[Theorie] & [Gitarre] Ein wenik Harmonik, Gitarristik

Die allermeisten Lieder der westlichen Welt lassen sich mit drei, manche auch nur mit zwei Akkorden begleiten. Wer aber alles, was geritten und gefahren kommt, nur mit den „Feld/Wald/Wiesen“- Akkorden begleitet, wird a) sich und b) sein hochgepubeltes Ehrikum - so vorhanden - recht schnell langweilen.

Kann man denn aus einer einfachen Begleitung eine komplizierte machen? Aber sicher doch. Nur sollte man auch in einer Robinson- Situation ein wenig Bescheid in den Zusammenhängen der Akkorde wissen.
Das hilft ungemein - auch dann, wenn eine fröhliche Runde ein Liedel anstimmt, ohne sich vom Gitarristen die Tonart diktieren zu lassen. Es steht nämlich zu wetten, dass die Gesangsrunde meist schöne Tonarten wie Des-Dur oder As- Moll trifft, was den armen Instrumentalisten vor eine schwierige Aufgabe stellt. Es ist aber halb so schlimm, denn alles passt denn doch wieder irgendwie zusammen …

Wir nehmen uns die C-Dur- Tonleiter C-D-E-F-G-A-H-C als Ausgangspunkt unserer Bemühungen. Wie ich hier FAQ:1443 verzapfte, sind die dieser Tonart zugeordneten Akkorde C-Dm-Em-F-G(7)-Am-Hdim. Die drei Standardakkorde zur Begleitung in C- Dur sind die Tonika ©, die Subdominante (F) und die Dominante (G, häufig als Dominantseptakkord G7). Die Mollparallelen dieser drei Akkorde sind die ersten Kandidaten für den Ausbau einer Begleitung. Was aber passiert, wenn der Komponist sich zu einem Tonartenwechsel entschließt?

Der Quintenzirkel

Wir marschieren jetzt, von C- Dur ausgehend, immer schön in sieben Halbtonschritten (was jeweils eine Quinte ist) einmal komplett über das Griffbrett. Wir bekommen dann die Reihenfolge C-G-D-A-E-H-F#(-C#-G#-D#-A#-E#-C). Wer sich mit Noten auskennt, wird merken, dass von C her (ohne Vorzeichen) immer ein Kreuz hinzukommt. G hat auf dem Notenblatt ein Kreuz, D deren zwo, und so weiter. Dieses Spielchen treibt man aber, um nicht Tonarten mit 10 Vorzeichen zu bekommen, nur bis zum F#. F#-Dur hat 6 Kreuze, und damit ist vorerst Schluss; der Rest ist (erst mal) Banane.

Der Quartenzirkel

Sämtliche Tonleitern bekommt der Beflissene auch, wenn er nicht in Quinten-, sondern in Quartenschritten (=5 Halbtöne) durch die Harmonik marschiert. Von C ausgehend erhalten wir die Folge C-F-Bb-Eb-Ab-Db-Gb(-Cb-Fb-Bbb-Ebb-Abb-Dbb). Zwei Randbemerkungen : Bb schreibe ich, weil unser H international als B bezeichnet wird. Und die vorstehenden Tonarten mit zwei b („As-es“ z.B.) müssen uns nicht kümmern, weil - und hier kommt die Verbindung zum Quintenzirkel - es schnurz ist, ob ich ein um zwei Halbtöne erniedrigtes A als As-Es bezeichne oder als G. Das nennt man „enharmonische Verwechslung“ (ein E# ist das gleiche wie ein F, ein D# das gleiche wie ein Eb). Wohlgemerkt, wir sind hier unter Gitarristen! Der Kladrei- oder -mehrspieler würde hier vermutlich protestieren. Deswegen spielen wir ja auch ein sechssaitiges Instrument und keins mit über 70, gell? :stuck_out_tongue:

Aus dem langen Sums von oben merken wir uns für die Dur- Tonarten

C =kein Vorzeichen;
G =ein Kreuz;
D =zwei Kreuze;
A =drei Kreuze;
E =vier Kreuze;
H =fünf Kreuze;
F#=sechs Kreuze

sowie

C =Kein Vorzeichen;
F =ein b;
Bb=zwei b;
Eb=drei b;
Ab=vier b;
Db=fünf b;
Gb=sechs b

und stellen fest, dass Fis und Ges (F# und Gb) wiederum Banane ist.

Uff, sprach Winnetou, biss sich ein Loch in den Bauch und verschwand darin. Was nützt uns dieses? Nun, wenn wir jetzt die komplette Tonartensammlung haben, können wir - auf dem Papier - auch alle Tonarten begleiten. Hierzu der Versuch einer Tabelle (T=Tonika; S=Subdominante;D=Dominante;Tp=Mollparallele Tonika;Sp=Mollparallele Subdominante;Dp=Mollparallele Dominante;Dim=verminderter Akkord auf der Septime).

-----------------------------------
T S D Tp Sp Dp Dim
-----------------------------------
C F G Am Dm Em Hdim
G C D Em Am Hm F#dim
D G A Hm Em F#m C#dim
A D E F#m Hm C#m G#dim
E A H C#m F#m G#m D#dim
H E F# G#m C#m D#m A#dim
F# H C# D#m G#m A#m E#dim
Db Gb Ab Bbm Ebm Fm Cdim
Ab Db Eb Fm Bbm Cm Gdim
Eb Ab Bb Cm Fm Gm Ddim
Bb Eb F Gm Cm Dm Adim
F Bb C Dm Gm Am Edim
-----------------------------------

Man verfolge einmal den Weg einzelner Töne durch diese Tabelle und stelle fest, dass ganz bestimmte Beziehungen zwischen den Tonarten bestehen. Diese Beziehungen tauchen in unserem Kulturkreis - wenn auch in vielen Verdrehungen und Vertauschungen - immer wieder auf. Nun beackern wir noch ein Beispiel für einen Tonartwechsel, den wir in unsere Begleitung einbauen. Hoffentlich kennt ihr das Liedel, ich kann es hier nicht singen …

<u>Bolle reiste jüngst zu Pfingsten</u>

zunächst die Begleitung mit den Feld-, Wald- und Wiesen- Akkorden


 C F 
Bolle reiste jüngst zu Pfingsten,

 G7 C
nach Pankow war sein Ziel.

 F 
Da verlor er seinen Jüngsten

 G7 C 
janz plötzlich im Jewühl.


Ne volle halbe Stunde

 G7 
hat er nach ihm jespürt :

 C F
Aber trotzdem hat sich Bolle

 G7 C
janz köstlich amüsiert.

Tja, janz nett, aber bei der Stelle „ne volle halbe Stunde“ passt der olle C-Dur nicht so richtig jut, wa? Auch mit den anderen zu C-Dur gehörenden Akkorden kommst Du hier nicht weiter. Hier hat der Lümper von Komponist nämlich einen Tonartwechsel eingebaut! Wer diesen Artikel nicht lus, muss sich jetzt auf die Suche begeben. Wir aber vermuten, dass der passende Akkord aus der näheren Verwandtschaft von C-Dur kommt. Wir deduzieren weiter messerscharf, dass nach der fraglichen Passage ein „G7“ auf etwas hinweist, was sowohl mit C als auch mit G verwandt sein sollte. In welcher Tonart kommen diese beiden vor? [Tabelle hol] … [peil] … G-Dur scheint nicht schlecht zu sein, oder? Und eingedenk der Tatsache, dass man bei Hufschlag zunächst an Pferde denken sollte und nicht an Zebras, entscheiden wir uns, die Begleitung an dieser Stelle um ein D zu ergänzen, das wir, um es auf die Spitze zu treiben, als Dominantseptakkord D7 spielen. Auf gehts :

<u>Bolle reiste jüngst zu Pfingsten</u>
hoffentlich besser jetzt


 C F 
Bolle reiste jüngst zu Pfingsten,

 G7 C
nach Pankow war sein Ziel.

 F 
Da verlor er seinen Jüngsten

 G7 C 
janz plötzlich im Jewühl.

**D7**
Ne volle halbe Stunde

 G7 
hat er nach ihm jespürt :

 C F
Aber trotzdem hat sich Bolle

 G7 C
janz köstlich amüsiert.

Jippi. War doch gar nicht so wüst, oder? Dies wende der gewasauchimmerte Leser zu seinem Nutz und Frommen künftig ab und an², auf dass es klinge und schalle fürderhin und immerdar.