Todesurteile in den USA

Warum wird in den USA extrem darauf geachtet, dass ein zum Tode verurteilter sich nicht das Leben nehmen kann. Vielleicht wäre es für den armen Teufel vielleicht einfacher, wenn er seinen Todeszeitpunkt selbst bestimmen kann und weniger entwürdigend wenn er alleine und ohne Zuschauer sterben kann und es müsste niemand auf den berühmten Knopf drücken.

Zum einen könnten die Angehörigen dann wohl klagen, zum anderen würde dann der steinzeitliche Rachegedanke nicht mehr befriedigt. Der Verurteilte soll ja leiden. Klingt dämlich? Ist es auch.

.m

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo!

Zum einen könnten die Angehörigen dann wohl klagen, zum
anderen würde dann der steinzeitliche Rachegedanke nicht mehr
befriedigt. Der Verurteilte soll ja leiden. Klingt dämlich?
Ist es auch.

Und so erschreckend es auch ist: diese Ansichten finden sich allen Ernstes im US-amerikanischen Recht. Ich zitiere aus einem sehr guten Lehrbuch für US-Recht (Hay, US-Amerikanisches Recht³, C.H. Beck 2005, Rz. 703): „Als Argumente für ein Festhalten an der Todesstrafe werden neben der US-amerikanischen Verfassungstradition die hohe Verbrechensrate, fehlgeschlagene Resozialisierungsprogramme und übersteigerte Verbrechensangst der Bevölkerung angeführt. Zudem erlebt die Straftheorie der retribution eine Renaissance, die Strafe als Anspruch der Gesellschaft auf Rache ansieht.“ Weiter schreibt Hay zur retribution unter Hinweis auf LaFave/Scott, Substantive Criminal Law, Vol. 1: „Insbesondere diese das alttestamentarische „Auge-um-Auge“-Prinzip hochhaltende Straftheorie wird von den Fürsprechern der Todesstrafe argumentativ genutzt.“
ISBN-10: 3406492762 Buch anschauen
Grüße, Peter

2 Like

Hi,

dazu fällt mir der Spruch ein, den ich neulich auf einer Kunstpostkarte gelesen habe: Niemand käme auf den Gedanken, Geschriebenes mit Tinte abwaschen zu wollen. Aber Blut soll immer mit Blut abgewaschen werden.

Schöne Grüße
Burkhard

2 Like

Hallo,

dazu fällt mir der Spruch ein, den ich neulich auf einer
Kunstpostkarte gelesen habe: Niemand käme auf den Gedanken,
Geschriebenes mit Tinte abwaschen zu wollen. Aber Blut soll
immer mit Blut abgewaschen werden.

Wobei - gerade in einem Land, das man mit relativ barbarischen Rechtspraktiken assoziiert, Saudi Arabien, gibt es die Möglichkeit des Blutgeldes, d.h. man zahlt der Familie des Opfers Geld (das ist nicht in allen Fällen möglich, aber immerhin).

Gruß
Elke

Hallo, das mit dem Rachegedanken leuchtet mir ein - so abstrus es auch ist. Aber ich grüble was du damit meinst, dass die Angehörigen klagen könnten. Wogegen denn? Dagegen, dass ihr Familienmitglied sich selbst das Leben nahm, bevor der Staat es tun konnte? Oder bin ich jetzt ganz auf dem Holzweg. Über eine kurze Erklärung freu ich mich.

Hi Elke,

interessant fand ich mal im Fernsehen einen Beitrag über Babylon. Dort hat man sehr viele Gerichtsurteile auf Tontäfelchen gefunden. Unter anderem wurde der Mord an einem jungen Mann verhandelt. Das Urteil war für mich ziemlich überraschend, da es einer völlig anderen Logik folgte, als sie heutzutage üblich ist.
Die Todesstrafe erhielt damals nicht der Mörder, sondern statt seiner wurde sein Sohn umgebracht, um dem Mörder das gleiche Leid zuzufügen wie er dem Vater des Opfers zugefügt hat.

Schöne Grüße
Burkhard

Hallo,

Aber ich grüble was du damit meinst, dass die
Angehörigen klagen könnten. Wogegen denn? Dagegen, dass ihr
Familienmitglied sich selbst das Leben nahm, bevor der Staat
es tun konnte? Oder bin ich jetzt ganz auf dem Holzweg. Über
eine kurze Erklärung freu ich mich.

nunja, die Behörden haben eine Fürsorgepflicht für Gefangene, und ich stelle mir vor (=genaues weiß ich nicht!), daß möglicherweise der Staat dafür haftbar gemacht werden könnte, wenn er nicht aufpasst und dem Gefangen daher - auch durch eigene Hand - etwas zustösst. Etwas abstrus, weil die ja eh ermordet werden, aber vorstellbar, finde ich.

Gruß,

Malte

bisschen off topic
Hi Burkard,

Die Todesstrafe erhielt damals nicht der Mörder, sondern statt
seiner wurde sein Sohn umgebracht, um dem Mörder das gleiche
Leid zuzufügen wie er dem Vater des Opfers zugefügt hat.

Das ist interessant. Vor allem deshalb, weil ich, als man meinen Sohn mal grundlos in einer Disco zusammenschlug mit Kiefernbruch als Folge, überlegte, dass man den Täter nur den gleichen medizinischen Tortouren unterziehen sollte, die mein Sohn damals erleiden musste.

Gruß,

Anja

Strafrechtstheorien Europa, USA
Hallo!
Vielleicht ist hier eine kurze Darstellung der wichtigsten Strafrechtsthorien interessant:
Lange Zeit war die absolute Strafrechtstheorie maßgeblich. Strafzweck war ausschließlich die Vergeltung, die „Negation der Negation“ (Hegel), indem das Verbrechen durch die Strafe aufgehoben wird. Jedem soll das widerfahren, was die Tat wert ist; die Blutschuld möge nicht am Volk haften, das auf die Bestrafung nicht gedrungen hat (Kant). Die absolute Strafrechtstheorie wird heute fast durchwegs abgelehnt, weil der Zweck des Strafrechts im Schutz der Gesellschaft gesehen wird.
Es bildete sich die relative Strafrechtstheorie heraus (deren Wurzeln sich aber schon auf Cicero, Protagoras, Seneca zurückführen lassen). Zweck der Strafe ist die Verbrechensvorbeugung durch Einwirkung (Abschreckung, Resozialisierung, psychologischer Zwang etc.) auf den Einzelnen (Spezialprävention) und die Allgemeinheit (Generalprävention). Es bereitet aber Probleme, die Prävention mit dem Schuldstrafrecht (Strafbemessung nach der Schuld des Täters) in Einklang zu bringen.
Führend in Deutschland ist eine Vereinigungstheorie, die Schuldausgleich und Prävention verbindet. Umstritten ist dabei die Relevanz der Vergeltung als Strafzweck. In Österreich werden dazu verschiedene Ansichten vertreten (z.B. präventive Vereinigungstheorie).
Um zum amerikanischen Recht zurückzukommen: weiter oben habe ich etwas zur US-amerikanischen Straftheorie der retribution geschrieben. Diese enthält starke Elemente der hierzulande als überholt geltenden absoluten Strafrechtstheorie und erscheint aus europäischer Sicht auch deshalb problematisch, weil ein religiös determinierter Gerechtigkeitsbegriff in einem säkularisierten Strafrecht keinen Platz haben sollte.
Grüße, Peter

2 Like