Wenn man, wie ich gerade zufällig, den Artikel oben liest, was man nicht tun braucht, dann erfährt man, dass es uns, also den meisten von euch und mir, besser geht als sämtlichen geschätzten 107.500.000.000 Menschen° neben und vor uns.
Toll!
Wo ist der Haken?
Wir haben hier die Volkskrankheiten Depression und chronisches Rückenleiden (m.E. zum Großteil psychosomatisch mitbedingt), viele Angsstörungen, einen Haufen Alkoholiker, Stressbelastungen, 16 Millionen erwachsene Therapiebedürftige (lt.KBV), hunderttausend tablettenkonsumierende Kinder usw.
Die Frage nach dem Haken liegt also nicht so fern.
In synchroner wie diachroner Hinsicht.
Gruß
F.
° 108 Mrd. ist die Zahl aller Erdbewohner aller Zeiten meines Vertrauens; mag andere Zahlen geben, spielt keine Rolle hier.
nichts wirklich wichtiges zu bedenken oder zu tun zu haben und statt dessen die Menschheit durch des Verfassen derart brillianter um nicht zu sagen nobelpreisverdächtiger Zeitungsartikel „beglücken“ zu dürfen.
Dazu ein letztes Gedankenspiel: Würden Sie Ihr Leben mit dem Ihrer Eltern, Ihrer Großeltern tauschen wollen? Und wenn Nein: Wie viel müsste man Ihnen bezahlen, damit Sie es doch täten?
Ich tendiere stark zu Ja zur ersten Frage.
Meine Oma wurde 102 Jahre alt. Sie hatte ein vergleichsweise ruhiges, karges, arbeitsreiches, bescheidenes, klagefreies, aber weitgehend selbstbestimmtes Leben.
Wenn ich denn so alt werden könnte, was angesichts meiner ausgeprägten Opa-Papa-Bruder-Linie und deren Herzinfarkte äußerst unwahrscheinlich ist, dann nur angesichts vieler Medikamente und Therapien und Glück und permanenter Klagerei ob des besch…en Daseins. Im Vergleich heutzutage.
Arbeitsreich und bescheiden und klagefrei teile ich mit Oma. Zufriedenheit weitgehend auch. Der Rest aber, diese Selbstbestimmtheit, könnte mir ein wenig mehr an Zufriedenheit geben, aber sie wird zunehmend weniger gewährt. Dafür würde ich ein oder zwei Jahre meiner mir unbekannten Lebenszeit vielleicht auch noch geben.
Franz
Der Artikel ist übrigens extrem ätzend.
Vor 200 Jahren wiederum war es Nathan Rothschild, der reicher war als jeder andere. Der Bankier starb 1836 an einer Infektion. Heute hätten ihn Antibiotika im Gegenwert von ein paar Cent gerettet
Er wurde heute auch nicht mehr leben, und wenn, dann würden ihn die Resistenzen nach so langer AB-Einnahme auch dahingerafft haben.
Und dann noch dieses Gewäsch von der Gnade der Geburt, Zufall und so weiter. Wenn ihn morgen jemand zu Tode überfährt, wird sich der Lauf der Welt nicht wesentlich ändern.
Darum hab ich geschrieben, man brauche ihn nicht zu lesen
Der Artikel ist so blöd, dass er aus meiner Sicht in seiner Blödheit durchaus einen Punkt trifft, denn es ist ja nicht zu leugnen, dass wir Zentraleuropäer 2017 in der Tat, was Wohlstand, Annehmlichkeiten, Lebensdauer, Gesundheit usw. anbelangt, am absoluten historischen Gipfelpunkt stehen.
Darauf ist unsere ganze zweckrationale Gesellschaft und unser ganzes Leben hin auch ausgerichtet - und trotzdem spürt man leicht in sich, wie dämlich-banal diese „Aufrechnung“ ist, nach der uns der Autor dann sagt, welch unwahrscheinliches Glück wir gehabt hätten, ins Deutschland dieser Tage geboren zu sein.
woher willst du das wissen? Vielleicht kann man in 50.000 Jahren alle Krankheiten heilen und verschlissene Organe durch Nachzüchtungen aus Stammzellen in nullkommanix austauschen. Vielleicht muss dann niemand mehr arbeiten, um den eigenen Lebensunterhalt zu sichern, aber alle dürfen arbeiten, um sich selbst zu verwirklichen oder die Zeit zu vertreiben oder soziale Kontakte anzubahnen oder zu pflegen …
… vielleicht kommt dann Grauburgunder für alle aus der Wasserleitung … weiß man’s?
Die Diagnosen der Depressionen sind über die Jahre deutlich angestiegen, während die Zahl der Selbstmorde drastisch gefallen ist.
Was sagt uns das?
Es werden immer mehr Depressionen diagnostiziert und behandelt, so dass sich heute viel weniger Leute umbringen, was eine gute Sache ist. In der DDR (dem deiner Meinung nach vermutlich sozialem Paradies) war das nicht so, da war die Selbstmordrate viel höher als in der BRD.
Der Alkoholverbrauch ist seit den 80ern in Deutschland deutlich gesunken.
Deine Schwarzmalerei ist einfach nur frei erfundener Blödsinn.
… den springenden Punk hatte ich vergessen: Wenn wirklich in 50.000 Jahren Grauburgunder für alle aus der Wasserleitung kommt, dann können sich die unwahrscheinlich glücklichen grün und schwarz ärgern, dass sie’s so eilig hatten mit dem auf-die-Welt-kommen und nicht wenigstens noch die läppischen 50 Jahrtausende warten konnten …
Ich würde nicht das Leben einer früheren Generation haben wollen - sie alle haben mindestens einen Krieg erlebt, der zu mehr geführt hat als mehr Straftaten in einzelnen Stadtteilen einiger Städte. Und sie alle lebten in einer Welt, in der jeder mehrere Klassenkameraden durch heute banale Infektionen verloren hat.
Der Zusammenhang ist viel komplexer …
Die Zahlen zum Suizid (der ohnehin deutlich vielgestaltiger ist als dass er nur mit Depression zu tun hätte) sind sowas von schwierig einzuschätzen, weil die Dunkelziffer die Suizidziffer bei weitem übersteigt und zudem stark davon abhängt, was wie definiert wird.
Darum hab ich den auch bewusst nicht angeführt.
Wie kommst du denn auf diesen Trichter?
Mit Sicherheit nicht.
Wie gesagt, mit Selbstmordraten zu argumentieren, ist völlig daneben, weil a) die Zahlen so schwer ermittelbar sind und b) der Selbstmord auch kein geeigneter Indikator für irgendwas ist.
Die Punkte. die ich anspreche, sind doch nun mal einfach belegbar da.
Ich zieh daraus ja auch nicht irgendeine Schlussfolgerung (schon gar keine politische), sondern stelle sie als „andere Wirklichkeit“ der Wirklichkeit des Artikels gegenüber.
Da frage ich mich eher, warum du diese „andere Wirklichkeit“ so energisch abwehrst?
In der Überschrift „vom unwahrscheinlichen Glück, ein heutiger Deutscher zu sein“ steckt eine aufschlussreiche Doppeltheit drin.
Übersetzt man sie als „unwahrscheinlicher Zufall, ein heutiger Deutscher zu sein“, dann ist sie korrekt, aber völlig trivial und nichtssagend.
Versteht man dagegen das Glück als Lebensglück, dann ist der Artikel „dämlich-banal“, weil er über eine Wirklichkeit spricht, die leicht erkennbar nicht die Wirklichkeit des Lebensglücks sein kann.
Wenn das deine Kriterien sind, dann hast du tatsächlich Glück gehabt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort geboren zu sein.
Objektiv betrachtet glaube ich nicht, dass unser heutiges Lebensglück (wie immer man das konkret messen mag; das ist ja sehr schwer greifbar) höher ist als das früherer Generationen. Die Unglücksfaktoren sind andere, die Glücksfaktoren auch.
[quote=„gelöscht, post:3, topic:9424865“]
Arbeitsreich und bescheiden und klagefrei teile ich mit Oma. Zufriedenheit weitgehend auch.
Dein Beitrag klingt aber nicht gerade danach, als wärst du mit deinem Leben zufrieden…
Der Rest aber, diese Selbstbestimmtheit, könnte mir ein wenig mehr an Zufriedenheit geben, aber sie wird zunehmend weniger gewährt
Deine Oma hat 2 Kriege erlebt, wahrscheinlich Existenzängste, wahrscheinlich geliebte Menschen durch Krieg verloren. sie hat in einer Zeit gelebt, in der es, gerade für Frauen, viel weniger Möglichkeiten zur Selbstbestimmtund gab als heute.
Offensichtlich hat sie Freiheit und Reichtum in ihrem Geist gefunden. Etwas, was du auch könntest. Und die Möglichkeiten dafür stehen heute in Deutschland wesentlich besser als vor 100 Jahren. Dank mal drüber nach…
Auch Menschen, die an Orten und in Zeiten leben, wo es Krieg, Krankheit und Elend gibt, können Glück empfinden. Sie können es nicht nur, sondern tun es auch. Andernorts in diesem Forum ist das sogar ein Argument, dass man Leute aus solchen Gegenden wieder dahin zurückschickt.
Aber trotzdem würden diese Menschen in Vergangenheit und Gegenwart einiges dafür geben, ein Leben ohne Krieg, Not und Krankheit zu haben. Wenn ansonsten alles gleich bliebe, wäre das Leben sorgenfreier und damit glücklicher.
Diese lange Abwesenheit von Mangel, Krankheit, Lebensgefahr durch Krieg macht Deutschland im Ausland so beliebt. Da braucht man nur einen us-bürger kennen, der mal hier Urlaub macht und über unsere niedrigen immobilienoreise und die gute Gesundheitsversorgung staunt. Gleichzeitig ist das etwas, was uns nicht bewusst ist - wir singen immer noch das Lied aus Zeiten kurz nach dem Krieg, dass es uns doch hoffentlich mal besser gehen wird und dass vielleicht unsere Kinder mal ein besseres Leben führen werden als wir selber. Ich weiß nicht, ob dieser Gedanke im Artikel steht, ich habe ihn nicht gelesen, aber dieser Widerspruch zwischen Außenwahrnehmung und Innensicht der Deutschen ist schon auffällig.
Und wenn ich dich nun richtig verstanden habe, nimmst du deinen l3bensstil als Selbstverständlichkeit und nicht als etwas erfreuliches, besonderes, Dankbarkeit oder Glück erzeugendes. Das finde ich traurig.
Zum einen die Hoffnung auf ein besseres, sorgenfreieres Leben. Das ist definitiv ein sehr positiver Affekt, der zum Lebensglück beiträgt.
Aus meiner Sicht ist es vor allem das, was wir Deutschen (kollektiv-durchschnittlich) nicht haben können, denn wir können uns ja quasi nur verschlechtern.
Ich glaube, dass z.B. in dem ganzen Flüchtlings-Hass nicht wenig Neid drin steckt, Neid auf deren Hoffnung (der Spruch vom Martin Schulz, „was die Flüchtlinge zu uns bringen, ist wertvoller als Gold … Es ist der unbeirrbare Glaube an [einen] Traum“ war genial; leider wurde ihm der von rechten Krakeelern ständig um die Ohren gehauen), aufs Entkommensein, aufs Hinter-sich-lassen-Können usw.
Der Neid wird halt nicht eingestanden und dann als Hass und als „die nehmen uns was weg“ auf das Neid-Objekt gerichtet.
Der andere Aspekt ist, dass sich das sehr schnell nivelliert.
Auch empirisch nachweisbar übrigens.
Ich glaube, dass wir genau dieses schöne Lied nicht mehr singen können, und dass uns das sehr fehlt. Kollektiv, nicht nur mir persönlich.
Ich beneide meine Eltern definitiv darum, etwas (kollektiv) aufgebaut haben zu können.
Ist mir nicht gelungen, lediglich das Wahren und hedonistische Genießen des Bestehenden.
Das mag mit meiner individuellen Biographie zu tun haben, ist aber sicher auch ein kollektives Schicksal meiner Generation (man denke etwa an die verschiedenen soziologischen Zeitdiagnosen wie Generation Golf, Generation Y, Generation Praktikum, die alle verschiedene Schattenseiten ansprechen.)
„Ich glaube, dass wir genau dieses schöne Lied nicht mehr singen können“
Aber hängt denn das Glück davon ab, dass es uns besser geht als unseren Eltern, oder unserem Nachbarn oder wem auch immer?
Klar möchte man etwas erreichen. Aber wer definiert dabei den Erfolg? Du? Jemand anderes? Möchtest du die gerecht werden, oder einen anderen?
Wir erwarten zu oft Bestätigung von anderen. Das Problem dabei ist, dass die anderen mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind und sich nicht für uns interessieren. Sie sind selbst auf der Suche nach Bestätigung. Also gehen wir leer aus.
Alternativ könnte man sich seine eigenen Vorstellungen erarbeiten. Möchte ich wirklich ein eigenes Haus haben, damit ich erfolgreicher bin als meine Eltern, die nur eine Eigentumswohnung hätten? Oder will ich eigentlich nur zur Miete Wohnen, damit ich weniger Stress habe und zb in Urlaub fahren kann, statt auf Sondertilgungen zu sparen?
Glück ist die Übereinstimmung von unseren Vorstellungen und der Realität. Letztere kann ich nicht ändern, erstere schon. Wohin wollen wir uns denn noch verbessern, wenn wir in einem eigenen Haus im Grünen aufgewachsen sind und unsere Eltern 2 Autos haben? Habe ich nicht alles recht der Welt, stolz auf mich zu sein, und zu sagen „ich habe es geschafft,“ wenn ich einen Job habe, der mir mein Essen und mein Dach über den Kopf zahlt, und das vielleicht noch so gut, dass ich bei beiden nicht auf den Cent schauen muss?
Es ging bei diesem Lied ja um Hoffnung und positive Zukunftserwartungen.
Das ist mit Sicherheit ein entscheidender Faktor für Glück.
Doch, natürlich, das hast du voll und ganz.
Hast du mich so verstanden, dass ich dir das strittig machen wollte?
Es geht mir doch nur darum, dass das offenkundig, und die meisten Menschen in D können sich Essen und Wohnung und noch was obendrauf leisten, eben nicht zu deren Lebensglück reicht. Warum nicht, hat natürlich stets individuelle Gründe, aber eben auch kollektive, sozialpsychologische, z.B. den, dass das soziale Netz brüchiger geworden ist und so bis in die Mittelschicht hinein, das Hartz-IV-Damoklessschwert hängt.
Wir sind uns im wesentlichen einig. Über die Brüchigkeit des sozialen Netzes bin ich mir noch nicht so ganz schlüssig - inwiefern ist sie real oder nur gefühlt? Die veränderte Wertigkeit von Schulabschlüssen, also die Bildungsinflation, ist ja ein Ergebnis des Glaubens, dass man ohne Abi nichts mehr wird. Und nun gibt es schon die ersten Ausbildungen, für die man ein Abi braucht, weil man mit was anderem nicht mehr genug Grundlagen hat. Auf der anderen Seite laufen einem die Ausbildungsbetriebe immer noch hinterher, wenn man einen guten oder sogar sehr guten haupt- oder real- oder gesamtschulabschluss hat. Und dann gibt es keinen Grund, unglücklich zu sein oder gar durch soziale Netze zu fallen (sehr vereinfacht gesprochen, zugegebenermaßen).
Es ist natürlich sehr einfach, zu sagen, wir müssen unseren Blickwinkel verändern und aufhören, immer bessert und höher und weiter zu wollen und sich stattdessen auf das zu konzentrieren, was man hat. Aber der neue Blickwinkel würde helfen oder gar heilen.
Und als gebürtiger Ossi bin ich ja sowieso recht frei von dem immer besser, immer schneller aufgewachsen.