Traumstrukturen
Hi Anna
wenn man Traumszenarien studiert mit ihren räumlich-zeitlichen, gegenständlichen und personalen Paradoxien, dann sieht man, daß dein Traumbild, in dem die im ersten Eindruck vermeintlich geträumte Person in eine (vermeintlich) andere switcht, also im zeitlichen Nacheinander, fast etwas alltägliches ist (Branden wies ja schon darauf hin). Es ist da weit und breit nichts von „Verrücktheit“ drin und erst recht nichts Erbliches Das gehört einfach zum Repertoire möglicher Traumphänomene.
Nur ein Beispiel: Ich stehe mit Peter vor dem Traualtar und sage „ja“ zu Hans.
Es kommt auch häufig vor, daß eine Traumgestalt, die man bei der ersten, vorläufigen Traumerinnerung als „Peter“ interpretiert, bei der sensibleren Erinnerung, die man im traumanalytischen Gespräch anstrebt, Eigenschaften aufweist (z.B. „Peter“ hat schwarzes Haar und Zweitagebart), die Peter gar nicht hat (er ist blond und glattrasiert), sondern vielmehr typisch für Hans ist, und daß der Text, den du „Hans“ sagst, sich im Vergleich zur Realität vielmehr auf Fritz bezieht …
Wir haben sogar viele Beispiele von Traumberichten, in denen eine begegnende Traumperson sich im traumanalytischen Gespräch als die Person des Träumers selbst erwies, was dem Träumer weder im Traum, noch bei der Ersterinnerung auffiel …
Also sowohl das Switchen innerhalb einer Traumsszene (sehr sehr oft vor allem im räumlichen und zeitlichen Kontext) als auch die Überlagerung („Verdichtung“) mehrerer Charakteristiken aus verschedenen Kontexten ist sozusagen Standart des Repertoires der Traumgestaltung.
Aber für die Bedeutung des Switchens und der Verdichtung gibt es keinerlei Vorgabe, es muß vor allem überhaupt nicht darauf beruhen, daß zwischen den Bestandteilen (Personen oder anderes) in der Realtität eine Assoziation besteht.
Auch die Traumstimmung oder -atmosphäre ist nicht immer die, die sie innerhalb des Traums und bei der ersten Wacherinnerung zu sein scheint: Auch ein Albtraum z.B. kann sich im Prozess des analytischen Dialogs als eine Art Wunscherfüllung der Phantasie erweisen, bei der der Träumer sich z.B. eine Grenzüberschreitung realisiert, die er sich im Wachbewußtsein nicht auszumalen getraut.
Also für die (fast von jedem Träumer unmittelbar vermutete) zunäüchst verborgene „Bedeutung“ eines Traumgeschehens gibt es keinerlei abstrakte Vorgaben, erst recht nicht auf der Basis des ersten Traumberichtes. Das kommt vielmehr erst im Verlauf eines dafür geeigneten dialogischen Prozesses, in dem der Gesprächspartner dem Träumer auf keinen Fall irgendwelche Deutungsvorschläge machen darf. Das findet der Träumer dabei vielmehr immer selbst. Deutungsvorschläge aufgrund einer (eh nur angedeuteten) niedergeschriebenen Traumerinnerung sind immer absolut sinnlos und irreführend. Das kann ein Fachkundiger bestenfalls einmal machen, wenn er schon einige zig Träume desselben Träumers (und vor allem ihn selbst) kennt …
Siehe dazu auch FAQ:286
Gruß
Metapher