Toilette im Zug - Fahrgastrecht?

Hallo,

angenommen es gibt eine Privatbahn (Nahverkehr) die von der Anfangs- bis zur Endhaltestelle rund 2,5 Stunden unterwegs ist und in dieser funktioniert das einzige WC regelmaessig nicht.

(Der Abwassertank der Toilette ist dort meist gegen Mittag voll und bis zum Abend bleibt das WC dann geschlossen - und das taeglich.)

Ist das rechtlich zulaessig oder hat der Fahrgast ein Recht auf eine Toilette? Kennt jemand auch ein paar passende Paragraphen bzw. Gerichtsentscheidungen?

Gruss und Dank

Desperado

Gerichtsentscheidungen?

AG (!!!) Frankfurt Az 32 C 261/01-84

Zusatzfrage
Hi,

ich habe als Rechtsunkundiger folgende Zusatzfrage, die mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun hat:

Mit Hilfe von Google ist es ja kein Problem, Medienberichte zu dem genannten Urteil zu finden, woraus man erfährt, worum es ging. Aber gibt es eine Art juristische Datenbank oder sowas, wo man durch Eingeben des Aktenzeichens Infos oder gar den Urteilstext nachlesen kann?

Viele Grüße

Marco

NJW 2002, 2253
AG Frankfurt a.M., Urteil vom 25. 4. 2002 - 32 C 261/01

Leitsatz:
Die Deutsche Bahn AG ist zur Zahlung eines Schmerzensgelds wegen einer Körperverletzung verpflichtet, wenn sie nicht dafür Sorge trägt, dass auf einer längeren ICE-Fahrt Toiletten im Zug zur Benutzung geöffnet sind.

Zum Sachverhalt:
Der Kl. verlangt von der bekl. Deutschen Bahn AG Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Mängeln auf einer Bahnfahrt. Er trägt vor, dass unter anderem die Toiletten im Zug nicht benutzbar, kein Sitzplatz zur Verfügung stand und der Zug Verspätung hatte. Vorgerichtlich hat die Bekl. bereits für die geschlossenen Toiletten ein Schmerzensgeld von 102,28 Euro bezahlt. Unter Abweisung der Klage im Übrigen hat das AG dem Kl. weitere 300 Euro als Schmerzensgeld zugesprochen.

Aus den Gründen:
Die Klage ist nur zum Teil begründet, §§ BGB § 823 BGB § 823 Absatz I, BGB § 831 BGB § 831 Absatz I, BGB § 847 BGB § 847 Absatz I BGB.

Nach den genannten Vorschriften steht dem Kl. ein Anspruch auf Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld wegen eines Organisationsverschuldens der Bekl. zu. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im ICE 1653 von Frankfurt nach Dresden am 14. 7. 2000 alle Toiletten bis auf eine wegen Wassermangels geschlossen waren. Dies ergibt sich aus der von dem Kl. vorgelegten Bescheinigung der Bekl. vom 6. 4. 2001 zum Ermittlungsverfahren der StA Berlin. Die Bescheinigung hat unter anderem folgenden Wortlaut: „Fahrzeug 411229 (Speisewagen) meldet als einziger keinen Wassermangel. Dieser Wagen wird als einziger regelmäßig nachts gefüllt, alle anderen Fahrzeuge sollten in der Nacht vom 12. 7. auf 13. 7. zur Laufwerksuntersuchung in Leipzig befüllt werden. Anhand der Daten kann dies weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, die Befüllung der Mittelwagen wird von der Diagnose nicht befasst. Tatsächlich waren zum Abfahrtszeitpunkt um 15.23 Uhr bis auf ein WC alle anderen wegen Wassermangel nicht benutzbar”.

Diese Angaben der Bekl. werden bestätigt durch die Aussage des Zeugen F vor dem erkennenden Gericht. Dieser hat angegeben, am 14. 7. mit dem auch vom Kl. benutzten ICE gefahren zu sein. Der Zeuge hat erklärt, dass er die Toilette dringend benutzen musste und jedenfalls vier Toiletten von ihm verschlossen aufgefunden wurden. Der Zeuge hat hierzu angegeben, ihm sei erklärt worden, diese Toiletten würden automatisch abgesperrt. Der Zeuge brauchte zum Durchschreiten der Waggons auf der Suche nach einer freien Toilette auf Grund der starken Überfüllung etwa eine Viertelstunde. Als der Zeuge F schließlich eine Zugbegleiterin antraf und diese ultimativ aufforderte, ihm eine benutzbare Toilette zur Verfügung zu stellen, habe diese eine Toilette aufgeschlossen, die auch funktionsfähig war.

Das Gericht sieht nach dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme die klägerische Sachverhaltsdarstellung als erwiesen an, wonach der Kl. sich zwei Stunden mit seinem dringenden Bedürfnis quälen musste, weil er keine freie Toilette fand.

Für diesen Missstand ist die Bekl. einstandspflichtig. Denn die Bekl. hat es versäumt, dem quasi im Zug eingeschlossenen Kl. und den weiteren Fahrgästen die Möglichkeit einer Toilettenbenutzung einzuräumen.

Dass überhaupt nur eine Toilette noch funktionsfähig war, diese jedoch von außen verschlossen war, reicht nicht aus, um dieser Pflicht der Bekl. zu genügen. Dies gilt um so mehr, als der Zug sehr voll und streckenweise überfüllt war. Letzteres ergibt sich sowohl aus dem von der Bekl. vorgelegten Zählzettel als auch aus den Angaben des Zeugen F. Dieser hat angegeben, dass der Zug so überfüllt gewesen sei, dass man kaum noch durch die Gänge kam und dabei mehrfach über dort lagernde Personen und Gepäck steigen musste. Auch der Zeuge F hätte wie alle anderen Reisenden auch während der gesamten Fahrt nur verschlossene Toiletten vorgefunden, wenn er nicht zufällig auf die Zugbegleiterin gestoßen wäre und diese sehr nachdrücklich zur Verfügungstellung einer Toilette aufgefordert hätte.

Die Bekl. haftet für diesen Organisationsmangel, weil sie es unterlassen hat, sicherzustellen, dass die Toiletten ordnungsgemäß befüllt und damit benutzbar sind, insbesondere aufgeschlossen und somit für die Reisenden zugänglich. die Bekl. hat auch keinerlei Vortrag dazu gehalten, welche Maßnahmen sie gegebenenfalls getroffen hat, um die Benutzbarkeit der Toiletten sicherzustellen. Aus der von ihr vorgelegten Bescheinigung vom 6. 4. 2001 ergibt sich, dass die Bekl. noch nicht einmal nachvollziehen kann, ob die vorgesehene Frischwasserbefüllung der Wagen überhaupt stattgefunden hat. Dass darüber hinaus die Zugbegleiter die einzige noch intakte Toilette nur dann aufschließen, wenn mit drastischen Konsequenzen gedroht wird, stellt ebenfalls keine adäquate Anweisung und Kontrolle der von der Bekl. beschäftigten Hilfspersonen dar.

Die Bekl. hat damit tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft die Gesundheit des Kl. beschädigt, indem dieser während zwei Stunden seinem dringenden Bedürfnis, auf die Toilette zu gehen, nicht nachkommen konnte.

Das Gericht erachtet dafür einen Schmerzensgeldanspruch des Kl. in Höhe von weiteren 300 Euro für angemessen. Bei der Schmerzensgeldbemessung hat das Gericht sowohl Heftigkeit und Dauer der Unannehmlichkeiten des Kl. als auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bet. und den Grad des Verschuldens berücksichtigt, § ZPO § 287 ZPO. Zu Lasten der Bekl. hat sich dabei insbesondere die Höhe des Verschuldens als auch deren wirtschaftliche Position ausgewirkt. Nachdem der Kl. die vorgerichtlich von der Bekl. bereits geleisteten 102,28 Euro auf seinen Schmerzensgeldanspruch angerechnet hat, ist die jetzt noch zugesprochene Summe erforderlich, aber auch ausreichend, der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des von der Bekl. zu leistenden Schmerzensgeldes Rechnung zu tragen.

Weitere Ansprüche stehen dem Kl. nicht zu. Der Kl. hat keinen Anspruch wegen einer Nichtversorgung mit warmen Speisen und Getränken auf der Rückfahrt am 16. 7. 2000. Der Kl. trägt selbst vor, dass die Versorgung mit dem rollenden Zugkiosk gewährleistet war. Insofern stellt sich der Wegfall lediglich warmer Speisen und Getränke als bloße Unannehmlichkeit dar, die vom Kl. entschädigungslos hinzunehmen ist. Die Situation ist dabei ähnlich der, dass von einem Reisenden gewünschte Speisen bereits ausverkauft sind.

Der Kl. hat auch keinen Anspruch wegen der Nichtzuverfügungstellung eines Sitzplatzes auf der Fahrt vom 14. 7. 2000. Dies ergibt sich aus § EVO § 13 EVO § 13 Absatz II EVO. In Abs. 2 Nr. 6 EVO ist geregelt, dass der Reisende lediglich das Recht hat, die Fahrt abzubrechen oder gegen Erstattung des Preisunterschieds von der 1. Klasse in die 2. Klasse zu wechseln.

Der Kl. hat auch keinen Anspruch wegen der Verspätung des Zugs vom 16. 7. 2000. Dies ergibt sich aus § EVO § 17 EVO.

Hallo,

Nach den genannten Vorschriften steht dem Kl. ein Anspruch auf
Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld wegen eines
Organisationsverschuldens der Bekl. zu. Denn nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest,
dass im ICE 1653 von Frankfurt nach Dresden am 14. 7. 2000
alle Toiletten bis auf eine wegen Wassermangels geschlossen
waren.

warum wird hier eigentlich nicht geprüft, ob eine Toilette in einem Zug überhaupt vorzuhalten ist (bspw. weil es vertraglich zugesichert wurde oder weil es aus einer Rechtsvorschrift abzuleiten ist)? Ein Linienbus, der ja durchaus auch mal eine längere Strecke fährt, hat ja auch keine Toilette an Bord.

Gruß
Christian

Richtiger Einwand
Hallo,

Nach den genannten Vorschriften steht dem Kl. ein Anspruch auf
Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld wegen eines
Organisationsverschuldens der Bekl. zu. Denn nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest,
dass im ICE 1653 von Frankfurt nach Dresden am 14. 7. 2000
alle Toiletten bis auf eine wegen Wassermangels geschlossen
waren.

warum wird hier eigentlich nicht geprüft, ob eine Toilette in
einem Zug überhaupt vorzuhalten ist (bspw. weil es vertraglich
zugesichert wurde oder weil es aus einer Rechtsvorschrift
abzuleiten ist)? Ein Linienbus, der ja durchaus auch mal eine
längere Strecke fährt, hat ja auch keine Toilette an Bord.

dem kann ich nur zustimmen.

Zudem:

Im Ursprungsposting geht es um eine "Privatbahn (Nahverkehr) die von der Anfangs- bis zur Endhaltestelle rund 2,5 Stunden unterwegs ist, angeführt wird hier ein Urteil, in dem es um die Reise mit einem „ICE 1653 von Frankfurt nach Dresden“ geht. Da bestehen doch zumindest marginale Unterschiede. Bei einem ICE kann man eben nicht mal so eben aussteigen und an den nächsten Baum.

In Hamburg verkehrt eine gewöhnliche S-Bahn (ohne Toiletten), die von Anfangs- bis Endstation mehr als 100 Minuten unterwegs ist. Gebe es eine Toilettenpflicht, würde diese Bahn sicher nicht verkehren.

Gruß

S.J.

Schön,
aber wie findet der Laie sowas, das hatte Marco gefragt?
Und noch eien Zusatzfrage von mir - sind die Urteile selbst auch so mit Abkürzungen vollgestopft, daß der gemeine Leser immer erstmal nachdenken muß, was der Richter da schreiben wollte?

Cu Rene

aber wie findet der Laie sowas, das hatte Marco gefragt?

Die wichtigsten juristischen Datenbanken heißen Juris und Beck online. Sie eignen sich hervorragend, sind aber kostenpflichtig und nicht gerade billig.

Und noch eien Zusatzfrage von mir - sind die Urteile selbst
auch so mit Abkürzungen vollgestopft, daß der gemeine Leser
immer erstmal nachdenken muß, was der Richter da schreiben
wollte?

Nein, spezielle Abkürzungen tauchen in Urteilen kaum auf. Das passt schon.

Hallo,

warum wird hier eigentlich nicht geprüft, ob eine Toilette in
einem Zug überhaupt vorzuhalten ist (bspw. weil es vertraglich
zugesichert wurde oder weil es aus einer Rechtsvorschrift
abzuleiten ist)? Ein Linienbus, der ja durchaus auch mal eine
längere Strecke fährt, hat ja auch keine Toilette an Bord.

es gibt keine Bestimmung, die das Vorhandensein von Toiletten in Eisenbahnen regelt. Wie schon angemerkt, verkehren seit einigen Jahren durchgängige S-Bahnen von Stade bis Pinneberg, ohne dass diese eine Toilette hätten.

In einem Fernverkehrszug sind jedoch standardmäßig Toiletten vorhanden und bei sorgfältiger Organisation auch betriebsbereit. Bis dahin kann man die Argumentation des Gerichts nachvollziehen. Jedoch hält auch ein FV-Zug in regelmäßigen Abständen. Man kann an einem Unterwegsbahnhof aussteigen und dort auf die Toilette gehen. Natürlich bedeutet das auch, dass man den nächsten Zug nehmen muss. Dennoch halte ich das zitierte Urteil letztendlich für falsch. Das Gericht wollte vermutlich das Fehlverhalten des EVU sanktionieren, das unzweifelhaft vorhanden war.

Dem TE würde ich empfehlen, sich an den SPNV-Aufgabenträger der betroffenen Nahverkehrslinie zu wenden. Dieser ist auch für die Qualitätssicherung zuständig. Ist der Aufgabenträger nicht bekannt, kann ich ihn nach Angabe der Linie gerne benennen.

Gruß
Ultra

Hallo,

In einem Fernverkehrszug sind jedoch standardmäßig Toiletten
vorhanden und bei sorgfältiger Organisation auch
betriebsbereit. Bis dahin kann man die Argumentation des
Gerichts nachvollziehen. Jedoch hält auch ein FV-Zug in
regelmäßigen Abständen. Man kann an einem Unterwegsbahnhof
aussteigen und dort auf die Toilette gehen. Natürlich bedeutet
das auch, dass man den nächsten Zug nehmen muss.

darauf wollte ich hinaus. M.E. kann dem Reisenden zugemutet werden, auszusteigen, allerdings müßte ihn die Bahngesellschaft dann anschließend ohne Aufschläge zum Zielort weiterbefördern. Ich hätte erwartet, daß das Gericht prüft, inwiefern das Unternehmen eine Vertragsverletzung begangen hat - bspw. indem eine eigentlich versprochene Toilette nicht vorhanden war.

Einfach einen Anspruch auf Schmerzensgeld zu postulieren, halte ich für zu kurz gegriffen.

Gruß
Christian

Hallo,

bei der Argumentation beißt sich die Katze ein wenig in den Schwanz. Denn eine Pflicht, auf Bahnhöfen Toiletten vorzuhalten, gibt es auch nicht.

VG
EK