Überlebensmaschinen?

Der Begriff der Überlebensmaschinen wird von Dawkins verwendet. Damit will er als Biologe, der den Anspruch hat, den „Neodarwinismus“ wissenschaftlich begründet zu haben, alle Lebewesen einschließlich des Menschen zu einem so unbewussten Verhalten zu reduzieren, eben wie MASCHINEN:

Eine Maschine verfügt weder über einen eigenen Willen zum Überleben noch über ein für sich selbst erhaltendes Interesse, das das Phänomen eines wesenhaften Geistes bzw. Bewusstseins voraussetzt, einen „intelligiblen Charakter“ zu haben, im Sinne von Kant, der diesen Begriff mehrfach verwendet, allerdings in einer verwirrenden Unklarheit. Er verwendet den Begriff des „intelligiblen Charakters“ alsbald für Verstand als auch Vernunft.

Wie kann man jetzt den vom englischen Biologen Richard Dawkins verwendeten Begriff der Überlebensmaschinen mit dem von Kant verwendeten „intelligiblen Charakter“ logisch verbinden (mir ist schon klar, dass Kant zwar an der mechanistischen Weltanschauung der Wissenschaften zweifelte, sie aber doch als Weltanschauung letztlich akzeptierte, weil er von der Autorität von Newtons „Himmelsmechanik“ beeindruckt war)?

Dawkins hat zwei neue Ideen in die von Charles Darwin begründete Evolutionstheorie eingebracht: 1. Die Macht der Gene, und 2. Die Macht der Mems (das dieselbe Dynamik aufweist wie die der Gene im Bereich der Naturerklärung, nur dass das Mem bzw. die Mems zur Erklärung der Macht für die Kulturerklärung dienen soll).

Meine Fragen hinsichtlich dieses von Dawkins verwendeten Begriffs der Überlebensmaschinen, die sowohl einerseits von den Genen unbewusst gesteuert werden zum Überleben der biologischen Art (zum Beispiel im Unterschied zum Affen, der anders aussieht als wir Menschen, obwohl die Gene vielfach übereinstimmen) und andererseits von den Mems, weitgehend in ihrer Dynamik unbewusst, abhängig sind (dem kulturellen Gedächtnis, von mir frei übersetzt), lautet:

Wie kann ein Gen oder ein Mem überhaupt eine Interesse haben, sich auf „Überlebensmaschinen“ auszubreiten?

Als biologischer Laie sehe ich die Begriffe „Gen“ und „Mem“ so an, dass es sich hierbei um Informationen handelt, die in früherer Zeit über Jahrmillionen hinweg nach dem Prinzip des Lernens von Versuch und Irrtum entstanden sind, und sich jetzt weiter in den Individuen fortzupflanzen.

Was mir dabei völlig unlogisch vorkommt ist die Frage, wie bloße Informationen, die m. E. sowohl den Begriff eines Gens als auch den Begriff eines Mems bilden, von sich aus so einen - im Sinne von Kant gesprochenen - „intelligiblen Charakter“ haben können, dass sie den Willen haben zum Überleben. Das kommt genauso unlogisch vor, wie wenn ich behaupten wollte, dass bloße Buchstaben in einem Buch einen Willen hätten, sich aus sich selbst heraus in die Gehirne anderer „Überlebensmaschinen“ (in diesem Falle wir Menschen) fortzupflanzen?

Oder wie zum Beispiel die Algorithmen, nach denen ein Computer funktioniert, aus sich heraus den Willen hätten, sich auf andere Computer weiter fortzupflanzen? Wie absurd wäre so eine Konstruktion, so etwas jemals zu behaupten?

Naja, wir können kaum umhin, festzustellen, dass wir Sklave unserer Instinkte sind.

Also Handlungsanweisungen, die auf einer sehr niedrigen Ebene fest in unseren Hirnen verankert sind. Es sind nicht die Gene oder die Meme die aus sich heraus ein Interesse haben, sich zu verbreiten. Die Verbreitung der Gene ist in unserem Hirn fest verdrahtet. Das ist letztlich auch mit Überlebensmaschine gemeint: Wir vollziehen viele der Handlungen die zur Verbreitung unserer Gene beitragen nicht wissentlich und willentlich, sondern eher unterbewusst. Eine Maschine kann aus sich heraus aus keinen Willen haben. Aber man kann sowas einprogrammieren. Das ist beim Menschen nicht anders - freier Wille existiert nicht.

Die Meme-Theorie an sich finde ich auch etwas schwammig und halte mich da zurück, bis die Wissenschaft zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen ist :smiley:

Du gibst ja zu (und musst es gezwungenermaßen!), dass Maschinen keinen Willen haben. So weit so gut. Warum, so frage ich mich als Manager und Philosoph, warum schwätzen die Nawis denn auch so abgehobenes Deitsch, warum sie nicht schwätzen so wie kulturelle Konventionen schwätzen???

Warum schwätzen Naturwissenschaftler so bleedes Deitsch, dass sie nicht Lebewesen sagggen, wie Klofrau Ilse???

Ich weiß, WARUM. Diese philosophisch-wissenschaftliche Natur-Terminologie geht von Newton und Descartes bis Kant. Und wenn der österreichisch-englische Philosoph Karl Popper meint, man könne in seiner philosophischen Wissenschaftstheorie alle Fehler der Einzelwissenschaften philosophisch leicht „falsifizieren“, so irrt er, wie in seiner ganzen simplen Theorie der drei Welten (Popper hat gar nie begriffen, dass das Wissen, das er da in drei Welten aufteilen will, nämlich in materielles, geistiges und mediales Wissen, letztlich immer nur aus der einen Welt kommt, der vermittelten MEDIEN).

Popper war ein scharfer Gegner des amerikanischen Philosophen Thomas Kuhn, der die gesamte Wissenschaftsgeschichte sah als von abwechselnden „Paradigmen“. So viel „Falsifikationen“, wie da weltweit in dieser Wissenschaftsgemeinde, die sich ihrer eigenen unbewusst kulturellen und psychologischen Abhängigkeiten kaum selbst reflektiv bewusst sind, kann man philosophisch niemals je leisten, das ist einfach gänzlich unmöglich gegenüber diesem unbewussten Verhalten, so dass Poppers schön konstruiertes IDEAL einer Wissenschaftstheorie völlig utopisch ist in der Praxis.

Letztlich geht es immer wieder doch auf Thomas Kuhn hinaus. Der einzige Philosoph, der im 19. Jahrhundert diesen Anspruch völlig irrationaler Deutungs-Allmacht der mechanistischen Wissenschaftsgemeinde so radikal kritisierte wie nach ihm keiner sonst, war Nietzsche, der von einer „englisch-mechanistischen Weltvertölpelung“ sprach.

Dass die große Mehrheit aller heute lebender Philosophen dagegen keinerlei Anlass sieht, den dogmatischen in den MEDIEN der ganzen Welt aufoktroyieren Sprache der „Herren Mechaniker“ (Nietzsche) zu widersprechen, beweist nur eines, dass nämlich die Mehrheit aller Menschen immer zur Anpassung neigen, wie in dem berühmten Märchen von des Kaisers neuer Kleider. Nur ein Kind sprach aus, was alle auch schon zuvor gesehen hatten, der Kaiser ist ja nackt.

Das Problem zu analysieren und sprachlich auszuformulieren geschieht leider nicht von der Mehrheit der deutschen Gegenwarts-Philosophen, sondern beispielsweise von einer jungen deutschen Kulturwissenschaftler-in, sie heißt Melanie Sehgal und ist Professorin an einer Universität in Frankfurt an der Oder, sie bringt das Problem der Philosophie auf folgenden Punkt:

"Aufgabe der Philosophie ist es, eine Kritik der Abstraktionen zu leisten…" Und weiter zitiert: "…die Philosophie der Moderne, von Descartes zu Kant, ist ihrer Aufgabe, einer Kritik der Abstraktionen, nicht nachgekommen."

Soweit ich Dawkins verstehe, sind weder Gen noch Mem Information. Ein Gen ist die physische Instanz (Molekül, DNA, oder sowas), die Information in sich sich trägt. D. bezeichnet Gen als Replikator, der dafür Sorge trägt, mittels Replikation die Information möglichst weit zu verbreiten. Als „Vehikel“ bedient es sich eines Tiers, eines Menschen, oder ganz früher vielleicht der Ursuppe.

Ein Mem trägt ebenfalls Information in sich, und wird ebenfalls als Replikator bezeichnet. Ein Gedanke zum Beispiel als Mem trägt Information als Inhalt in sich, ist selbst aber nicht die Information, die es zu verteilen gilt. „Vehikel“ sind wiederum der Mensch oder manche höheren Tierarten (für Dawkins eine besondere Lebensform), denen man Bewusstsein zuschreiben kann. Die nicht physische, nicht materialistische Variante zum Gen.

Dawkins und andere knüpfen an das Leib-Seele-Prinzip für den Bereich Evolution an. Und versuchen, für kulturelle Evolution, als Ergänzung der biologischen Evolution, ein gemeinsames Funktionsprinzip (naturalistisches, materialistisches?) aufzuzeigen.

IMHO ist Information das einzig gemeinsame. Eine nichtphysikalische Größe!

Franz