Hallo Oliver,
ich weiß, du möchtest meine Einwände nicht hören, aber vielleicht akzeptierst du, dass es mir ein Bedürfnis ist, sie zu äußern. 
Ein kritischer Umgang mit Freud ist bestimmt angemessen, aber sind
seine Theorien nicht immer noch sehr nachdenkenswert?
ja, und dabei kommt man auf::
http://people.freenet.de/oliverwalter/Psychotherapie…
Darauf kommt man nur, wenn man den Begriff der Wissenschaft auf die empirisch arbeitende Wissenschaft beschränkt. Diese Beschränkung aber ist ein unberechtigter Reduktionismus, der zwar im Prinzip richtig ist, sich aber eben nicht auf seine eigenen Voraussetzungen erstreckt. Methodologische Konzepte wären ja nach dieser Vorstellung per se nicht wissenschaftlich, weil sie nicht empirisch sind.
Daraus folgt, dass der empirische Wissenschaftsbegriff Popper zwar richtig ist, aber nicht für ein vollständiges Wissenschaftsverständnis ausreicht. Und daraus folgt, dass man der Psychoanalyse zwar keine empirische Wissenschaftlichkeit bescheinigen kann, gleichwohl aber sie trotzdem nich unwissenschaftlich nennen muss.
Der Fehler der Psychoanalyse besteht also nicht darin, unwissenschaftlich zu sein, sondern der Fehler besteht darin, von der Psychoanalyse empirische Wissenschaftlichkeit zu fordern. Dass sich die Psychoanalytiker in der Tat oft so verstanden haben, spricht gegen ihr Verständnis, aber nicht gegen die Psychoanalyse - und eben auch gegen den mit der Abwertung der Psychoanalyse verbundenen empirischen Wissenschaftsbegriff. Denn auch die Konkurrenzunternehmen haben nicht-empirische Wurzeln, was sie gerne vergessen, um sich selbst zu erheben. Damit ist im Übrigen auch keine Abwertung der Konkurrenzunternehmen verbunden, nur ein Kritik an ihrer Überschätzung.
Die Psychologie ist voll von Theorien und Modellen, die weder
freudianisch noch psychoanalytisch sind. Die meisten
funktionieren auch besser.
Bei dieser Bemerkung handelt es sich um eine pragmatische Feststellung, die ebenso nicht-wissenschaftlich ist wie es von der Psychoanalyse behauptet wird. Denn es handelt sich um eine methodologische Aussage, die nicht empirisch falsifizierbar ist. Selbstverständlich ist es richtig, dass sie leichter nachprüfbar sind, aber diese Nachprüfbarkeit ist etwas, das nur empirische Theorien angeht, nicht aber methodologische. Die Konkurrenzunternehman verstehen sich selbst hier falsch, weil sie unter dem Druck, sich als Konkurrenzunternehmen (und nicht als Erweiterungsunternehmen) verstehen zu müssen, ihre eigenen nicht-empirischen Voraussetzungen nicht realisieren wollen.
Das spricht natürlich nicht gegen die Leistungsfähigkeit der Konkurrenzunternehmen, wohl aber gegen ihren Alleinvertretungsanspruch.
Herzliche Grüße
Thomas