wünsche Dir jedenfalls viel Erfolg.

Hallo,

wie lautet denn das Thema Deiner Arbeit?

Den Zusammenhang, den Du beschreibst, ist ein sehr weit verbreitetes Phänomen.

Vor allem in einer Demokratie, in der es für die Politiker darum geht, wieder gewählt zu werden, wird eigentlich nie die sachlich richtige und dem Gemeinwohl dienende, aber langfristig gute Lösung angestrebt, sondern für die Menschen angenehme, aber in der Sache falsche Entscheidungen werden getroffen.

Dies ist zwar verständlich, führt aber langfristig in den Untergang. Das ist eine wesentliche Schwäche demokratischer Systeme.

Seit Gründung der Bundesrepublik ist die Verschuldung der öffentlichen Hand praktisch immer weiter angestiegen. Warum eigentlich? Warum wird durch die öffentliche Hand schon immer mehr Geld ausgegeben, als man einnimmt? Weil die Politiker den Wählern Honig ums Maul schmieren müssen, zumindest glauben die Politiker das. Es werden großzügige Geschenke verteilt(Sozialleistungen, Subventionen an die Wirtschaft, Aufträge für die Industrie, damit Arbeitsplätze entstehen, etc.)

Der Fehler liegt bei genauerem Hinsehen aber nicht bei den Politikern, sondern vor allem bei dem Wähler. Wäre der Wähler wirklich mündig, würde er unangenehme aber richtige Entscheidungenn der Politik auch nicht dadurch bestrafen, dass er die Regierungspartei nicht mehr wählt.

Die Politiker reagieren quasi lediglich auf das unmündige und trotzige Verhalten der Wähler. Wüßten die Politiker, dass sie für unangenehme und harte Entscheidugnen nicht abgewählt werden, hätten sie auch keine Angst davor, solch unangenehmen aber notwendigen Entscheidungen zu treffen.

Eine Partei, die eine Verdopplung der Renten versprechen würde, hätte wahrscheinlich einen großen Zulauf an Wählern, auch wenn dieses Versprechen sehr unseriös wäre und auch nicht finanzierbar. Das würde den Wähler wahrscheinlich nicht stören.

LG Hilde