NJW 2002, 2253
AG Frankfurt a.M., Urteil vom 25. 4. 2002 - 32 C 261/01
Leitsatz:
Die Deutsche Bahn AG ist zur Zahlung eines Schmerzensgelds wegen einer Körperverletzung verpflichtet, wenn sie nicht dafür Sorge trägt, dass auf einer längeren ICE-Fahrt Toiletten im Zug zur Benutzung geöffnet sind.
Zum Sachverhalt:
Der Kl. verlangt von der bekl. Deutschen Bahn AG Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Mängeln auf einer Bahnfahrt. Er trägt vor, dass unter anderem die Toiletten im Zug nicht benutzbar, kein Sitzplatz zur Verfügung stand und der Zug Verspätung hatte. Vorgerichtlich hat die Bekl. bereits für die geschlossenen Toiletten ein Schmerzensgeld von 102,28 Euro bezahlt. Unter Abweisung der Klage im Übrigen hat das AG dem Kl. weitere 300 Euro als Schmerzensgeld zugesprochen.
Aus den Gründen:
Die Klage ist nur zum Teil begründet, §§ BGB § 823 BGB § 823 Absatz I, BGB § 831 BGB § 831 Absatz I, BGB § 847 BGB § 847 Absatz I BGB.
Nach den genannten Vorschriften steht dem Kl. ein Anspruch auf Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld wegen eines Organisationsverschuldens der Bekl. zu. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im ICE 1653 von Frankfurt nach Dresden am 14. 7. 2000 alle Toiletten bis auf eine wegen Wassermangels geschlossen waren. Dies ergibt sich aus der von dem Kl. vorgelegten Bescheinigung der Bekl. vom 6. 4. 2001 zum Ermittlungsverfahren der StA Berlin. Die Bescheinigung hat unter anderem folgenden Wortlaut: „Fahrzeug 411229 (Speisewagen) meldet als einziger keinen Wassermangel. Dieser Wagen wird als einziger regelmäßig nachts gefüllt, alle anderen Fahrzeuge sollten in der Nacht vom 12. 7. auf 13. 7. zur Laufwerksuntersuchung in Leipzig befüllt werden. Anhand der Daten kann dies weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, die Befüllung der Mittelwagen wird von der Diagnose nicht befasst. Tatsächlich waren zum Abfahrtszeitpunkt um 15.23 Uhr bis auf ein WC alle anderen wegen Wassermangel nicht benutzbar”.
Diese Angaben der Bekl. werden bestätigt durch die Aussage des Zeugen F vor dem erkennenden Gericht. Dieser hat angegeben, am 14. 7. mit dem auch vom Kl. benutzten ICE gefahren zu sein. Der Zeuge hat erklärt, dass er die Toilette dringend benutzen musste und jedenfalls vier Toiletten von ihm verschlossen aufgefunden wurden. Der Zeuge hat hierzu angegeben, ihm sei erklärt worden, diese Toiletten würden automatisch abgesperrt. Der Zeuge brauchte zum Durchschreiten der Waggons auf der Suche nach einer freien Toilette auf Grund der starken Überfüllung etwa eine Viertelstunde. Als der Zeuge F schließlich eine Zugbegleiterin antraf und diese ultimativ aufforderte, ihm eine benutzbare Toilette zur Verfügung zu stellen, habe diese eine Toilette aufgeschlossen, die auch funktionsfähig war.
Das Gericht sieht nach dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme die klägerische Sachverhaltsdarstellung als erwiesen an, wonach der Kl. sich zwei Stunden mit seinem dringenden Bedürfnis quälen musste, weil er keine freie Toilette fand.
Für diesen Missstand ist die Bekl. einstandspflichtig. Denn die Bekl. hat es versäumt, dem quasi im Zug eingeschlossenen Kl. und den weiteren Fahrgästen die Möglichkeit einer Toilettenbenutzung einzuräumen.
Dass überhaupt nur eine Toilette noch funktionsfähig war, diese jedoch von außen verschlossen war, reicht nicht aus, um dieser Pflicht der Bekl. zu genügen. Dies gilt um so mehr, als der Zug sehr voll und streckenweise überfüllt war. Letzteres ergibt sich sowohl aus dem von der Bekl. vorgelegten Zählzettel als auch aus den Angaben des Zeugen F. Dieser hat angegeben, dass der Zug so überfüllt gewesen sei, dass man kaum noch durch die Gänge kam und dabei mehrfach über dort lagernde Personen und Gepäck steigen musste. Auch der Zeuge F hätte wie alle anderen Reisenden auch während der gesamten Fahrt nur verschlossene Toiletten vorgefunden, wenn er nicht zufällig auf die Zugbegleiterin gestoßen wäre und diese sehr nachdrücklich zur Verfügungstellung einer Toilette aufgefordert hätte.
Die Bekl. haftet für diesen Organisationsmangel, weil sie es unterlassen hat, sicherzustellen, dass die Toiletten ordnungsgemäß befüllt und damit benutzbar sind, insbesondere aufgeschlossen und somit für die Reisenden zugänglich. die Bekl. hat auch keinerlei Vortrag dazu gehalten, welche Maßnahmen sie gegebenenfalls getroffen hat, um die Benutzbarkeit der Toiletten sicherzustellen. Aus der von ihr vorgelegten Bescheinigung vom 6. 4. 2001 ergibt sich, dass die Bekl. noch nicht einmal nachvollziehen kann, ob die vorgesehene Frischwasserbefüllung der Wagen überhaupt stattgefunden hat. Dass darüber hinaus die Zugbegleiter die einzige noch intakte Toilette nur dann aufschließen, wenn mit drastischen Konsequenzen gedroht wird, stellt ebenfalls keine adäquate Anweisung und Kontrolle der von der Bekl. beschäftigten Hilfspersonen dar.
Die Bekl. hat damit tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft die Gesundheit des Kl. beschädigt, indem dieser während zwei Stunden seinem dringenden Bedürfnis, auf die Toilette zu gehen, nicht nachkommen konnte.
Das Gericht erachtet dafür einen Schmerzensgeldanspruch des Kl. in Höhe von weiteren 300 Euro für angemessen. Bei der Schmerzensgeldbemessung hat das Gericht sowohl Heftigkeit und Dauer der Unannehmlichkeiten des Kl. als auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bet. und den Grad des Verschuldens berücksichtigt, § ZPO § 287 ZPO. Zu Lasten der Bekl. hat sich dabei insbesondere die Höhe des Verschuldens als auch deren wirtschaftliche Position ausgewirkt. Nachdem der Kl. die vorgerichtlich von der Bekl. bereits geleisteten 102,28 Euro auf seinen Schmerzensgeldanspruch angerechnet hat, ist die jetzt noch zugesprochene Summe erforderlich, aber auch ausreichend, der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des von der Bekl. zu leistenden Schmerzensgeldes Rechnung zu tragen.
Weitere Ansprüche stehen dem Kl. nicht zu. Der Kl. hat keinen Anspruch wegen einer Nichtversorgung mit warmen Speisen und Getränken auf der Rückfahrt am 16. 7. 2000. Der Kl. trägt selbst vor, dass die Versorgung mit dem rollenden Zugkiosk gewährleistet war. Insofern stellt sich der Wegfall lediglich warmer Speisen und Getränke als bloße Unannehmlichkeit dar, die vom Kl. entschädigungslos hinzunehmen ist. Die Situation ist dabei ähnlich der, dass von einem Reisenden gewünschte Speisen bereits ausverkauft sind.
Der Kl. hat auch keinen Anspruch wegen der Nichtzuverfügungstellung eines Sitzplatzes auf der Fahrt vom 14. 7. 2000. Dies ergibt sich aus § EVO § 13 EVO § 13 Absatz II EVO. In Abs. 2 Nr. 6 EVO ist geregelt, dass der Reisende lediglich das Recht hat, die Fahrt abzubrechen oder gegen Erstattung des Preisunterschieds von der 1. Klasse in die 2. Klasse zu wechseln.
Der Kl. hat auch keinen Anspruch wegen der Verspätung des Zugs vom 16. 7. 2000. Dies ergibt sich aus § EVO § 17 EVO.