Thomas Kuhn: Zeitangaben gesucht

Liebe www-ler,

ich suche Angaben über die Zeitdauer zwischen zwei wissenschaftlichen Revolutionen nach Thomas Kuhn.
Lässt sich sagen, wie beispielsweise bei Kondratieff - dass es 50 Jahre (oder 200, ich weiss nicht) dauert bis komplett neues Wissen in die Welt kommt?

Mir geht es hauptsächlich um den letzt genannten Aspekt: wie lange dauert es bis andersartige Denkweisen (z.B. die Systemthoerie) oder neues Wissen in der Gesellschaft bzw. Allgemeinheit oder auch nur in den Universitäten angekommen angekommen sind.

Bin dankbar für alle Hinweise!
Eurydice

Keine zeitliche Regelmäßigkeit
Hi Eurydice.

ich suche Angaben über die Zeitdauer zwischen zwei
wissenschaftlichen Revolutionen nach Thomas Kuhn.

Hier kann man sicher nicht von einer regelmäßigen Periodisierung sprechen. Es ist nicht mal klar definiert, was unter einem Paradigmenwechsel zu verstehen ist. Kuhn scheint auf einer naturwissenschaftlichen Beschränkung dieses Begriffs zu bestehen, also sollte man, aus dieser Sicht, alle naturwissenschaftlichen Quantensprünge auflisten und daraus historische Schlüsse ziehen. Nun ist das aber zu eng gestrickt, denn Freuds Psychoanalyse stellt zweifelsohne einen psychologischen/philosophischen Paradigmenwechsel dar, ist aber nach Kriterien der NaWi und auch aus Kuhns Sicht nicht empirisch verifizierbar, also keine „echte“ Wissenschaft.

Mir geht es hauptsächlich um den letzt genannten Aspekt: wie
lange dauert es bis andersartige Denkweisen (z.B. die
Systemthoerie)

Ich denke nicht, dass die Systemtheorie in Kuhns Augen ein Paradigma in seinem Sinne darstellt. Aber das heißt natürlich nicht, dass diese Anwendung, wie es Luhmann ja auch tat, nicht sinnvoll ist. Deine Frage, „wie lange es dauert“, scheint mir keinen Sinn zu machen außer dem, dass man sich halt die entsprechenden Jahreszahlen anschaut, wie sie faktisch - und zufällig - gegeben sind.

Gruß

Horst

Hallo Horst,
vielen Dank für deine Antwort. Mir ging es nicht speziell um Kuhn, sondern um eine möglicherweise untersuchte Periodizität in bahnbrechenden Entwicklungen. Natürlich könnte man auch hier wieder diskutieren, wann genau eine Entdeckung bahnbrechend sei, doch würde ich das Systemische Denken i.S. von einer ganzheitlichen Betrachtung eines Problems gegenüber der herkömmlichen reduktionistischen wissenschaftlichen Denkweise hier einordnen.
Und genau da dachte ich, hätte sich sicher schon mal jemand die Mühe gemacht eine Aufstellung der Entdeckungen zu machen und anschließend eine Art Gesetz á la Moore’s Law formuliert.
Soclhe Gesetze kann man wunderbar in Diskussionen al sArgumente benutzen :wink:

gruß,
Eurydice

Hi Eurydice.

ich suche Angaben über die Zeitdauer zwischen zwei
wissenschaftlichen Revolutionen nach Thomas Kuhn.

Hier kann man sicher nicht von einer regelmäßigen
Periodisierung sprechen. Es ist nicht mal klar definiert, was
unter einem Paradigmenwechsel zu verstehen ist. Kuhn scheint
auf einer naturwissenschaftlichen Beschränkung dieses Begriffs

Ich denke nicht, dass die Systemtheorie in Kuhns Augen ein
Paradigma in seinem Sinne darstellt. Aber das heißt natürlich
nicht, dass diese Anwendung, wie es Luhmann ja auch tat, nicht
sinnvoll ist. Deine Frage, „wie lange es dauert“, scheint mir
keinen Sinn zu machen außer dem, dass man sich halt die
entsprechenden Jahreszahlen anschaut, wie sie faktisch - und
zufällig - gegeben sind.

Gruß

Horst

Kurzweils Theorie
Hi Eurydice.

Und genau da dachte ich, hätte sich sicher schon mal jemand
die Mühe gemacht eine Aufstellung der Entdeckungen zu machen
und anschließend eine Art Gesetz á la Moore’s Law formuliert.

Es gibt da einen Mr. Kurzweil, der versucht, Moores Gesetz zu verallgemeinern. Vielleicht kannst du damit etwas anfangen.

http://www.meaningprocessing.com/personalPages/tuomi…

Zitat:

"Kurzweil (1999; 2001) has proposed that technical progress can be characterized as accelerating exponential development. According to Kurzweil’s “law of accelerating returns,” technical change is generated in an evolutionary process where the outputs of the process are used as inputs in the next phase of the development. This leads to exponential growth. Kurzweil maintains that the rate of exponential growth itself increases. When a particular evolutionary process becomes more effective than its alternatives, greater resources are deployed for the further progress of the effective process. As a result, the rate of exponential growth itself grows exponentially.

Evolution, and technology—evolution continued by other means—therefore is a process that leads to accelerating change."

Gruß

Horst

Hi Eurydice.

Hallo Horst

Und genau da dachte ich, hätte sich sicher schon mal jemand
die Mühe gemacht eine Aufstellung der Entdeckungen zu machen
und anschließend eine Art Gesetz á la Moore’s Law formuliert.

Es gibt da einen Mr. Kurzweil, der versucht, Moores Gesetz zu
verallgemeinern. Vielleicht kannst du damit etwas anfangen.

http://www.meaningprocessing.com/personalPages/tuomi…

Das ist interessant, vielen Dank! Es sind auch ein paar solcher Zahlen drin, die ich gesucht habe:
„…the number of scientific journals had doubled about every 15 years since 1750, the number of “important discoveries” had doubled every 20 years, and the number of U.S. engineers about every 10 years.“

Hintergrund des ganzen ist, dass ich für die Annäherung von Wissenschaft und Spiritualität interessiere: In der Quantentheorie - und noch kompromissloser im Radikalen Konstruktivismus - wie auch im Zen gilt: der Beobachter bestimmt seine Realität. Das ist nur ein Beispiel.

Die Fragen, die sich mir stellen in diesem Zusammenhang sind:

  1. was käme heraus, wenn sich beide wirklich annähern würden? Ich meine wären komplett neue Qualitäten (von mir aus Paradigmenwechsel) möglich?
  2. Wie könnte man überhaupt das Entstehen neuer Qualitäten / Erkenntnisse begünstigen?
  3. Wenn 2 unterschiedliche Betrachtungsweisen zusammen kommen und neue Sichtweisen / Qualitäten / Erkenntnisse ermöglichen, wäre dann Multiperspektivität eine Steigerung diieser Möglichkeiten?
  4. Und wenn es eine Steigerung der Erkenntnisse bedeuten würde, würde dann auch unkonventionelles Wissen an die Oberfläche kommen - ich meine im Gegensatz zu oldschool wissenschaftlichen Erkenntnissen, die auf bereits Bekanntem aufbauen und reduktionistisch vorgehen?

Gruß,
Eurydice

Wilber Reloaded
Hi Eurydice.

Hintergrund des ganzen ist, dass ich für die Annäherung von
Wissenschaft und Spiritualität interessiere.

Schade, dass du nicht zu Zeiten hier online warst, als ich genau dieses Thema im Philo- als auch Esobrett mehrmals thematisiert hatte. Als erste Anlaufstelle für Orientierungssuchende in dieser Frage empfehle ich immer Ken Wilber, wie auch jetzt:

http://www.integrale-psychotherapie.de/Resources/Han…

Aber vielleicht ist er dir ja schon ein Begriff. Wenn nicht, rate ich zunächst zu einem Überblick über seine sehr komplexe Theorie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ken_Wilber

sowie die Website

http://www.kenwilber.com/news/list/1

  1. was käme heraus, wenn sich beide wirklich annähern würden?

Es geschieht schon längst (spätestens seit den 70ern), allerdings erschwert durch die zwar verständlichen, aber in der Sache ziemlich ahnungslosen Einwände seitens der materialistisch orientierten Skeptiker, dass Spirituelles „objektiv“ nicht beweisbar sei und somit kein Gegenstand wissenschaftlichen Forschens sein könne. Der Punkt ist hier der, dass die Wirklichkeit aus spiritueller Sicht nicht nur, wie die meisten Skeptiker denken, aus Materie besteht, die ihrerseits als Effekt das Geistige hervorbringt (das ohne das Materielle aber nicht „lebensfähig“ sei), sondern dass das Geistige eine eigenständige Seinsweise hat (als Feinstoffliches) und mit dem Materiellen (dem Grobstofflichen) interagieren kann. Genauer: das Materielle ist selbst, aus spiritueller Sicht, eine Form des Geistigen, und zwar die „niederste“.

Objektive Beweisbarkeit aber ist nur auf der grobstofflichen Ebene möglich (dem Stand unserer Technik nach, jedenfalls). Daraus schließen die Skeptiker, dass das Geistige keine eigenständige Existenz hat. Ein einfacher, aber fataler Fehlschluss.

  1. Wenn 2 unterschiedliche Betrachtungsweisen zusammen kommen
    und neue Sichtweisen / Qualitäten / Erkenntnisse ermöglichen,
    wäre dann Multiperspektivität eine Steigerung diieser
    Möglichkeiten?

Das wird durch Wilbers Theorie der Quadranten beantwortet. Wirklichkeit wird hier unter vier Aspekten erfahren und erforscht, die erst in ihrer Summe einen (möglichst) kompletten Blick auf die Wirklichkeit zulassen.

  1. Und wenn es eine Steigerung der Erkenntnisse bedeuten
    würde, würde dann auch unkonventionelles Wissen an die
    Oberfläche kommen - ich meine im Gegensatz zu oldschool
    wissenschaftlichen Erkenntnissen, die auf bereits Bekanntem
    aufbauen und reduktionistisch vorgehen?

Dieses Wissen liegt schon lange vor, und zwar vorwiegend in den asiatischen Lehren des Buddhismus und des Vedanta. Die Frage ist nur, in welche Systematik und Begrifflichkeit es in modernen Theorien verpackt werden sollte und welche Methoden am Start sind, um es zu verifizieren (die spirituelle Tradition empfiehlt Meditation und Yoga, die auch ewig Klassiker der Bewusstseinserweiterung sein werden, aber es sind darüber hinaus moderne Methoden denkbar und wurden auch schon erprobt).

Gruß

Horst

Hallo Horst,

Schade, dass du nicht zu Zeiten hier online warst, als ich
genau dieses Thema im Philo- als auch Esobrett mehrmals
thematisiert hatte. Als erste Anlaufstelle für
Orientierungssuchende in dieser Frage empfehle ich immer Ken
Wilber, wie auch jetzt[…]

vielen Dank für die Literatur! Ken Wilber habe ich tatsächlich schon mal empfohlen bekommen, aber noch nicht mit befasst - das soll sich jetzt ändern :smile:

  1. Wenn 2 unterschiedliche Betrachtungsweisen zusammen kommen
    und neue Sichtweisen / Qualitäten / Erkenntnisse ermöglichen,
    wäre dann Multiperspektivität eine Steigerung diieser
    Möglichkeiten?

Das wird durch Wilbers Theorie der Quadranten beantwortet.
Wirklichkeit wird hier unter vier Aspekten erfahren und
erforscht, die erst in ihrer Summe einen (möglichst)
kompletten Blick auf die Wirklichkeit zulassen.

dazu äußere ich mich gerne nochmal, wenn ich das mal gelesen (und verstanden) habe. Ich bin aber grundsätzlich auch Fan von Erkenntnis-Modellen, nur stehe ich irgendwie auf die (hlg :wink:) Dreifaltigkeit.

Dieses Wissen liegt schon lange vor, und zwar vorwiegend in
den asiatischen Lehren des Buddhismus und des Vedanta. Die
Frage ist nur, in welche Systematik und Begrifflichkeit es in
modernen Theorien verpackt werden sollte und welche Methoden
am Start sind, um es zu verifizieren […]

es gibt auch angenommene Theorien in der anerkannten Wissenschaft, die noch nie jemand verifizieren konnte (z.B. die Higgs Teilchen), die aber gut ins Modell passen. Die Hauptfrage scheint mir also zu sein, das richtige, einfache Modell zu finden (sowie die passende Begrifflichkeit) und die Verifizierung bzw. Falsifizierung der intersubjektiven Intuition oder „gefühlten Wahrheit“ zu überlassen.

Gruß,
Eurydice

Die inneren Zwänge der materialistischen Skeptiker
Hi Eurydice.

vielen Dank für die Literatur!

Dachte schon, du seist vor Schreck abgetaucht :smile:

Das wird durch Wilbers Theorie der Quadranten beantwortet.
Wirklichkeit wird hier unter vier Aspekten erfahren …

Ich bin aber grundsätzlich auch Fan von
Erkenntnis-Modellen, nur stehe ich irgendwie auf die (hlg :wink:)
Dreifaltigkeit.

Keine Ahnung, was an der Drei so besonderes ist, dass sie von allen Zahlen die „magischste“ ist. Vielleicht symbolisiert sie die Familie.

Die Frage ist nur, in welche Systematik und Begrifflichkeit es in
modernen Theorien verpackt werden sollte und welche Methoden
am Start sind, um es zu verifizieren […]

es gibt auch angenommene Theorien in der anerkannten
Wissenschaft, die noch nie jemand verifizieren konnte (z.B.
die Higgs Teilchen), die aber gut ins Modell passen.

Klar, die moderne Wissenschaft sähe ohne (noch nicht verifizierte) Hypothesen alt aus.

Die Hauptfrage scheint mir also zu sein, das richtige, einfache
Modell zu finden (sowie die passende Begrifflichkeit) und die
Verifizierung bzw. Falsifizierung der intersubjektiven
Intuition oder „gefühlten Wahrheit“ zu überlassen.

Das Problem bei spirituellen Modellen ist, dass sie, wie gesagt, objektiv (Dritten gegenüber) nicht „bewiesen“ werden können und dass die Erfahrung des Einzelnen von Skeptikern in der Regel als „subjektiv“ abgetan wird, mit der Begründung, er/sie rede sich das nur ein bzw. interpretiere eine Erfahrung nach einem (aus der spirituellen Literatur) angelesenen Schema.

Es scheint in der menschlichen Natur zu liegen, alles rigoros anzuzweifeln und als lächerlich abzutun, was nicht unmittelbar bewiesen werden kann, w e n n die angezweifelten Aussagen das Übernatürliche oder Spirituelle oder Paranormale betreffen. Das ist ein zwanghafter Mechanismus, den man den Skeptikern nicht vorwerfen kann, sie können diesen Mechanismus nicht kontrollieren, er kontrolliert sie.

Damit will ich nicht sagen, dass umgekehrt alles geglaubt werden soll, was von Leuten als „übernatürlich“ und so weiter behauptet wird. Aber die Skeptiker gehen gerne zu weit in ihrem Tunnelblick-artigen Skeptizismus und lassen mehr ihren Gefühlen freien Lauf, als ihren Verstand zu betätigen, und werfen dann auch noch ihren Gegnern paradoxerweise vor, ihren kritischen Verstand nicht zu benutzen.

Gruß

Horst