Salve.
Ich weiß, daß die BRD an TIMSS94/95 Population 2 und an TIMSS95/96 Population 3 teilnahm. Seitdem interessiere ich mich für diese Dinge nicht mehr sonderlich. Die Ergebnisse von TIMSS erregten allerdings meine Aufmerksamkeit, so daß mir das im Gedächtnis blieb.
Die ostdeutschen Schüler erreichten bessere Ergebnisse in Mathematik und Naturwissenschaften als die westdeutschen. Die Leistungsunterschiede zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen fielen jedoch nicht mehr dermaßen signifkant aus wie noch unmittelbar während und nach der Wende in den Untersuchungen des Max-Planck-Instituts, in denen die DDR-Kohortenn (polytechnische Oberschule, die EOS wurde nicht getestet!) wesentlich bessere Leistungen in MNT-Fächern zeigten als die BRD-Kohorten (Realschule + Gymnasium.
Das heißt, nach dem Verschwinden der Einheitsschule sanken die Leistungen der ostdeutschne Schüler innerhalb von wenigen Jahren auf Westniveau. TIMSS Population 3 zeigte außerdem andere bemerkenswerte deutsch-deutsche Phänomene: Schüler in der Abiturstufe eines 8jährigen Gymnasiums (neue Bundesländer) zeigten in Mathe und Physik bessere Leistungen als Schüler in den alten Bundesländern, die die Abiturstufe eines 9jähriges Gymnasium besuchten. Bundesländer, die ein Zentralabitur abhielten, z.B. traditionell die ostdeutschen Länder, erreichten bessere Ergebnisse als die Bundesländer, die ein dezentrales Abitur durchführten, insbesondere in Mathematik. In Bundesländern, in denen Mathematik nicht abgewählt werden konnte und in denen alle Schüler verpflichtend Mathematik prüfen lassen mußten (damals nur die neuen Bundesländer) erreichte die gesamte Schülerschaft statistisch besssere Ergebnisse (erhöhtes mittleres Bildungsniveau).
Länder, die problemorientierten Unterricht machten (Verständnis statt formale Fertigkeiten), erreichten signifikant bessere Ergebnisse. Während sich die ostdeutsche Pädagogik diesbezüglich zur Zeit der Datenerhebung im Fluß befand, das heißt die Mathematikmethodik sich sukzessive an den Westunterricht anpaßte (der DDR-Unterricht war beweislastig, problemorientiert, geometrisch-anschaulich und enthielt Unmengen Probleme der angewandten Mathematik die auf Lehrpläne der Fächer TZ, UTP, Physik, Chemie und Geographie abgestimmt wurden; der BRD-Unterricht ist demgegenüber formalistisch und auf trainierbare, wiederholbare Fertigkeiten optimiert, was sich gut an den starren Prüfungen ablesen läßt), lagen international die Länder deutlich in Front, die problemorientierten Unterricht machten, u.a. Finnland und Japan - beides Länder, die seit den 70er Jahren kultur- und bildungspolitische Beziehungen mit der DDR unterhielten und sich mit der DDR aktiv über ihre Schulsysteme austauschten bzw. die DDR bereisten.
Diese Sachen haben mich damals verblüfft, denn nach der Wende erlag ich der Illusion, daß das westdeutsche Schulsystem besser sein müsse, wesentlich besser sogar als das ostdeutsche, bis ich innerhalb von wenigen Jahren das böseste vorstellbare Erwachen hatte und mich teilweise schämte, wie wir Ossis 1990 über unsere Schule geschimpft hatten - damals wußten wir ja nicht, was kommen würde. Seitdem habe ich nur noch Kopfschütteln für das dreigliedrige Schulsystem West übrig.
Tschö
reinerlein