Tunguska, Meteor

Vor ca. 100 Jahren (1906? 1908?) ist in der Tunguska in Sibirien ein Meteor oder etwas Ähnliches runtergekommen. Es war bekanntlich ein für die Gegend verheerendes Ereignis, dass Forschern lange Zeit einige Rätsel aufgegeben hat.
Wer hat da neuere Erkenntnisse, weiss Genaueres?
Danke, Stucki

Hi Stucki

das Tunguska-Ereigniss fand am 30 Juni 1908 statt, der Ort liegt am Fluss „Steinige Tunguska“ ca 800 km nördlich des Baikalsees

Es handelte sich dabei um die Explosion eines kosmischen Körpers in relativer Bodennähe. Die Explosion selbst wies grosse Ähnlichkeiten mit einer Nuklearwaffe auf. (Allerdings fand man keine Strahlenverseuchung)
Die derzeit beste Erklärung ist die Kometentheorie. Sie besagt das ein kleiner Kometenkern (ca. 200 m Durchmesser, hauptsächlich Eis, paar Mio Tonnen Gewicht, in die Atmosphäre eindringt. Sobald dieses Teil durch thermische Spannungen oder andere Prozesse zerbricht, kommt es zu einer starken Erhöhung des Luftwiederstandes, das Ding zerbricht noch mehr usw. Es wird dabei auf kürzester Distanz sehr stark abgebremst, (Ungefähr so, wie wenn man gegen eine Mauer fährt). Die kinetische Energie muss natürlich irgendwo hin und wir zum einen in eine Druckwelle umgesetzt, zum anderen in Strahlung = Licht und Hitze. Von dem guten Stück bleibt natürlich praktisch nichts übrig.
(das ist jetzt ganz kurz und stark vereinfacht)

Spezialliteratur kann ich raussuchen, wenn du möchtest.

Gruss

Mike

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Die derzeit beste Erklärung ist die Kometentheorie. Sie besagt
das ein kleiner Kometenkern (ca. 200 m Durchmesser,
hauptsächlich Eis, paar Mio Tonnen Gewicht, in die Atmosphäre
eindringt.

Momentan gehen die meisten Experten von einem Steinmeteorit mit 60 Metern urchmesser aus, der in einigen Kilometern höhe vollsändig verdampft ist und dabei eine Sprengkraft von 1000 Hiroshimabomben freisetzte (heute ist übrigens der Jahrestag des Atombombenagriffs auf Hiroshima). Genaueres soll eine Expedition klären, welche derzeit auf der Suche nach Bruchstücken des Meteroriten ins Impactgebiet unterwegs ist.

Bei diesem Ereignis ist übrigens ein Waldarbeiter von der Druckwelle der Explosion an einen Baum geschleudert worden und gestorben. Dies ist deshalb wichtig, weil es das bisher einzig belegte menschliche Opfer eines Asteroideneinschlages ist.

hi Mr. Stupid

Genaueres soll eine
Expedition klären, welche derzeit auf der Suche nach
Bruchstücken des Meteroriten ins Impactgebiet unterwegs ist.

Die suchen schon seit 70 jahren nach Bruchstücken und finden nichts. Es gibt ein paar komische Analysenergebnisse von Feinststaubpartikeln in den dortigen Mooren, die auf ein sehr alkalienreiches Material schliessen lassen
(war vor kurzem bei uns ein Vortrag an der Uni)
Passt nicht so ganz zu einem Steinmeteor.

Ich erkundige mich mal, Näheres noch diese Woche.
Komme erst am Di wieder an die Datenbank ran

Gruss
Mike

Passt nicht so ganz zu einem Steinmeteor.

Nicht zuletzt wegen dieser chemischen Analysen führen viele Experten das Tunguska-Ereignis auf ein Bruchstück des Kometen Encke zurück, welcher zur Zeit des Einschlages an der Erde vorbeizog. Die Theorie des Steinmeteoriten wird dagegen durch Computersimulation gegen gestützt ( http://n.ethz.ch/student/georschm/bericht/tunguska/t… ), nach welcher ein Komet dieser Masse nie so weit gekommen wäre.

Die suchen schon seit 70 jahren nach Bruchstücken und finden nichts.

Die Computersilulation zeigt, daß man auch nichts finden kann. Der Meteorit wurde bei der Explosion in wenige Zentimeter große Fragmente zerlegt, die bei einer Hitze von 6000°C restlos verdampft sind, bevor sie den Boden erreichten. Um aber ganz sicher zu gehen wurde eine neue Expedition in das Tunguskatal geschickt ( http://www.space-odyssey.de/news/sn7_99.htm#Tunguska ) welche sogar den Grund eines Sees absuchen soll.

Hi Michael;
Du sagst

Die Explosion selbst wies
grosse Ähnlichkeiten mit einer Nuklearwaffe auf. (Allerdings
fand man keine Strahlenverseuchung)

irgendwo habe ich (vor langer Zeit) gelesen, dass doch eine leichte Erhöhung der Radioaktivität gemessen wurde, weshalb einige Leute meinten, es könne sich um ein Raumschiff gehandelt haben (klingt natürlich toll, ist aber nicht von mir!). Andere sagen, auch bei einer Meteorexplosion kann es zu einer Erhöhung der Rad. kommen.
Ein russischer Forscher in dieser Angelegenheit soll nach dem Atombombenabwurf sofort nach Hiroshima gefahren sein, um die Auswirkungen zu vergleichen.
Gruss, Stucki

irgendwo habe ich (vor langer Zeit) gelesen, dass doch eine
leichte Erhöhung der Radioaktivität gemessen wurde, weshalb
einige Leute meinten, es könne sich um ein Raumschiff
gehandelt haben (klingt natürlich toll, ist aber nicht von
mir!).

Ob eine erhöhte Radioaktivität gemessen wurde weiß ich nicht, aber sicher ist, daß man das Tunguska-Ereignis lange Zeit für eine Atomexplosion hielt. Der Grund hierfür ist die pilzförmige Explosionswolke, die von vielen Augenzeugen beschrieben und dann bei Atombombenexplosionen wiedererkannt wurde. Da man sich zum damaligen Zeitpunkt nichts gewaltigeres als eine Atombombe vorstellen konnte, und die Atomenergie sowiso in Mode war, stand die Entscheidung sehr schnell fest, daß auch das Tunguska-Ereignis atomaren Ursprungs sein müsse. Das Dumme war nur, daß es zum Zeitpunkt der Explosion noch keine Atombomben gab, weshalb man die abenteuerlichsten Theorien erfand. Die UFO-Hypothese war vor allem bei Science-Fiction-Autoren sehr beliebt (z.B. „Planet des Todes“ von Stanislaw Lem), aber es waren auch Antimateriemeteoriten und sogar schwarze Löcher im Gespräch.

Hi MrStupid

Wunderschöne Webseite, die Du da ausgegraben hast.

Der Knackpunkt bei der ganzen sache ist m. E., dass man (noch) nicht weiss, aus was Kometen wirklich bestehen. Bis jetzt stützt sich all unser Wisssen auf Flybys von Sonden. Mehr wird erst rauskommen, wenn die Rosetta-Mission Wirtanen erreicht (toi toi toi)

Könnte ja sein, dass es ein „alters“ Kometenteil war, das schon viel Wasser und Gas abgegeben hatte.

Gruss
Mike

Könnte ja sein, dass es ein „alters“ Kometenteil war, das
schon viel Wasser und Gas abgegeben hatte.

Um die Dichte eines Steinmeteoriten zu erreichen müßte er aber schon so viel Wasser und Gas verloren haben, daß er den Namen Komet nicht mehr verdient. Wenn es sich allerdings der Herkunft nach um eine Kometenfragment handelt, dann müßte er so locker gepackt gewesen sein, daß bereits vor der Explosion Stücke abbrachen und relativ unversehrt als Sternschnuppen niedergingen. Das zumindest scheinen die Veranstalter der besagten Expedition zu hoffen.

Hi Stucki
es gibt ein Maximum von C14 im Jahre 1909. Allerdings nicht sehr signifikant.
Spaltprodukte einer Nuklearwaffe wurden nicht entdeckt. Derartiges wäre mit heutiger Technik einfach nachzuweisen (insbes. längerlebige Isotope).
Nuklearwaffen setzen die Energie ebenso wie das Tunguska-Objekt hauptsächlich als Druckwelle frei sowie in Form von Hitze und Licht. Somit müssen die Auswirkungen ähnlich gewesen sein.

Gruss
Mike

Hi Mr Stupid

Nur noch ein Link:
Abstracts der Int Workshops Tunguska 1996 in Bologna:
http://www-th.bo.infn.it/tunguska/abstr3.html

Zum Teil etwas abgehoben

und ein Zitat:

Evidence for a very high carbon/ iridium ratio in the Tunguska impactor.
Rasmussen-Kaare-L; Olsen-Hans-J-F; Gwozdz-Raymond; Kolesnikov-Euginev-M
Meteoritics &:stuck_out_tongue_winking_eye:lanetary Science. 34; 6, Pages 891-895. 1999.

Ich poste das Abstract gleich mit:
„ABSTRACT
We have measured excess Ir and depletion of (super 14) C, two independent indicators of cosmic material, in peat cores from the central Tunguska impact site. Both Ir and (super 14) C show pronounced anomalies in the same stratigraphical depth interval. We have estimated an integral deposition of nonradioactive cosmogenic C of 6.8+ or -1.0 mg C cm (super -2) , and an integrated Ir deposition of 5.9+ or -1.2 pg Ir cm (super -2) . The very high C/Ir ratio and a deduced delta (super 13) C value of +55+ or -10 per mil relative to V Pee Dee Belemnite (VPDB) of the impactor material found in this study points towards a cometary type impactor, rather than a chondritic or achondritic asteroidal type impactor.“

Die Frage, was das Ding nun wirklich war, bleibt offen. Imho ist das Hauptproblem, das wir noch keine „harten“ Daten über die chemische Zusammensetzung und die innere Struktur von Kometen haben. Aber da wird ja noch geforscht. warten wir mal ab, was Rosetta rauskriegt…

Die UFO- Scharzes Loch- Antimaterietheorie scheint jedenfalls vom Tisch zu sein.

Gruss
Mike

Schönen Dank zunächst mal an alle. War ja recht ergiebig. Wenn Ihr noch was habt … ich gucke ab und zu nochmal hier rein. Wollte nur mal wissen, was man heute darüber weiss. Hatte es vor Jahrzehnten gelesen, dann mich nie mehr ernsthaft damit beshäftigt. Dann kam ich in letzter Zeit wieder darauf, vielleicht, weil ich mich wieder verstärkt mit Astronomie und angrenzenden Gebieten befasse - ein altes Jugendinteresse.
Gruss, Stucki