Zunächst einmal muss man festhalten, dass bei allem berechtigten Gemecker über die Qualität von bereits abgenommenen Militärfahrzeugen, Überschreitung von Kosten- und Zeitbudgets bei öffentlichen Bauprojekten und den Unzulänglichkeiten Softwarelösungen, Formularen usw. immer eines fehlt, nämlich der Vergleich mit dem Ablauf gleichartiger Projekte im Ausland. Wirklich gute Vergleichsmöglichkeiten dürften da die wenigsten haben und selbst was die deutschen Projekte angeht, kennen die meisten von uns lediglich das Ergebnis bzw. den Teil des Ergebnisses, der publik wird.
Drei Anekdoten möchte ich in dem Kontext erzählen.
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Vor vielen, vielen Jahren hatte ich einen Kunden, der Schienenbauprojekte für die Bahn durchführte. Nach eigenem Bekunden verdiente er am eigentlichen Bauprojekt kein Geld und bot auch gezielt so auf die Ausschreibungen. Die eigentliche Kohle wurde an den Dingen verdient, die in der Ausschreibung vergessen oder ungenau bezeichnet worden waren. Also z.B. Mehraufwand wegen eines anderen Untergrundes als gedacht, es wurde die Entfernung eines Teils eines Hügels ausgeschrieben, aber der Abtransport/die Entsorgung vergessen usw. Weil der Unternehmer um die mangelhaften Ausschreibungen wusste und gezielt auf solche bot, konnte er niedriger bieten und am Ende dennoch Geld verdienen.
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Vor vielen, vielen Jahren hatte ich einen Kunden, der Geräte zum Tunnelbau entwickelte und herstellte. Auftraggeber waren staatliche, aber auch private Stellen. Es wurde ein großes Tunnelbauprojekt im Süden Europas ausgeschrieben, mein Kunde bekam den Auftrag. Bei der Ausführung stellte sich heraus, dass der Grund, durch den gegraben werden sollte, ein ganz anderer war, als gedacht. In der Ausschreibung war dieser Fall berücksichtigt worden und die Risiken lagen ganz klar beim Auftragnehmer.
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Ich habe sowohl bei staatlichen als auch einem privaten Kreditinstitut gearbeitet. Beim privaten KI kam mindestens einmal im Jahr ein Inhaber vorbei und fragte, wo denn sein Geld geblieben sei, wenn wir bei einem Ausfall welches verloren hatte. Das führte schon irgendwie dazu, dass man bei der Kreditvergabe eher vorsichtig war. Bei einem staatlichen Kreditinstitut hatte ich in mehreren Einheiten über die Jahre die Gelegenheit, einen großen Überblick über quasi das gesamte Kreditportfolio bzw. die Neugeschäfte zu bekommen. Aus dem, was ich da zu sehen bekam, konnte man nur die Schlussfolgerung ziehen, dass den Leuten bis hin zu den höchsten Ebenen persönlich scheißegal war, ob das geliehene Geld zurückkam. Die große Klammer war: das ist das Geld anderer Leute und wenn es alle ist, verlangen wir neues.
Zurück zur Bundeswehr: es ist nicht so, dass bei der Bundeswehr jemand zur Sekretärin geht und die bittet, aus dem Katalog 150 Schützenpanzer, 30 Bergepanzer und 50 Amphibienfahrzeuge zu bestellen. Natürlich kauft man auch Produkte aus ausländischer Fertigung, bei denen man bei der Entwicklung keinen großen Einfluss nehmen kann, wobei man aber auch da gerne mal Sonderlocken bestellt, was am Ende zu einem unbefriedigenden Ergebnis führt (vgl. Starfighter). Insbesondere bei Gerät, bei dem die Bundeswehr Erstkäufer ist, nimmt die Bundeswehr (bzw. die Beschaffungsbehörde, s.u.) über die formulierten Anforderungen starken Einfluss auf die Entwicklung und dementsprechend auch auf die Fähigkeiten.
Für die Bundeswehr übernimmt das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr die Beschaffung und nach allem, was man so hört, sitzen da viele Leute, die gerne beschaffen und bei der Konstruktion und Beschaffung mitreden, aber die halt weder Soldaten noch Kaufleute sind.
Ich las früher (vor etwa 20 Jahren) mit großer Begeisterung die Jahresberichte des Bundesrechnungshofes und seltsamerweise tauchte das Bundesverteidigungsministerium mit seinen nachgeordneten Behörden und natürlich der Bundeswehr recht oft in den Berichten auf. U.a. erinnere ich mich noch an ein Amphibienfahrzeug, das sich als vollkommen untauglich für den geplanten Einsatzzweck herausstellte, weil man zwar viel an Ausstattung und Anforderungen aufgeschrieben hatte, aber leider kein Höchstgewicht definiert hatte, so dass das Ding in der vorgestellten Fassung schlichtweg absoff. Das Desaster um das G36 geht in eine ähnliche Richtung.
Der langen Rede kurzer Sinn: wir wissen nicht, was da schiefgelaufen ist. Einen Rückschluss auf die Tauglichkeit der deutschen Waffensysteme lässt das, was vorgefallen ist, nicht zu. Viele Waffensysteme deutscher Hersteller sind ja Exportschlager, was ja für die Qualität spricht (vgl. auch die Luftabwehrsysteme, die an die Ukraine geliefert wurden). Dass wir die Systeme bei der BW nicht ans Laufen bekommen bzw. am Laufen halten können, ist m.E. weniger ein Problem der Produkte bzw. der Hersteller an sich, sondern ein Ausfluss der Beschaffungsvorgänge und natürlich der Instandhaltung und der generellen Finanzierung und Organisation der BW und der angelagerten Behörden.
Auch dazu ergänzend noch ein Thread von Herrn Winkelsdorf:
(2) Lars Winkelsdorf auf Twitter: „Nun verrate ich mal das grosse Staatsgeheimnis, was bei der Bundeswehr so schief läuft bei den Beschaffungen Um das aufzuzeigen, nehme ich das Beispiel von Harry: 1/x“ / Twitter