Seele, Psyche, Geist - etwas weiter ausgeholt
Hi,
Haben laut des christlichen Glaubens denn nun Tiere eine Seele oder nicht?
Du wirst ja hoffentlich selbst voraussetzen, daß das von dem in diesem Kontext verwendeten Begriff von „Seele“ abhängt
Und um das zu klären, bedarf es etwas mehr, als irgendwelchen Lexikonartikeln zu entnehmen ist, die außerdem noch sachlich falsch sind.
Grundsätzlich gibt es in dieser Frage keine eindeutige christliche Stellungnahme. Und eine katholische obligatorische Lehre dazu gibt es auch nicht. Die Lehrmeinungen bzgl „Seele“ betreffen alle nur den Menschen, und zwar so, daß immer die Wesens-Einheit Körper und Seele damit gemeint ist:
Das Konzil von Vienna formuliert, daß die anima rationalis und intellectiva eine forma corporis humani sei und zwar per se (durch sich selbst) und essentialiter (wesensmäßig). Sie ist in diesen katholischen Konzeptionen also nicht bloß der „(unsterbliche) Anteil“ am Menschen.
Nicht ganz unwitzig ist, daß das deutsche Wort „Seele“ der Etymologie nach auf einen wahrhaftig sehr wenig christlichen Kontext hinweist. (Siehe im u.g. Link)
Anläßlich einer der früheren selbigen Fragen hier im Forum
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
hab ich die notwendigen Differenzierungen in den tradierten Seele-Begriffen mal etwas näher zusammengefaßt:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
(ich träume davon, mal Zeit zu haben, um ein FAQ draus zu machen).
Der christliche Seelebegriff wurzelt selbstverständlich in
- jüdisch/israelitischen
- griechischen und
- ägyptischen
Vorgaben, und man kann ihn durchaus als Synkretismus bezeichnen.
Die jüdischen Vorgaben (über die in dem o.g. Thread ja diskutiert wurde) sind aber bereits nicht unkompliziert. Hier gibt es
-
nefesch = Wesen, nefesch chajjah = Lebewesen
-
neschamah = Hauch, Odem, nischmath chajjim = Lebensodem
-
ruach (Hauch, Lebensodem, aber auch speziell der „Geist“ Gottes) wobei neschamah und ruach weitgehend synonym sind und sowohl dem Tier als auch dem Menschen zukommen. Die Übersetzung „Lebensodem“ trifft also recht gut den Ausdruck.
Die griechischen zur Verfügung stehen Begriffe sind
-
psyche = Hauch, (Lebens-)Odem, Leben (neben zoe und bios), dann spezialisiert bei
a. Sokrates/Platon: Der ewig existierende unsterbliche Anteil im Menschen, der die Ideen zu „sehen“ vermag
b. Aristoteles: Dasjenige, das einen materiellen Körper ausmacht, so daß er Leben (zoe) hat, und ferner das Vermögen, sinnlich wahrnemen zu können
-
pneuma = Hauch, Lebensodem, Wind, dann spezialisiert in Stoa, Gnosis und im NT zu „Geist“, der sowohl göttlich ist, als auch dem Menschen zukommt (was genauer zu differenzieren wäre, aber hier unwichtig ist)
Zur Zeit der griechischen Übersetzungen der Bibel (die LXX, Septuaginta) wird nun sowohl hebr. nefesch, als auch neschamah mit psyche übersetzt, ruah dagegen mit pneuma. Deutsche Übersetzungen haben für die ersteren grundsätzlich „Seele“, für den letzteren „Geist“.
Das machts etwas kompliziert, denn die griechische psyche hat zugleich auch noch die Konnotation: psychen tithemi sein Leben zur Verfügung stellen, sein Leben (für jemanden) hingeben, opfern. Wogegen paredoken to pneuma wiederum heißt: „er starb“, wörtlich „übergab seinen Geist“.
In den lateinischen Versionen des AT und NT wird es nicht unkomplizierter. Hier haben wir noch
-
anima = generell für griech. psyche gesetzt, aber etymologisch mit griech. anemos, Wind verwandt) Hauch, Lebensodem, „Seele“ (als selbständige Existenz neben corpus „Körper“)
-
spiritus = (mit dem griech. psyche etymologisch verwandt, generell für griech. pneuma gesetzt
-
vita = Leben, für griech. psyche gesetzt, aber auch für zoe (Leben) und bios (Leben)
Im griech. ist zugleich aber ist die griech. psyche (lat. anima) dasjenige (im Menschen!), um dessen („Seelen“)Heil es geht und das sich dem „Gericht“ unterziehen muß. Es ist also ebenso dasjenige, das sich selbst moralisch zu rechtfertigen hat und dem also Selbstverantwortung unterstellt ist.
Spätestens hierbei hat der (nun ausschließlich christliche) psyche/neschamah/Seele-Begriff mit dem Tierreich nichts mehr zu tun.
Die Seele jedoch als eine Existenzform, die sich in der Lebenszeit im Körper befindet und im Tode (anders auch z.B. im Traum) den Körper verläßt, und die in vielen Kulturräumen der Welt existierte (im deutschen und englischen als „Geist“/„ghost“ aus germanisch *getwas = Gespenst, Gespinst), und die in vielen Kulturräumen auch Tiere haben, kommt weder aus dem jüdischen, noch aus dem griechischen Kulturraum. Sie hat ihre Wurzeln einerseits in der germanischen und andererseits in der ägyptischen Mythologie und Thanatologie.
Gruß
Metapher