Tschernobyl, Atomkraft

Liebe/-r Experte/-in,

Einige Fragen zu Tschernobyl:

1.) Wie lange muss ein Sarg um den Reaktor halten, bis die Strahlung soweit ungefährlich wäre, dass sich der Sarkophag erübrigte?

2.) Wie sieht es mit dem Baufortschritt des neuen Sarkophags aus bzw. was halten Sie von dem Plan?

3.) Wie lange wird es dauern, bis die Strahlung im Umkreis des Reaktors auf relativ ungefährliche Werte gefallen ist?

4.) Muss im havarierten japanischen AKW Fukushima nun ähnlich verfahren werden wie in Tschernobyl?

Vielen Dank

MacMensch

Hallo MacMensch,
sehr interessante Fragen, ich versuche sie kurz und bündig zu beantworten.

zu 1)sehr komplexe Frage, das ist natürlich von dem radioaktiven Element abhängig. Oft wird hierfür mit der Halbwärtszeit gerechnet, das ist die Zeit in der sich die Hälfte des Materials zersetzt hat und damit unschädlich ist. Dazu muss berücksichtigt werden, wie viel Material insgesamt freigesetzt wurde.

für Iod 131 (also 131 Nukleonen) sind dies 8 Tage, danach ist nur noch die Hälfte vorhanden. Nach etwa 512 Tagen ist dann nur noch 1% vorhanden, das wäre schon recht gering und wenig schädlich.

für Uran 235 beträgt die Halbwärtszeit allerdings 700 Millionen Jahre. weitere Rechnungen erübrigen sich dadurch leider.

Somit muss der Sargophag für immer halten, fals Uran (oder Plutonium) austritt.

zu 2)Ein Sarkophag ist die letzte Chance. Zur Zeit ist es noch fraglich wie gut die Kühlung wirkt. Wasserwerfer und Helikopter haben eine zu kleine Leistung (erforderlich sind ca. 2,5 m² pro Sekunde). Die Stromversorgung soll ja bald liegen, fraglich natürlich ob die Pumpen noch funktionieren, fals ja sieht es recht gut aus.

zu 3)Fals jetzt effektiv gekühlt würde ich sagen ist das Gebiet in einigen Wochen wieder ohne Probleme begehbar, da die Radioaktivität durch den Wind sehr weit verdünnt wird.

zu 4)mit ähnlich Verfahren meinst du den Sargophag und eine Sperrzone von etwa 30km? Davon würde ich vorerst nicht ausgehen. Bis jetzt sieht es deutlich besser aus als in Tschernobyl, da sofort Gegenmaßnahmen geleistet wurden. Fraglich bleibt natürlich wie weit sich die Radioaktivität schon ins Grundwasser vorgearbeitet hat, dies könnte in engerer Umgebung kritisch sein. Ich persönlich vertraue da auf die Kooperation zwischen den Staaten, die offenen Kundgebungen und vortgeschrittene Technik (im Gegensatz zu Tschernobyl)

Ich hoffe ich konnte dir etwas helfen, fals noch Fragen bleiben bitte melde dich. Ansonsten können wir nur hoffen, dass alles nochmal gut ausgeht.

Liebe Grüße

Hallo - wer auch immer hinter diesem Pseudonym steckt.

Es freut mich, dass ich zu diesem sehr haarigen Thema befragt werde. Leider stecke ich seit einiger Zeit nicht mehr so tief in der Materie und habe auch keine genauen Daten über das Kraftwerk in Tschernobyl oder Fukushima vorliegen. Somit sind meine Antworten etwas „weich“ und leider nicht so ingenieurwissenschaftlich. Tut mir leid.

Hier meine Gedanken:

Einige Fragen zu Tschernobyl:
Ja, ja!
1.) Wie lange muss ein Sarg um den Reaktor halten, bis die
Strahlung soweit ungefährlich wäre, dass sich der Sarkophag
erübrigte?

637.834 Jahre, 3 Monate, 2 Wochen, 4 Tage, 17 Stunden, 35 Minuten und 34,5343 SEkunden. So hätte meine Aussage ausgesehen, wenn ich genaue Daten hätte. Es hängt schließlich von den eingeschlossenen Nukliden und der Menge selbiger ab. Je nach dem, wie lange der REaktor in Betrieb war, ist die Zusammensetzung der Brennstäbe eine andere.

2.) Wie sieht es mit dem Baufortschritt des neuen Sarkophags
aus bzw. was halten Sie von dem Plan?

Meine Idee wäre sehr schwierig umzusetzen, aber sehr wirksam. Man nehme das Ganze, stelle es in ein wasserdichtes Bassin und fülle selbiges randvoll mit Meerwasser - möglichst ohne Lebewesen. Dann deckt man das Ganze oben ab und überlässt es sich selbst. Die Kühlung wird durch die Konvektion des Wassers im Bassin automatisch vorgenommen. Leider macht das keiner und es würde auch zu lange dauern - wer mauert schon gern in solch strahlenintensiver Gegend? Aber ich finde, man sollte Kernkraftwerke per se so bauen, dass man das Ganze zur Not fluten kann. Am besten im Meer bei -50m …

3.) Wie lange wird es dauern, bis die Strahlung im Umkreis des
Reaktors auf relativ ungefährliche Werte gefallen ist?

Siehe Frage 1. Es sei denn, es ist eher gemeint, dass die Werte bei bestehendem Sarkophag ungefährlich werden sollen. Naja, das hängt auch wieder von der Menge und den Nukliden ab, die sich in der Umgebung niedergeschlagen haben. Bei Tschernobyl ist viel nach oben und dann über den halben Globus gegangen. Bei Fukushima könnte es sein, dass es eher regional und dafür viel stärker strahlt. Außerdem waren die Brennstäbe länger in Betrieb und die Kernzerfallsprozesse liefen entsprechend länger. Das bedeutet, dass die Strahlung aufgrund Erzeugung von diversen Nukliden verschiedenster Halbwertszeiten stärker strahlt. Auch können eigentlich stabile Elemente durch Beschuss (Neutronen, e-) zu Strahlern werden. (…) s.u.

4.) Muss im havarierten japanischen AKW Fukushima nun ähnlich
verfahren werden wie in Tschernobyl?

Möglich. Ich denke aber, solange die Möglichkeit besteht zu kühlen, sollte man das tun. Vielleicht schicken wir anstelle warmer Decken für die Japaner Kühlakkus für deren Kernkraftwerk Fukushima? Sinnvoll auf jeden Fall.

Ich finde allerdings die Hysterie und Panikmache hierzulande etwas verfehlt und übertrieben. Sicher haben wir auch einige alte Anlagen. Ich finde, die alten Siedewasseranlagen gehören tatsächlich vom Netz genommen. Bei den Druckwasserreaktoren allerdings sieht die Welt ganz anders aus. Der gefährliche Bereich ist deutlich kleiner und die Gefahr der Strahlungsfreisetzung entsprechend. Man darf Kernkraftwerke einfach nicht alle über einen Kamm scheren! Ich selbst arbeitete einst in einem. Es war für Erdbeben der Stärke 4 ausgelegt in einer Gegend, in der ich mein Leben lang nie ein Erdbeben bemerkte und die Wahrscheinlichkeit eines Erdbebens entsprechend gering war. Fukushima dagegen hat ständig Beben und jetzt war mal eines zu stark. Dumm gelaufen finde ich das. Aber auch irgendwo selbst Schuld. Um den Schaden komplett zu machen, ist Fukushima ein Siedewasserreaktor. Dieser hat per se einen Wärmetauschkreislauf weniger (2 anstelle von 3 Kreisläufen). Freisetzung von Strahlung in die Umwelt - you’re welcome! Auch ist hier nicht so leicht eine Sicherheit zu gewährleisten gegen abstürzende Flugzeuge - mit oder ohne Absicht. Aber diese dusseligen Szenarien, die man gern anführt, in denen ein Flugobjekt in die Außenanlagen fliegt und dann einen GAU zur Folge hat, sind haltlos. Es bleibt auch in diesen Fällen genügend Zeit, das Kraftwerk sicher herunterzufahren. Aber diese blühende Phantasie hätte ich gern…

Vielen Dank

Bitte & tut mir leid

MacMensch

Frl. Thea

Hallo MacMensch !

Komme leider erst jetzt dazu, zu antworten. Viele deiner Fragen dürften inzwischen ja sowieso durch das Japanunglück beantwortet sein.

1.) Wie lange muss ein Sarg um den Reaktor halten, bis die
Strahlung soweit ungefährlich wäre, dass sich der Sarkophag
erübrigte?

Da die Kernreaktionen im Reaktor wegen der Kernschmelze weiterhin ablaufen und auch die nächsten Jahrhunderte bis Jahrtausende ablaufen werden muss jedenfalls mit tausenden von Jahren gerechnet werden.
Nur wenn man Roboter bauen könnte mit denen man früher anfangen könnte das strahlende Material wegzuräumen wäre ein früheres Ende möglich.

2.) Wie sieht es mit dem Baufortschritt des neuen Sarkophags
aus bzw. was halten Sie von dem Plan?

Soviel ich weiss ist der immer noch in der Planungsphase. Da der erste Sarkophag aber zunehmend undicht wird muss bald was gemacht werden.

3.) Wie lange wird es dauern, bis die Strahlung im Umkreis des
Reaktors auf relativ ungefährliche Werte gefallen ist?

Das ist schwer zu sagen, weil es von den vorkommenden Isotopen abhängt. Man muss aber wohl auch hier von Jahrhunderten ausgehen bis die Strahlung wieder normale Werte erreicht.

4.) Muss im havarierten japanischen AKW Fukushima nun ähnlich
verfahren werden wie in Tschernobyl?

Kommt darauf an: Wenn tatsächlich eine Kernschmelze auftritt und des innere Containment beschädigt ist (und derzeit deutet vieles darauf hin) so wird das wohl nötig sein weil man die Brennstäbe dann nicht mehr herausholen kann.

mfg
Christof

Hallo!

Also die Fragen sind nicht immer eindeutig zu beantworten.

1.) Radioaktive Stoffe haben Halbwertszeiten. D.h. die Zeit, bis nur noch die Hälfte des Stoffes vorhanden ist (ergo durch radioaktiven Zerfall)
Die entstandenen Stoffe, die sich noch in der Anlage befinden haben mitunter sehr sehr lange Halbwertszeiten, bis zu mehreren zehntausend Jahren. Ungefährlich wird es dort wohl so schnell nicht werden.

2.) Der neue Sarkophag sollte 2014 fertiggestellt sein, jedoch ist aufgrund von Finanzierungsproblemen mit einem Verzug von ein paar Jahren zu rechnen. (Kosten für die neue Hülle ca. 740.000.000 €)

3.) Siehe Frage 1.), jedoch wurden im Zuge der „Aufräumarbeiten“ ca. 300.000 m³ kontaminiertes Erdreich abgetragen, Städte, Häuser un Siedlungen gesäubert (in der Regel handelte es sich um abwaschbare Kontamination) oder eingestampft, was die Gefährdung für Mensch und Umwelt in diesen Gebieten etwas verringert.

4.) Ja, jedoch ist die Art und die Menge der Freisetzung, vorallem jedoch die Art, unterschiedlich. Prinzipiell wird ebenso verfahren, also eine Sperrzone errichtet, Bevölkerung evakuiert etc. Jedoch wurde bei Tschernobyl aufgrund der Reaktorbauweise eine Menge Radioaktivität in die Atmosphäre geblasen (Explosion wurde durch Graphit im Kern sehr unterstützt) was in Japan nicht der Fall war.

Ich hoffe behilflich gewesen sein zu können.