Hi Raimund
gibt es eine Theorie, warum die diversen Völker vom
Polytheismus zum Monotheismus wechselten?
eine einfache und klare Fragestellung, aber dennoch ist es sehr schwierig, dazu etwas zu sagen. Denn die Termini „Polytheismus“ und „Monotheismus“ sind beide nicht ganz eindeutig - um nicht zu sagen strittig…
Zum Polytheismus hatte ich in dem angegebenen Link (Posting oben) ja schon mal etwas zusammengefaßt. Es ist keineswegs Konsens in den Religionswissenschaften, daß die Geschichte der Religionen polytheistisch begann. jedenfalls dann nicht, wenn man darunter versteht, daß in einer ethnischen Gemeinschaft mehrere Kulte zugleich bestehen. Das hat sehr wahrscheinlich seine Ursache einfach in einer friedlichen Durchmischung mehrerer Stämme, die ihre jeweiligen Kulte wechselseitig gelten ließen.
Ein weiterer Hintergrund für eine Vielheit von Göttern dürfte in unterschiedlichen Funktionen liegen, wie z.B. die für die Fruchtbarkeit des Landes oder die der Menschen, für die Liebe, für meteorologische Erscheinungen usw. Das tritt besonders auf beim Übergang von Jagdkulturen in Ackerbaukulturen, wobei dann noch die für die Gesetzgebung usw. zuständigen Götter kommen.
Von Konsens in der Rel-Wiss. könnte man am ehesten reden über die Anfänge von Götterverehrungen: Es sind wohl die (immer als mythische(!) verstandenen) Stammesgründer. Aber auch das ist komplizierter, als man meinen könnte, denn diese mythischen Stammesgründer sind oft zugleich die „Ahnen“ von Tieren, die im Jagdrevier eine besondere Rolle spielen: Entweder als Haupt-Jagdopfer oder als tabuisierte Jagdopfer. Das kann man in sibirischen, afrikanischen und nordamerikanischen Totem-Kulten erkennen. Oft sind die mythischen Stammesgründer zugleich auch die „Schöpfer“ der Lebenswelt.
Dem „Schamanen“ oder/und dem Stammesführer wird/wurde dabei in der Regel eine besondere Nähe zu dem Stammesgründer zugeordnet, wenn nicht sogar eine Verwandtschaft oder magische Identität - wie man in Ägypten noch im Verständnis des Pharao sehen kann und auch in der im ganzen Orient zu findenden Ehrenbezeichnung des Herrschers als „Sohn Gottes“.
Auch für die Erhaltung der (Lebens-)Welt beim Jahreswechsel (der als Erneuerung der Weltentstehung aus ihrem vorhergehenden Untergang verstanden wurde) sind meist Götter zuständig gewesen.
Das „warum“ der Entwicklung zum Mono theismus ist nicht religions historisch beantwortbar, eher jedoch die zum Heno theismus: Da der Herrscher seine Machtfunktion eben aus seiner Rolle als irdische bzw. geschichtliche Repräsentanz des Schöpfergottes oder Stammesgründers gewinnt, darf bei der Großreichbildung (die ja immer eine Zusammenfassung vieler Völker und damit vieler Kulte ist) natürlich nur ein einziger „Ur“-Gott verehrt werden.
Irgendwelche nachvollziebaren Überlegungen?
Der Übergang zum Mono theismus ist dagegen eher eine religions philosophische Problemstellung. Das ist aber kaum in Kürze darzustellen und würde einige begriffliche Vor-Abklärungen voraussetzen, daher hier nur einige Bestimmungsstücke in Andeutung, die dazugehören. Ob sie ohne weiteres nachvollziehbar sind, will ich mal nicht vermuten *zwinker*:
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Die Individualisierung des Subjekt-Bewußtseins - und zwar nicht mehr nur, wie in der Frühgeschichte, des gesamten Stammes bzw. des Herrschers als Individuum, sondern eines jeden Einzelnen.
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Damit zusammenhängend die unmittelbare(!) persönliche Beziehung eines jeden Einzelnen zu dem Gott, der nunmehr notwendig als " nur Einer" (daher „mono-“) gedacht werden muß - wegen der Integrität (Ungebrochenheit) des „Ich“-Bewußtseins. Daraus folgt das Verständnis des Gottes als „Retter“, insofern er nämlich die in der Lebenswelt als „gebrochen“ erlebte individuelle Identität wieder herstellen (integrieren) kann.
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Die Entwicklung des Begriffs des „Absoluten“ (ungefähr „das, was seine Negation in sich selbst hat, nicht außerhalb seiner selbst“). Diese Begrifflichkeiten waren zwar in der Entwicklung der israelitisch/jüdischen Religionsgeschichte bereits angelegt (insbesondere durch die theologische Leistung der „Propheten“), sie konnten aber erst explizit in einen Gottesbegriff eingehen nach dem Zusammenfluß der griechischen Philosophien mit den jüdischen Theologien. Die Anfänge dafür finden sich im Johannes-Ev. und weiter in den Philosophenschulen von Alexandria.
Wie ich damals schon in einem weiteren Posting des oben zitierten Threads andeutete
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
setzt ein Monotheismus einen tatsächlich absoluten Gottesbegriff voraus (der übrigens logischerweise widersprüchlich sein muß! Siehe Theodizee-Probleme). Dazu gehört aber ebenso notwendigerweise die theologische Konzeption, daß diesem Gottesbegriff kein anderer wirklich widersprechen kann, sondern lediglich andere Formen der kultischen Verehrung hat - die aber unbedingt zu respektieren und zu achten wären. Das würde aber jegliche Form der Missionierung verbieten, insbesondere natürlich die gewaltsame. Aber auch bereits die Haltung, „mein“ Gottesbegriff ist der wahre, und zwar im Unterschied zu dem „deinigen“, würde dem widersprechen. Daher meine Behauptung, daß es in der Gegenwart einen wirklichen konsequenten Monotheismus nicht gibt.
Gruß
Metapher