Hallo du,
Nur leider hat mir der Krankenhausaufenthalt nichts gebracht,
weil ich nicht gelernt habe, solche impulsive Ausbrüche unter
Kontrolle zu bekommen. Ich möchte einfach nicht immer wieder
mal einen solchen Ausbruch, sehr oft wegen Kleinigkeiten,
haben.
Na ja, ich denke, dafür war der Klinikaufenthalt auch nicht gedacht. Das geht wohl nicht in ein paar Monaten. Wurde dir dort nicht geraten, nun regelmäßig einen Therapeuten aufzusuchen? Ich würde es für sehr schwer, und fast aussichtslos halten, wenn du ab jetzt ganz alleine weitermachen willst. Wenns dir aber darum geht, schonmal anzufangen, bevor die Therapie losgeht, halte ich das für eine gute Idee.
Ich kann dir leider keine Bücher empfehlen, oder professionelle Ratschläge geben, aber zu dem, was du „mki“ geantwortet hast, fallen mir ein paar Sachen ein.
wenn ich oder von mir getätigten Aussagen ins Lächerliche
gezogen werden, wenn ich beledigt werde, wenn ich nicht der
Schellste, Beste … bin, wenn ich als dumm dargestellt werde,
wenn sich über mich lustig gemacht wird. Wenn ich in meiner
Würde, in meinem Stolz verletzt werde. Oder aber „nur“, wenn
ich so fühle. Ich fühle mich nämlich auch sehr schnell
persönlich angegriffen. Wenn ich gar nicht persönlich gemeint
bin, aber ein anderer angegangen wird, ergreife ich oft Partei
für den Angegriffenen. Ich mags nicht, wenn auf Schwächeren
rumgehackt wird.
Erstmal find ich es sehr gut, dass du erkennst, dass das, was du als Angriff empfindest, gar nicht immer so gemeint ist. Ich glaube das ist ein erster, ganz wichtiger Schritt und vielleicht auch schon eine kleine Hilfe. Wenn du es schaffst, in so einer Situation einen Moment inne zu halten und daran zu denken, dass es vielleicht gar nicht so gemeint ist, könnte es dir vielleicht schon helfen, ruhiger zu bleiben.
Das Allerwichtigste scheint mir aber zu sein, dein Selbstvertrauen, dein Selbstwertgefühl zu stärken. Wenn du dich geliebt, geschätzt und angenommen fühlst, kannst du vermutlich Kritik leichter ertragen. Im ersten Schritt ist es wahrscheinlich schon wichtig, dass du dich besser kontrollieren kannst, dich zusammenreißt etc. Aber langfristig, denke ich, wäre es nötig, dass du es gelassener sehen kannst. Ziel ist nicht, dass du lernst, wie du dieses Gefühl unterdrückst und niederkämpfst, sondern, dass du stark und sicher genug wirst, dass dich das nicht mehr so belastet.
Dass du auch dann „abgehst“ wenn du das Gefühl hast, dass andere angegriffen werden, ist, denke ich, sowas wie eine Projektion. Du hast das Gefühl, dass es demjenigen genauso geht, wie es dir in dieser Situation gehen würde und meinst, ihn verteidigen zu müssen, weil ihm selber evtl. der Mut fehlt. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Emotionen da mindestens genauso stark sind, als würde es dir selber passieren. Ich bin ziemlich sicher, dass sich das ganz von allein erledigt, wenn du mehr Selbstwertgefühl hast und dich selber auch nicht mehr so schnell angegriffen fühlst. In gleichem Maße wird das Gefühl, andere verteidigen zu müssen, zurückgehen.
Ich möchte in solchen Situationen eben nicht mehr so verbal
ausrasten und contenance bewahren. Auch, wenn ich wirklich
direkt verbal angegriffen werde, auch mi Beleidigungen.
Keine Ahnung, ob dir das was bringt, aber ich glaube, es gibt zwei unterschiedliche Arten, damit (scheinbar) gelassen umzugehen. Grade wenn etwas vielleicht tatsächlich beleidigend gemeint ist, hat man ja eigentlich Grund, sich zu ärgern und drüber aufzuregen. Manch einem gelingt es dann, ruhig zu bleiben, indem er den anderen als Abschaum betrachtet, der es nicht wert ist, überhaupt beachtet zu werden. Dessen Meinung scheißegal ist, drum muss man sich nicht ärgern. Das ist sicher eine Strategie, die häufig funktioniert. Ich halte sie aber zumindest dauerhaft nicht für gut. Ich denke, ein bisschen ähnlich (wenn auch vielleicht nicht so extrem), ist die hier vorgeschlagene Methode, sich vorzustellen, „den Ball einfach fallenzulassen“. Um das zu können, ohne diese eigene Selbstsicherheit bereits zu haben, bleibt einem nämlich m. E. gar nichts anderes übrig, als sich die Einstellung anzueignen, dass die Meinung des anderen sowieso nicht zählt. Wie gesagt, ich bin sicher, das funktioniert und für den Anfang ist das vielleicht auch eine gute Strategie. Aber ich denke, wenn man das zu intensiv betreibt, besteht die Gefahr, sich zu einem A…loch zu entwickeln, dass auf alle anderen nur noch hochmütig herabschaut. Und die Gefahr scheint mir umso größer, wenn man vorher besonders schnell ausgerastet ist.
Was ich mit meinem ganzen Sermon hier aber eigentlich sagen will: Ich seh das wie Fogari. Allein kannst du das nicht schaffen. Such dir weiterhin Hilfe!
Gruß
M.