Trauerrituale in unserem Kulturkreis

Hallo,

ich bin mir nicht sicher, ob dies hier die richtige „Kategorie“ ist (Religionswissenschaft und Psychologie sind mir zu… einschränkend gewesen)…
Also:
Gestern haben eine Bekannte und ich uns über „Trauerrituale“ unterhalten und es hat sich gezeigt, wie sehr sich in den letzten Jahren hier vieles verändert hat. Ich kann mich erinnern als vor 20 Jahren meine Eltern starben, wurden sie noch Zuhause aufgebahrt – ich denke bestimmt 2 Tage lang. Und sämtliche Nachbarn, Freunde etc. kamen nach Hause, um zu kondolieren und den Verstorbenen noch mal die letzte Ehre zu erweisen.
Heute werden die Toten kurz vor dem (katholischen) Begräbnis in diesen „Totenkapellen“ (ich weiß nicht mal, wie sie offiziell heißen) aufgebahrt. Irgendwie schiebt unsere (westliche) Gesellschaft den Tod/die Trauer immer weiter von sich weg – was ich persönlich sehr schade finde. Weil… um „genesen“ zu können brauchen wir doch die Trauer.
Um (endlich) zum Punkt meiner „Frage“ bzw. besser gesagt Bitte zu kommen: Mich würde sehr interessieren, wie es früher bei euch war bzw. wie es heute ist – welche „Rituale“ heutzutage leider oder auch Gott sei Dank nicht mehr durchgeführt werden. Gibt es hier auch einen Unterschied zwischen Stadt und Land??
Ich würde mich sehr freuen, wenn mich einige von euch an euren Erfahrungen/Erinnerungen/Gedanken/Geschichten teilnehmen lassen würden.

Liebe Grüße
Nicole

Hi

Als mein Vater noch klein war (also vor nicht ganz 50 Jahren) ging meine Oma immer in die Krematorien „Tote schauen“, also vor allem Bekannte, so flüchtig sie sein mochten, aber auch andere die dort rumlagen. Meinen Vater hat sie mitgeschleppt und es hat ihm NICHT sehr gut getan.
Komischerweise hat sie sich später vor jeder Beerdigung möglichst gedrückt.

Insgesamt ist es in meinem Lebensraum so, dass die Leute nicht oder ungern zur Beerdigung gehen, wenn es regnet. Und es regnet meistens.

Meine Mutter hat mir über Jungmädchenbestattungen berichtet, die in katholischen Gegenden stattfanden und so weit ich mich an einen Artikel hier bei w-w-w vom letzten Jahr erinnere, noch immer stattfinden.
Wenn Mädchen sterben (ca. unter 6 Jahren) wird der meist weiße Sarg nicht von Männern getragen sondern von jungen Mädchen (meistens 6, bis 12 Jahre alt) in ihren Kommunionskleidern und dem verstorbenen Kind werden Tulpen ins Grab geworfen.

Meine Großmutter wurde, als sie starb, im Krankenhaus erst zurechtgemacht und später zum Bestatter überführt. Sie wurde im geschlossenen Sarg in der Friedhofskapelle aufgestellt, wo die Kränze gesammelt wurden Sie war eine sehr wichtige und bekannte Person in dem Ort.

Das Grab wurde mit brauner Erde aufgeschüttet und bekam ein Holzkreuz fürs erste Jahr. Später haben alle Bekannten Blumen gebracht die aufs Grab gepflanzt wurden, den Rest hat die Familie gepflanzt und den Grabstein natürlich.

Gepflegt wird das Grab, weil wir dort nicht leben, von ihren Freundinnen und Bekannten.

Mein Opa hat sich kein Brimborium gewünscht für seine Beerdigung. Er war protestantisch und damit war uns das Gehabe ohnehin fremd, wir ahtten aber einen sehr lieben und verständnisvollen Pastor. Da wir ihn nicht überführen konnten, wurde er hier bestattet. Er wurde nicht aufgebahrt und es gab einen sehr schönen Trauergottesdienst, wo natürlich wesentlich weniger Menschen waren und komischerweise auch ein paar Leute die ich überhaupt nicht kannte.

Bei der Beerdigung danach hats aus allen Kübeln geschüttet, wie es hier eben so üblich ist, lief ziemlich normal. Nach der Beerdigung sammelten sich alle in Autos und fuhren nach Hause zum „Leichenschmaus“. Ich kann dir gar nicht sagen wie sehr ich dieses Wort verabscheue, es löst eine tiefe Aversion in mir aus.
Mir war nicht danach und ich bin nach Hause gelaufen, danach ging es mir besser.

Er wollte keine Kränze (es gab trotzdem zwei), das Grab ist nicht markiert und wir, das heißt meine Eltern, haben nur eine bepflanzte Tonschale daraufgestellt.

Ich wusste mal wo das Grab liegt, jetzt weiß ich es nicht mehr und ich muss es auch nicht wissen, ich war nicht wieder dort und obwohl ich im Jahr öfters über den Friedhof gehe suche ich nicht danach.

Versteh das nicht falsch, ich habe meinen Opa geliebt, aber ich weiß auch dass er sich, wo immer er ist, den Kopf ausschütteln würde, wüsste er, dass ich vor einem Stück bepflanzter Erde stehe.

Ich behalte ihn lieber so in Erinnerung. Und wenn ich ehrlich bin habe ich den Tod meines Großvaters besser überstanden als den meiner Großmutter.

lg
Kate

Hi

Achja:

Oma 1 (lebt noch) und Vater stammen vom Stadtrand, meine Mutter stammt vom Lande und dort ist meine andere Großmutter auch bestattet worden, mein Opa dementsprechend im städtlichen Stadtrandgebiet (ist halt Ruhrgebiet, nicht zu vergleichen mit Stadträndern anderswo)

lg
Kate

Hallo Kate,

vielen lieben Dank für deine Ausführungen und dafür, dass du mir einen (privaten) Einblick gegeben hast. Danke dir!
Ich musste kurz schmunzeln als du meintest, dein Opa würde ohnehin den Kopf schütteln wenn er wüsste, du stündest irgendwo steif vor ner Topfpflanze, um an ihn zu denken. :smile:
Wichtiger als jedes Marmorgrab ist, dass wir Verstorbene im Herzen behalten.

Zudem habe ich noch nie etwas von Jungmädchenbegräbnissen gehört. Das find ich ganz interessant, und ich werde jetzt auch an der Quelle mal nachfragen (na ja, fast an der Quelle), ob es so was auch bei uns gab/oder gar gibt. Gott sei Dank ist es selten, dass man Kinder beerdigen muss.

Jedenfalls noch mal danke!

Liebe Grüße
Nicole

Hallo,

ich bin mir nicht sicher, ob dies hier die richtige
„Kategorie“ ist (Religionswissenschaft und Psychologie sind
mir zu… einschränkend gewesen)…
Also:
Gestern haben eine Bekannte und ich uns über „Trauerrituale“
unterhalten und es hat sich gezeigt, wie sehr sich in den
letzten Jahren hier vieles verändert hat. Ich kann mich
erinnern als vor 20 Jahren meine Eltern starben, wurden sie
noch Zuhause aufgebahrt – ich denke bestimmt 2 Tage lang. Und
sämtliche Nachbarn, Freunde etc. kamen nach Hause, um zu
kondolieren und den Verstorbenen noch mal die letzte Ehre zu
erweisen.
Heute werden die Toten kurz vor dem (katholischen) Begräbnis
in diesen „Totenkapellen“ (ich weiß nicht mal, wie sie
offiziell heißen) aufgebahrt. Irgendwie schiebt unsere
(westliche) Gesellschaft den Tod/die Trauer immer weiter von
sich weg – was ich persönlich sehr schade finde. Weil… um
„genesen“ zu können brauchen wir doch die Trauer.
Um (endlich) zum Punkt meiner „Frage“ bzw. besser gesagt Bitte
zu kommen: Mich würde sehr interessieren, wie es früher bei
euch war bzw. wie es heute ist – welche „Rituale“ heutzutage
leider oder auch Gott sei Dank nicht mehr durchgeführt werden.
Gibt es hier auch einen Unterschied zwischen Stadt und Land??
Ich würde mich sehr freuen, wenn mich einige von euch an euren
Erfahrungen/Erinnerungen/Gedanken/Geschichten teilnehmen
lassen würden.

Hallo Nicole,

als meist nicht befriedigend empfinde ich Beisetzungsfeiern vor Kremationen. Nach der Feier wird der Sarg herausgefahren, abtransportiert oder veschwindet hinter einem Vorhang - jedenfalls nichts endgültiges wie bei einer Erdbestatung. Nach Tagen kommt die Urne zurück, die dann meist im kleinen Familienkreis recht formlos, ohne Blumen, Reden u.ä. beigesetzt wird, dass es schon fast an Verscharren erinnert.

Wolfgang D.

Hallo Wolfgang,

ich selbst war noch nie bei einer Trauerfeier, wo´s um eine Feuerbestattung ging, aber ich kann deine Ansicht nachvollziehen. Symbolhafter ist sicherlich das langsame Hinablassen des Sarges in die Erde, wobei das heute auf vielen Friedhöfen gar nicht mehr gemacht wird. Heute wartet man, bis alle Hinterbliebenen vom Friedhof weg sind, und erst dann wird der Sarg runtergelassen. Vielleicht will die Kirche damit Rücksicht auf die Angehörigen nehmen, ich weiß es nicht. Allerdings finde ich, dass das auch zum „Loslassen“ dazugehört – ist zwar heftig, aber… letzten Endes hilft es irgendwie zu akzeptieren.

Urnenbeisetzungen KÖNNEN bei uns formlos im kleinen Familienkreis gemacht werden, genauso aber ist es auch möglich, nicht mit Sarg sondern mit Urne die Begräbnisfeier in der Kirche zu machen; bzw. wenn man „nur“ eine Urnenbeisetzung will, kann man genauso (nochmals) einen Priester dazubitten, der ein paar Worte spricht – da kommt die Kirche anscheinend sehr entgegen.

Danke für deine Antwort - tut mir leid, dass ich erst jetzt antworte…

Liebe Grüße
Nicole