Türkische Hochzeit - Schwester verkaufen ?!

Moin Moin,
meine Schwester (deutsche) heiratet demnächst Ihren Freund (türkischer Herkunft).

Nun hat man mir erzählt, dass es Brauch ist, dass der Bräutigam dem Bruder die Braut abkaufen muss.

Kennt Ihr diesen Brauch ? Wenn ja, was kann ich denn so für meine Schwester rausschlagen :smiley: ? Und wie läuft das genau ab ?

Moin

Nun hat man mir erzählt, dass es Brauch ist, dass der
Bräutigam dem Bruder die Braut abkaufen muss.

Brautgeld (başlıkparası ) ist an das Familienoberhaupt zu zahlen. Also an Deinen Vater. An Dich nur, wenn Dein Vater nicht mehr lebt und Du der älteste Bruder der Braut bist.

Übrigens wird der Brauch des Brautgeldes nach einer statistischen Erhebung in der Türkei nur noch bei ca. 24% der neu geschlossenen Ehen ausgeübt.

Zu unterscheiden vom Brautgeld ist übrigens die Morgengabe (mahr). Die kriegt Deine Schwester, sonst niemand.

Grundsätzlich unterscheiden sich türkische Hochzeitsrituale stark nach der jeweiligen regionalen, religiösen und sozialen Herkunft der Familie. Insofern ist auch das Gesagte nicht unbedingt allen Fällen zutreffend.

Da ich mal davon ausgehe, dass es Dir um das Brauchtum und nicht das Geld geht würde ich vorschlagen, mal mit dem Brätigam oder einem männlichen Verwandten der Braut zu reden - und dabei deutlich zu machen, dass es Dir um ein symbolisches Brautgeld geht, bevor Deine neue Verwandtschaft auf komische Gedanken kommt. Aber auch das könnten sie evt. weniger lustig finden als Du …

Freundliche Grüße,
Ralf

Im Interesse Deiner Schwester (und gegebenenfalls nach „Rücksprache“ mit ihr) würde ich, sofern dieses Thema überhaupt angesprochen wird, der Familie des „Bräutigams“ unmißverständlich klar machen, daß Du diese „Sitte“, selbst wenn es sich nur um eine „symbolische und traditionelle Geste“ handelt, entschieden ablehnst, da hier (in unserem mitteleuropäischen Kulturkreis) kein Mensch „Eigentum eines anderen Menschen“ sein und ergo auch nicht „käuflich erworben“ werden kann - selbst auf die Gefahr hin, die „Familie des Bräutigams“ damit zu brüskieren (vorherige „Abklärung diesbezüglich“ ist zu empfehlen).

Gruß
nicolai

p. s. : diesen Rat gebe ich, obwohl ich mir bewußt bin, daß auch in „unseren Breitengraden“ durchaus ähnliche Bräuche existieren und die „rechtlichen Grundlagen“ der „Gleichberechtigung, bzw. Selbstbestimmung der Frau“ gerade einmal fünfzig Jahre existieren…

Hallo Nicolai,
Brautgeld ist kein Kaufpreis, sondern eine Ablösezahlung. Der Brautigam erwirbt kein Eigentum an der Braut, sondern er entschädigt deren Familie für die Erziehung der Braut und den Ausfall ihrer Arbeitskraft.

In Kulturen, in denen Brautgeld gezahlt wird oder wurde, wird das ‚Verschachern‘ einer jungen Frau an den Höchstbietenden (also ein tatsächlicher Verkauf) in aller Regel als moralisch anrüchig betrachtet. Übrigens gibt es in diesen Kulturen als ‚Regulativ‘ fast immer auch die Praxis des Brautraubes. Der wird nun wiederum nicht (obwohl es sich de facto um eine Entführung handelt) als ehrenrührig oder moralisch verwerflich angesehen. Obwohl er natürlich zu blutigen Familienfehden führen kann. Häufig wird dies aber vermieden, indem dann eine nachträgliche Brautpreiszahlung ausgehandelt wird, die sich der Entführer bzw. dessen Familie auch leisten kann.

Dass bei dem allen natürlich die Wünsche der jungen Frau allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen, ist schon klar - für vorbildlich halte auch ich solche Zustände nicht. Aber man muss sich klar machen, dass diese Bräuche aus spezifischen wirtschaftlichen Bedingungen heraus entstanden - konkret auf Grundlage einer Produktionsweise, bei der die Familie gleichzeitig Wirtschaftseinheit ist. Da ist die Weggabe einer Arbeitskraft (in deren Ernährung und Ausbildung ja auch investiert wurde) in eine andere Familie / Wirtschaftseinheit eine deutliche Einbuße der Wirtschaftskraft. Ablösezahlungen oder Kompensation durch Wirtschaftsgüter (idR Vieh) ist die logische Lösung - sie sorgt unter diesen Umständen für Exogamie (dass also zur Lösung des Problems nicht innerhalb der Wirtschaftseinheit / Familie geheiratet wird) und dafür, dass Frauen im besten (d.h. reproduktionsfähigsten) Alter heiraten - und nicht erst, wenn sie die Kosten für ihre Aufzucht und Erziehung „abgearbeitet“ haben. In Kulturen, die nur wenig über das Existenzminimum hinaus erwirtschaften, ist der Brautpreis eine durchaus sinnvolle Einrichtung - auch im biologisch-evolutionären Sinn.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Brautgeld ist kein Kaufpreis, sondern eine Ablösezahlung. Der
Brautigam erwirbt kein Eigentum an der Braut, sondern er
entschädigt deren Familie für die Erziehung der Braut und den
Ausfall ihrer Arbeitskraft.

…was mir durchaus „bekannt“ ist, ebenso wie der Rest Deiner „Erklärung“; dennoch ist (und deshalb mein voriger Beitrag) die Trennlinie zwischen „Erwerb von Eigentums-, bzw. Herrschaftsrechten an, bzw. über Menschen“ und „wirtschaftlicher Abgeltung“ gerade in solchen wie den angesprochenen Kulturen reichlich unklar und verwischt und wird ersteres auch üblicherweise gerne, gerade vermittels derartiger „traditioneller Bräuche“, als „in die andere Kultur kolportiert“ angesehen.
Wovor ich den OP warnen, bzw. worauf ich den OP aufmerksam machen wollte…

Gruß
nicolai

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…vor allem, da es sich kaum um eine „Ablöse“ aus „wirtschaftlichen Notwendigkeiten“, sondern, im vorliegenden Fall, vielmehr um einen tradierten, symbolischen Akt handeln dürfte.

Gruß
nicolai

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Moin Moin,

und danke für eure Antworten.

So wie ich das verstanden habe wird das ganze in der Bräutigam Familie (Türken) eher als „Spass“ gesehen, daher sollten wir das hier nicht zu ernst nehmen.

Mich hat nur interessiert was da auf mich zukommt, weil mir halt zugetragen wurde das mich dieser kleine spass erwartet.

Die Gabe
Gerade weil es sich hier um einen eher symbolischen Akt handelt, hätte ich da wenig Bedenken.

Die von dir Nicolai genannte Trennlinie besteht nur, solange man das ganze durch eine „westliche Brille“ sieht. Aber unsere Idee von Wirtschaftlichkeit ist auf einen derartigen Tauschhandel nur sehr begrenzt übertragbar. Hier wird mehr getauscht als Arbeitskraft oder Besitz.

Was eine mögliche Zwangsverheiratung bzw. das mangelnde Mitspracherecht der Braut betrifft, muss man den Einzelfall betrachten. Und vor allem den Unterschied zwischen Norm und Realität, der meist ziemlich riesig ist. Nur weil das Mitspracherecht der Kinder (über die Ehe entscheiden -normativ- die Eltern) nicht ausdrückich erwähnt wird, wird es aber auch nicht ausgeschlossen. So zwanghaft wie von uns wahrgenommen, sind diese Ehen nicht unbedingt.

(Tychiades „Erklärung“ ist doch eine Erklärung, oder etwa nicht? Auch wenn ich manche Punkte grob überschlagen etwas anders formuliert hätte.)

An den Fragesteller: Um herauszufinden, was genau da wie getauscht werden soll, würde ich direkt bei der Familie nachfragen. Gerade eben weil die abseits von der generell in einer Kultur bestehenden Normen individuell immer mal abweichen können. Dabei kannst du dann auch am wenigsten falsch machen :wink: