Trümmerfrauen

Hallo!
Im Netz findet man Artikel in denen die Meinung vertreten wird, Trümmerfrauen wären im Nachkriegsdeutschland nicht die dominante Erscheinung gewesen, als die sie lange Zeit dargestellt wurden. Es hätte welche gegeben, aber es wäre keine Massenbewegung gewesen. Von anderer Seite wird es vehement bestritten und die Behauptung aufrechterhalten, Deutschland wäre quasi von den „Trümmerfrauen“ wieder aufgebaut worden.

Nun war meine Mutter Kriegsgeneration, hat wacker ihre vier Kinder durchgebracht, aber sie lebte in Minden und wenn ich mich recht erinnere, wusste sie von Trümmerfrauen nichts zu berichten, außer dem, was in den Zeitungen stand.

Ich habe auch im TV einmal einen Bericht gesehen, indem die Sache relativiert wurde, aber wie war es denn nun? Weiß hier jemand richtig gut Bescheid? :wink:
Gruß,
Eva

Ich denke mal, dass die Erinnerungen des Einzelnen auch davon geprägt sein können, wie zerstört der jeweilige Heimatort oder in größen Städten gar nur das eigene Viertel zerbombt war.
An Orten mit wenig Zerstörung wird es naheliegender Weise kaum Trümmerfrauen gegeben haben.
Ansonsten vermute ich mal, dass die aber auch an Orten größter Zerstörung keine dominante Erscheinung waren. Dafür hatten die meisten Frauen in der Tat viel zu viel mit sich und ihren Familien zu tun. Da wurde sicher damals und im nachgang viel propagandistisch aufgeladen, insbesondere was die Darstellung als Massenbewegung angeht.
Würde mich also kaum wundern, wenn die in der DDR viel mehr gefeiert worden sind, als in der BRD.
Die haben damals selbstverständlich mitgeholfen, wie jeder ander, der konnte. Sicher sind auch welche, wie andere, dazu verdonnert worden. Letztlich wird das vor allem ein domografisches Phänomen gewesen sein, weil ja doch ein erheblicher Teil der männlichen Bevölkerung nicht daheim war. Dadurch wird man auf Bildern der Zeit mehr Frauen beim Trümmerräumen sehen. Ob das dann auch noch für den Wiederbau gilt oder gar für die Behauptung reicht, sie hätten das alleine gemacht, kann sicher stark bezweifelt werden.

Nun, die Geschichte deiner Mutter wird schon stimmen.
Ohne Trümmer keine Trümmerfrauen.
und Minden war sicherlich nicht zerbombt oder von Kriegshandlung zerstört.

Also muss auch nicht großflächig aufgeräumt werden und man konnte sich um sein eigens Haus/Wohnung und Garten kümmern.

In den weitgehend zerstörten Groß- und Mittelstädten war das ganz anders.

  1. gab es da reichlich zu tun und 2 ) wurde die Mithilfe angeordnet und mit Lebensmittelmarken belohnt und 3) waren ja hauptsächlich Frauen anwesend. Viele arbeitsfähige Männer waren gefallen oder in Gefangenschaft und noch nicht zurück.

Aber Du hast schon recht. „Trümmerfrauen“ waren keine allgemein oder nur weitverbreitete Erscheinung, Mithilfe ja und das auch keineswegs überall und lange anhaltend.
Hier ein interessanter Bericht der sich auch auf eine wissenschaftliche Studie dazu stützt.

MfG
duck313

Hallo Eva!

Muss sich um einen Mythos handeln. In schwer zerstörten Städten ist es schon rein technisch unmöglich, mit ungelernten Kräften händisch Nennenswertes zu bewirken. Das sind Aufgaben für schweres Gerät mit Leuten, die damit umgehen können. Jungen Leuten wurden in den 60ern Bilder präsentiert, die Frauen in schicken Sommerkleidern auf Schuttbergen, in Eimerketten und beim Steineklopfen zeigten. Schon als Jugendliche zweifelten wir an den Erzählungen, wussten wir doch recht gut, wie Klamotten, Gesichter und Hände schon nach kurzer Arbeit in Staub und Dreck aussehen.

Von nichts gewusst und das Land wieder aufgebaut zu haben, auf dass die jungen Leute gefälligst dankbar zu sein haben, statt lästige Fragen zu stellen, gehörte lange Zeit zu den Behauptungen und Methoden, mit der Vergangenheit fertig zu werden.

Ungeachtet dessen gab es Dienstverpflichtungen insbesondere belasteter Personen und in einigen Städten war die Ausgabe von Lebensmittelkarten an abgeleistete Arbeitsstunden geknüpft. Der Umfang der Dienstverpflichtungen kam in den Westzonen über Symbolisches kaum hinaus. In der sowjetischen Zone ging es während kurzer Zeit härter zur Sache, aber auch dort kam man alsbald zur Einsicht, dass die Schuttberge schweres Gerät und die Sicherung und Herrichtung beschädigter Gebäude Fachleute erforderte. Hausfrauen und Bürohengste können keine eingestürzten Decken und Dachstühle herrichten. So wurden insbesondere Maurer und Zimmerleute für viele Jahre händeringend gesucht.

Eigenleistung am Bau spielte in den ersten Nachkriegsjahren eine ungleich größere Rolle als heute. Ganze Siedlungen entstanden zum beträchtlichen Teil in Eigenleistung. Aber lange Zeit mangelte es am Baumaterial. Neue Mauersteine waren schwer zu bekommen und das Aufbereiten von Steinen aus kriegszerstörten Ruinen, verrußt und/oder mit Mörtelresten, war mühsam. Deshalb gab es Maschinen (gefährliche Sachen, die heute von der Berufsgenossenschaft sofort stillgelegt würden) zur Reinigung der Steine. An solchen Maschinen sowie zum Mischen von Mörtel und für Schlepperei aller Art wurde zuweilen die ganze Familie eingesetzt. Hatte aber nichts mit Lebensmittelkarten und Dienstverpflichtung zu tun, sondern diente der Herstellung der eigenen Behausung.

Gruß
Wolfgang

Danke an alle, die - bis jetzt - geantwortet haben. Sehr interessant. Den von duck313 verlinkten Artikel kannte ich auch und habe davon ausgehend weiter im Netz geforscht, aber viele weitere Webseiten beziehen sich ebenfalls nur darauf, ohne eigene Erkenntnisse beizusteuern.

Ich bin Jahrgang 1954, kenne den Krieg also nur aus den Erzählungen von Eltern und Geschwistern (letztere alle kurz vor und im Krieg geboren). Minden ist nicht so glimpflich davongekommen: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Stadt_Minden#Der_Zweite_Weltkrieg

Meine Mutter wohnte mit den Kindern am Stadtrand, da gab es nicht so schwere Treffer, aber sie haben viele Nächte im Keller gezittert und in der Endphase hörte man das Artilleriefeuer näherrücken. Sie hatte als Kind schon den ersten Weltkrieg erlebt, war von Westpreußen nach Ostpreußen gezogen und dann nach Westfalen. Sie ist zeitlebens noch erschrocken, wenn hier die Sirenen heulten.

Gruß,
Eva

Trümmerfrauen waren die, die nach den Krieg die Steine von den Häuser was davon übrich waren , weck geräumt haben. Männer gab es ja nicht.

Grade gefunden (muss ich die Tage vorher übersehen haben, seufz). Demnach waren die Trümmerfrauen doch ziemlich prägend. Bei Wikipedia steht andererseits: " Die neuere Forschung spricht von einer gezielten Glorifizierung der Trümmerfrauen, die mit der Realität nichts zu tun habe.[2] So sollen viele Fotos inszeniert worden sein.[3][4]" Siehe auch Post von Wolfgang Dreyer. Mir fällt auch auf, dass die Personen auf den Fotos im ersten Link recht adrett aussehen, aber das kann auf alten Aufnahmen auch täuschen.

Vielleicht glaubt man von allem fünfzig Prozent und macht daraus ein Ganzes :smile:
Gruß,
Eva

Hallo Heidelore!

Deutschland hatte zu Beginn des Krieges 1939 knapp 70 Millionen Einwohner (übrigens waren es auf deutlich kleinerem Gebiet nach dem Krieg immer noch knapp 70 Millionen Menschen). Die Hälfte davon männlichen Geschlechts. Die Wehrmacht zählte in der Spitze 1943/44 rund 9,5 Millionen Soldaten.

Überschlagsrechnung: Bei einer Lebenserwartung von damals durchschnittlich 70 Jahren kamen auf jeden Jahrgang rund 1 Mio. Menschen, die Hälfte davon männlich, also 35 Mio. Menschen. Rechnet man die 0 bis 16-Jährigen Jungen (8 Millionen) sowie die über 60-Jährigen Männer (5 Millionen) heraus, bleiben von den 35 Millionen Männern 22 Millionen übrig. Selbst wenn alle max. 9,5 Millionen Soldaten längere Zeit in Kriegsgefangenschaft verschwunden wären (was keineswegs der Fall war), bleiben noch 12,5 Millionen Männer zwischen 17 und 60 Jahren übrig. Nimmt man die 5 Millionen über 60-Jahrigen dazu, gab es 17,5 Millionen Männer. Aber die meisten Kriegsgefangenen waren unmittelbar nach Kriegsende oder nach kurzer Zeit wieder zu Hause, so dass man 1945 ganz sicher von deutlich über 20 Millionen Männern ausgehen kann. Fraglos gab es in etlichen Jahrgängen gravierende Lücken, aber die Aussage „keine Männer“ liegt neben der Sache.

Nach dem Krieg gab es Männer. Sogar zu viele. denn zunächst herrschte Arbeitslosigkeit. Zudem gab es - lange Zeit totgeschwiegen - neben vielen körperlich Kriegsversehrten eine große, nicht genau bezifferbare Anzahl psychischer Wracks. Es entsprach nicht dem damaligen Bild von Männlichkeit, Krieg nicht auszuhalten und als Gestörter nach Hause zu kommen. Alkoholismus und Gewalttätigkeiten waren noch die milden Formen und weit verbreitet.

Das gesamte Arbeitsleben war früher sehr weitgehend von Männern dominiert. Berufstätige Frauen passten nicht zum vorherrschenden Familien- und Frauenbild. Der Bedarf der Rüstungsindustrie hatte daran während der Kriegsjahre gerüttelt, aber nach Kriegsende ging es mit den tradierten Rollenbildern weiter. Dennoch funktionierten Verwaltungen, Industriebetriebe, Handwerk und Handel zuweilen nur Stunden nach Kriegsende, in aller Regel aber binnen kurzer Zeit zwar mit ein paar Einschränkungen, aber grundsätzlich fast wie immer. Männermangel gab es während des Krieges, aber kurze Zeit nach Kriegsende normalisierte sich die Situation.

Männermangel („keine Männer“) gehört zu den Mythen der Nachkriegszeit. Dazu passt das Bild der Trümmerfrauen geradezu ideal.

Es gibt noch mehr solcher Mythen. So lag Deutschland angeblich in Trümmern. Zwar trifft die Aussage verheerender Zerstörungen in vielen Städten zu (ich hab’ noch bruchstückartige Erinnerungen an die Notunterkünfte, in denen wir Anfang der 50er hausten. Die Erinnerungen sind aber so zuverlässig, dass ich die Wohnorte ein halbes Jahrhundert später wiederfand), Es handelte sich um einige Millionen zerstörter Wohnungen und einige Tausend zerbombter Unternehmen, aber der Kern der Substanz des Landes mit seiner Infrastruktur in beträchtlichen Teilen der Städte und in der Fläche war zwar nicht unberührt, jedoch nach kurzer Zeit wieder funktionsfähig. Verwaltung, Verkehrswege, der überwiegende Teil der Kraftwerke und ungezählte Unternehmen konnten beinahe nahtlos ihren Betrieb wieder aufnehmen. In den Trümmern der Innenstädte von Berlin und Hamburg funktionierte kurz nach Kriegsende sogar der Öffentliche Nahverkehr. Strom, Wasser, Abwasser, Telefon - von wenigen Ausnahmen abgesehen funktionierte alles sofort oder nach wenigen Wochen.

Ein weiterer Mythos, den ich mir als Jugendlicher immer wieder anhören musste, war die glatte Lüge, wonach alle nach der Währungsreform mit 40 € neu anfangen mussten. Obwohl daran nicht einmal die Spur von Wahrheit ist, wird der Unfug bis heute nachgeplappert.

In der sowjetischen Besatzungszone waren die Einschnitte der ersten Nachkriegszeit für die Bevölkerung gravierender. Die Flüchtlingswelle aus ehemals östlichen und südöstlichen Gebieten trat dort heftiger auf. Zudem brauchten die Sowjets lange, um den Unsinn von Demontagen zu kapieren (der größte Teil der demontierten Anlagen vergammelt bis heute irgendwo als undefinierbarer Schrott, weil Soldaten nun mal zu doof sind, eine so anspruchsvolle Aufgabe wie die fachgerechte Demontage eines Industriebetriebs zum Wiederaufbau an anderer Stelle durchzuführen). Außerdem begannen die Sowjets alsbald damit, Besitz zu enteignen und Know-how-Träger zu vergraulen, natürlich mit fatalen Folgen für die Industrieproduktion. Zudem machte man Leute, die nicht die geringste Ahnung von Landwirtschaft hatten, zu Landwirten, was jahrelangen Mangel an elementaren Lebensmitteln nach sich zog. Nach Gründung der DDR ging es kaum nennenswert schlauer weiter. Apparatschiks statt Fachleuten mit dem bekannten Ende.

Gruß
Wolfgang

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Hallo,

Einspruch der Herr

Zudem brauchten die Sowjets lange, um den Unsinn von Demontagen zu
kapieren (der größte Teil der demontierten Anlagen vergammelt bis heute
irgendwo als undefinierbarer Schrott, weil Soldaten nun mal zu doof
sind, eine so anspruchsvolle Aufgabe wie die fachgerechte Demontage
eines Industriebetriebs zum Wiederaufbau an anderer Stelle
durchzuführen).

Das war kein Unsinn, sondern wohlüberlegt…Beispiel die Demontage des 2 Streckengleises in der DDR.
Ich besitze eine alte Reichsbahnkarte der RBD Magdeburg aus dem Jahre 1946 und da sieht man ganz deutlich den Sinn dieser Maßnahme.
Das 2.Streckengleis wurde nämlich immer wieder mit Versatz demontiert, so das zum B. auf der Rennbahn Berlin-Magdeburg-Hannover kein Zug mehr mit Höchstgeschwindigkeit verkehren konnte.Damit wurde die Leistungsfähigkeit sämtlicher Strecken mehr als halbiert.
Gleiches galt für die Industriebetriebe.

Hallo Eva,

trenne dich mal von dem Begriff Trümmer , denn damit hatten die Frauen nur in den Großstädten zu tun.

1945 bei Kriegsende waren außer den Frauen jeden Alters nur noch Kinder und alte Männer in den meisten Gegenden Deutschlands vorhanden.

Die jüngeren Männer waren als Kriegsgefangene bei den Besatzern im Einsatz vor allem um Bomben und Munition zu räumen.
Danach dann um wichtige Einrichtungen der Besatzer zu errichten, erst danach wurden zumindest bei den westlichen Allierten diese Männer nach Hause entlassen.
Insoweit lag also in den ersten jahren nach dem Kriege die Hauptlast noch bei den Frauen.

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Hallo !
Wie es auch war ,die Männer waren in Gefangenschaft, mein Vater war in Russland 3-4 Jahre, mein Onkel auch , Trümmerfrauen weis ich nur von Berlin. Ich habe auch schon viele Filme gesehen.

Und dieses Halbieren machte Sinn, wenn man das Eroberte ausquetschen wollte oder wenn man in 14 Tagen am Atlantik stehen wollte?
Und welchen Sinn macht es, dass das Meiste bis heute irgendwo rungammelt? Absicht war ja Demontage und Wiederaufbau. Aber wenn man Oberleitungen samt Tragseilen einfach so auf die Trommel wickelt, eignet sich das eben bestenfalls noch für den Hochofen. Auch die E-Loks, die Richtung Sowjetunion gingen, erwiesen sich dort als unbrauchbar, fuhr man doch im Reich mit Wechselstrom, während man es in der SU Gleichstrom war. Eine andere Spurweite hatten die außerdem noch. Das war also wenig bis gar nicht überlegt, wenn man von einfacher Zerstörungswut absieht. Im Zerstören war man in der Tat erfolgreich. Vor allem war es unsinnig, weil alsbald mit der Elktrifizierung der Strecken begonnen wurde, die man gerade erst abgerissen hatte.

Danke @ alle. Das war sehr interessant :smile:
Gruß,
Eva