Überstunden wie abfeiern?

Moin,

interessante Frage aus dem Unterricht, die ich direkt weitergeben möchte, da ich sie nicht beantworten kann, jedenfalls nicht rechtssicher.
Angenommen, ein Arbeitnehmer bekommt ein monatliches Gehalt mit Sollstunden. Der AG setzt eine bestimmte Anzahl Überstunden voraus (ich weiß, das gibt schon mal Anlass zum Stirnrunzeln), die nicht bezahlt werden, sondern auf Stundenkonten gesammelt werden. Möchte der AN nun diese Überstunden abfeiern, gibt es eine, mündliche, Bestimmung, dass keine ganzen Tage, sondern maximal halbe Tage abgefeiert werden dürfen. Beim Urlaub hätte ich keine Probleme, die Frage zu beantworten. Wie sieht es aber mit Überstunden aus? Darf der AG bestimmen, in welchem Umfang die Überstunden abgebummelt werden dürfen?
Es existiert kein Betriebsrat. Ob der Betrieb tarifgebunden ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich gehe aber davon aus, dass er der chemischen Industrie zugeordnet werden kann, mit mehreren Standorten.
Noch etwas zum Aufregen für @Albarracin, jegliche Versuche, einen Betriebsrat zu gründen, wurden in der Vergangenheit mit sofortiger Kündigung, Freistellung und Abfindung beantwortet.
Sollten noch mehr Informationen benötigt werden, reiche ich sie gern am Freitagabend nach.

Soon

Und er verantwortliche Firmenchef/Personalchef ist noch auf freiem Fuß ?

Der wird schon nicht in die Kündigung geschrieben haben, daß der Delinquent aufständig war und ne Revolution anführen wollte…

.
falsche voraussetzung, unzulässig. man muss sie nicht leisten. es gelten die üblichen Arbeitszeiten. auch wenn im arbeitsvertrag dies so niedergeschrieben ist.

pasquino

In dieser Pauschalität falsch, allerdings schrub ich ja direkt dahinter von Stirnrunzeln. Mir ist schon klar, dass in den meisten Arbeitsverträgen die Überstundenregelung durchaus gekippt werden kann.

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Du verwechselst gerade Zivilrecht mit Strafrecht.

Und jedes Arbeitsgericht sagt „sofort wieder anstellen“?

Der Deutsche Kündigungsschutz ist wirklich skurril, genauso wie die alles blockierenden Betriebsräte. Da lacht man sich in CH schlapp drüber.

Hallo,

das hier

ist mal grundsätzlich zulässig und kein Grund zum Stirnrunzeln. So zB BAG vom 19.5.2009, 9 AZR 433/08 (ab Rn 42)
https://openjur.de/u/171819.html

Aus dem o.a. Urteil (Rn 45) läßt sich auch entnehmen, daß das „Abfeiern“ grundsätzlich als Konkretisierung zur Verteilung der Arbeitszeit dem Weisungsrecht des AG gem. § 196 GewO unterliegt.
https://www.gesetze-im-internet.de/gewo/__106.html
Allerdings würde ich bei dieser Art von Weisung schon mal in Frage stellen, daß die Ermessensausübung des AG noch im Rahmen des „billigen Ermessens“ liegt. Der AG ist nämlich verpflichtet, bei seiner Entscheidung "die beiderseitigen Interessen angemessen" zu berücksichtigen (ErfK, Preis, § 106 GewO Rn 6 mit Verweis auf BAG v. 24.4.1996).
„Unbillig ist, wenn der AG allein seine Interessen durchzusetzen versucht“ (BAG 19.5.1992)

Zur Ausübung billigen Ermessens auch BAG vom 21.7.2009, 9 AZR 404/08 ( ab Rn 87):
https://openjur.de/u/171877.html

Bei einer pauschalen Anordnung (mündlich oder schriftlich ist dabei egal), daß Zeitausgleich ausschließlich in halben Tagen genommen werden kann, sehe ich kein billiges Ermessen mehr.

Und wessen Unterrichtseinheit habe ich jetzt bearbeitet ?

&Tschüß
Wolfgang

@anon15476007: Man sollte den Satz, den man zitiert, auch zu Ende lesen. Damit vermeidet man veritable Fehleinschätzungen.

Moin,

vielen Dank für deine Einschätzung. Also ist es doch nicht ganz so einfach im Sinne von § sowieso legt fest, dass Überstunden nur zu so und soviel Prozent als Teiltage abgefeiert werden dürfen. Im BUrlG gibt es ja zu den Urlaubstagen eine sehr eindeutige Aussage.
Ich bin in der Erwachsenenbildung tätig und hier kam diese Frage im Rahmen von Arbeitsrecht allgemein auf. Also welche Gesetze gelten im Rahmen eines Arbeitsvertrages (EStG, BUrlG, MuSchG, ArbZG etc.)

Soon

Das Ganze ist zwar vollkommen offtopic, aber egal …

In den meisten Fällen einer solchen Auseinandersetzung wird es mitnichten in der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses münden sondern in einer finanziell entschädigten Beendigung.

Nö, er ist das Ergbnis jahrzentelanger Organisation von Arbeitnehmern, die sich das erkämpft haben.

Wenn ein Anbieter ohne Grund fristlos einen Handyvertrag kündigt oder gar die Telekommunikation eines Unternehmens, wäre die Aufregung darüber ja auch nicht „skurril“.

Tatsächlich habe ich Betriebsräte nur in zwei Konstellationen erlebt:

  1. vollkommen ahnungslos und somit untätig
  2. engagierte und gute - zumindest lösungsorintierte - Gesprächs- und Verhandlungspartner.

Blockaden bringen niemanden weiter und das wissen Betriebsräte eben auch.
Klar kommt es auf die Änderungswünsche des Arbeitgebers an, aber bei einer Blockade sollte er sich dann vielleicht mal selbst hnterfragen.

Genau das fett Markierte ist übrigens das, was viele Leute vergessen: Ein Arbeitsvertrag ist eine Zweckgemeinschaft und kein Verhältnis Bittsteller <-> Herrscher.

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Naja, man kann davon ausgehen, dass jemand, dem geltendes Recht dermaßen egal ist, ebenfalls nicht unterscheidet …

Hallo,

diese Frage ist eben nicht so eindeutig gesetzlich geregelt und wier Du dem von mir verlinkten Urteil entnehmen kannst, sind eben die Grundsätze des Urlaubsrechts ausdrücklich nicht auf Arbeitszeitkonten übertragbar.

Es ist übrigens gerade im Arbeitsrecht die gesetzliche Regelungsdichte nicht so üppig, wie manche meinen. Sehr vieles basiert noch auf zT uralter Rechtsprechung zu den §§ 611ff BGB, die zT noch in der Ursprungsfassung der BGB-Einführung kommen. Deswegen ist da zB noch vom „Dienstberechtigten“ ( = AG) und „Dienstverpflichteten“ (= AN) die Rede.

&Tschüß
Wolfgang

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zum ersten teil des satzes: imho sind formulierungen in einem arbeitsvertrag wie „mit dem gehalt sind alle überstunden abgegolten“ grundsätzlich ungültig. sowohl dann, wenn eine konkrete abeitszeit nicht vereinbart ist. oder vereinbart ist. das war meine antwort auf den von mir begrenzten begrenzten auszug.

zum zweiten teil „stundenkonto“ sind neben schon von dir geschriebenen einwendungen und bedenken zur auslegung und rechtlicher bewertung auch fehlende regelungen anzumerken, wie diese überstunden denn abgebaut werden sollen und können. offensichtlich ist nichts vereinbart. und die gängige argumentation von arbeitgeberseite lautet:

ich kenne dieses thema persönlich und aktuell derart, dass der ag eine allgemein gültige und zwischen br und ag getroffene betriebsvereinbarung zu gleitzeit derart unterläuft, dass eine bestimmte gruppe der beschäftigten („vertrauensarbeitszeit“) das gemäß bv getroffene „abfeiern“ einseitig kündigt, indem diese gruppe nur an brückentagen abfeiern darf. während allen anderen (zeiterfassung) je 2 tage / monat gleitzeit zustehen. die argumentation des ag: ähnlich wie oben, mündliche bestimmung des ag, mit allen risiken auf seite des an.

parallelität. bis auf die tatsache, dass dort kein br existiert, und hier mittlerweile stimmung der betroffenen gegen den br aufkommt.

das ist nicht erheblich. nur die fronten verschieben sich. ansprechparner ist letztendlich stets der ag.

pasquino

Ich glaube, wir reden aneinander vorbei :wink: Genauso meinte ich meine Antwort. Es gibt keinen Paragraphen, der das eindeutig regelt, punkt. Das BUrlG hatte ich als Vergleich herangezogen, weil es sehr eindeutig ist in Bezug auf Urlaubstage.

Stümmt, gibt immer ziemlich lange Gesichter, wenn ich den § 616 vorlese, um dann auf Sonderurlaub oder Kind krank zu schwenken und beide Sachverhalte mit § 616 begründe.

Soon

„Komischerweise“ kommt der AG seit Jahren damit durch. Er ist wohl im Bereich der chemischen Industrie kein Unbekannter und auch nicht wirklich klein mit mehreren Standorten und entsprechenden Mitarbeitern.
Ich bin mir immer noch nicht mit mir einig, welche AG schlimmer sind. Diejenigen, die mit voller Absicht die AN besch…, oder die, die es einfach nicht besser wissen (wobei sich hier sofort die Frage nach der Fürsorgepflicht stellen würde).

Soon

Hallo,

genau das, was Du hier unterstellst

steht dort in der Gesamtbetrachtung eben nicht. Es ist falsch, den Satz in zwei Teile zu teilen,

und die beiden Teile getrennt zu bewerten.
Es geht aus der Gesamtbetrachtung klar hervor, daß der AG eben keine unbezahlte Mehrarbeit verlangt, sondern lediglich von seinem Recht Gebrauch macht, die anfallende Mehrarbeit durch freie Zeit auszugleichen. Deswegen liegst Du mit Deiner Aussage zur Rechtswidrigkeit weiterhin falsch.

Die diskussionswürdige Frage aus der geschilderten Fallgestaltung ist deswegen nur, ob die Form des Zeitausgleiches „billigem Ermessen“ iSd § 106 GewO entspricht.

&Tschüß
Wolfgang

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Dann sollte man sich in der CH mal mit den Details befassen und nebenbei fragen, ob man mit seiner Beurteilung der ganzen Veranstaltung so richtig liegen kann, wenn doch der wirtschaftliche Erfolg der Bundesrepublik Deutschland zeigt, daß das ganze Paket so furchtbar arbeitgeberfeindlich nicht sein kann.

Im übrigen ist die Sache mit den „alles blockierenden Betriebsräten“ völliger Humbug, wie Guido schon richtigerweise schrieb. Auf so einen blöden Spruch kann man nur kommen, wenn man weder das Betriebsverfassungsgesetz noch die betriebliche Praxis kennt.

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Das macht kein Sinn , wenn die Überstunden nicht ausbezahlt werden, sondern an anderen Tagen wieder ausgeglichen werden, dann ist das maximal eine Verlagerung der Arbeitszeit. Man kann auch von einem flexiblen Arbeitszeitmodell sprechen. +

Die Frage hast du schon gelesen? Und auch die richtigen Antworten?

Nochmal, warum antwortest bei Themen, von denen du nicht den Hauch einer Ahnung hast?