Übersetzungsagentur oder Übersetzer, suche Erfahrungswerte und Ratschläge

Hallo liebe Leute bei Wer-Weiss-Was,

ich habe ein Anliegen und zwar sind wir ein mittelständisches Unternehmen und haben gerade einen Geschäftsbericht in Deutsch fertig auf dem Schreibtisch liegen.

Da wir nun aber seit ca. 15 Monaten Monaten international auf dem Markt agieren wollten wir diesen Bericht auch in der englischen Sprache veröffentlichen.

Nur keiner von uns könnte den Übersetzer überprüfen. Uns ist es wichtig, dass dieser Finanzbericht auch vernünftig geschrieben ist und es danach zu keinen Komplikationen kommt.

Ich habe selber schon Google angeschmissen aber leider sehr wenige Erfahrungswerte gefunden und wir sind noch am überlegen ob wir eine Übersetzungsagentur oder einen selbstständigen Übersetzer damit beauftragen.

Worauf sollte ich achten? Wie sieht es da mit der Haftung aus? Wie sieht es mit dem Preis aus. Es handelt sich hier um ca. 45 Seiten.

Lg, Kathie

Servus,

ja, in der Tat ein Thema, das für beide Seiten fummelig ist - seriöse Übersetzer stehen unter einem enormen Preisdruck von Ramschkonkurrenz, weil es sehr vielen Auftraggebern so geht, dass sie letztlich das Ergebnis nicht beurteilen können, so dass der Wettbewerb zum großen Teil über den Preis stattfindet.

Das Minimum für eine ordentliche Arbeit ist, das Proofreading garantiert wird. Sinnvoll (aber nicht zwingend), dass das Gegenlesen von einem „umgekehrt gepolten“ Muttersprachler besorgt wird: In Deinem Fall die Übersetzung durch einen anglophonen Muttersprachler und das Proofreading durch einen deutschen.

Ein mögliches Kriterium, wegen dessen ich hier zwar schon viel Dresche bekommen habe, das ich aber dennoch für wichtig halte: Ist der Übersetzer im BDÜ bzw. im ADÜ Nord organisiert? Das sind die beiden beruflichen Organisationen in D, die sich in zähem und annähernd aussichtslosem Kampf um einen Schutz der Berufsbezeichnung „Übersetzer“ bemühen und selbst nur Mitglieder aufnehmen, die fachlichen Mindestansprüchen genügen.

Die Suche beim BDÜ gibts hier: http://suche.bdue.de/

Vorsicht bei einer Ausschreibung über proz.com - das ist ein Tummelplatz für Dumpingpreise, den man sinnvoll nur nutzen kann, wenn man das Ergebnis inhaltlich beurteilen kann, weil man sonst leicht an einen Billigheimer gerät, der seinen Job nicht beherrscht.

„Große Namen“ von Agenturen sind nicht zwingend Gewähr für Qualität - es gibt hier zwar welche, die sich um Etablierung und Einhaltung von Qualitätsnormen kümmern, aber auch andere, die ihr Kerngeschäft im möglichst billigen Einkauf von Leistungen sehen („Umtüteagenturen“).

Worauf sollte ich achten? Wie sieht es da mit der Haftung aus?

Auch das ist ein Kriterium: Ein Übersetzer ohne eigene Berufshaftpflicht-/Vermögensschadenshaftpflichtversicherung, die ein angemessenes Volumen deckt, arbeitet mit einiger Wahrscheinlichkeit am Küchentisch. Bei direkter Beauftragung eines Übersetzers ohne Umweg über eine Agentur kann man sich die Versicherung nachweisen lassen.

Wie sieht es mit dem Preis aus. Es handelt sich hier um ca. 45 Seiten.

Bei einem Preis unter 2.700 € zuzüglich USt sollte der Anbieter erklären können, warum er so billig ist: Es kann sein, dass er schlicht aus Not solche Preise macht, um irgendwie an Aufträge ranzukommen, aber wahrscheinlicher ist, dass er so billig ist, weil er kein ordentliches Proofreading organisiert, keine ordentliche Software und Fachlexika im Einsatz hat usw.

Schöne Grüße

MM

genau umgekehrt?
Hallo,

mal ganz abgesehen von der Frage, ob die Eingangsfrage ein Fake war:

Das Minimum für eine ordentliche Arbeit ist, das Proofreading
garantiert wird. Sinnvoll (aber nicht zwingend), dass das
Gegenlesen von einem „umgekehrt gepolten“ Muttersprachler
besorgt wird: In Deinem Fall die Übersetzung durch einen
anglophonen Muttersprachler und das Proofreading durch einen
deutschen.

Das Gegenlesen durch einen „umgekehrt gepolten“ Muttersprachler verstehe ich ja, aber müsste die Reihenfolge nicht genau umgekehrt sein? Ich würde eine deutsche Bilanz lieber von einem Deutschen ins Englische übersetzen lassen (weil der den deutschen Originaltext genau versteht) und das Gegenlesen bzw. den Feinschliff einem Englisch-Muttersprachler überlassen (weil der genau weiss, wie es in der Zielsprache genau heissen muss). Oder?

Gruß
Mike

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Proofreading
Servus,

ja, das fand ich auch zunächst überraschend, als ich diesen Usus aus der Branche kennen gelernt habe.

Dieser Reihenfolge liegt die Idee zugrunde, dass der Muttersprachler, der die Übersetzung macht, im Zweifelsfall nicht bloß idiomatische Formulierungen (grade im Englischen wichtig) leichter auch im aktiven Wortschatz (oder TM) parat hat, sondern auch weniger als ein Muttersprachler der Quellsprache dazu neigt, die Struktur der einzelnen Sätze zu belassen und bloß mit Begriffen aus der Zielsprache zu füllen (was das Ergebnis in der Regel nicht falsch macht, sondern bloß holperig und deutlich als Übersetzung zu erkennen). Wer hier nur als Gegenleser arbeitet, wird eher etwas stehen lassen, was schon so da steht, weil beim Lesen alles, „was schon da ist“, leichter akzeptiert wird, wenn es irgendwie auch funktioniert und nicht eigentlich falsch ist.

Bei französischen Texten begegnen mir öfter mal Übersetzungen, die von einem der in F von Hendaye bis Dunkerque allgegenwärtigen Elsässer gemacht worden sind, bevor man sie dann doch nach draußen gegeben hat. Selbst wenn sie keine eigentlichen Fehler enthalten, erkennt man sie daran, dass z.B. die im Französischen viel verwendeten Partizipialkonstruktionen Wort für Wort (z.B. mit Relativsätzen) übertragen sind, aber die Sätze so stehen gelassen wurden, wie sie im Französischen angelegt waren. Das führt dann zu einem Sprachfluss, der an den nichttechnischen Dienst der Deutschen Bundespost erinnert. Wenn ein deutscher Muttersprachler vor dem französischen Original sitzt, sieht er dann viel leichter, wann es Zeit ist, einen neuen Satz anzufangen, wenn er noch kein Vorbild im Stil eines Juniorbandwurms vor sich hat.

Beim Proofreading geht es dann bei solchen Geschichten wie Geschäftsberichten, die im Zweifelsfall eher richtig als schön sein müssen, in erster Linie darum, ob der Übersetzer eventuell einzelne ggf. mehrdeutige Formulierungen falsch verstanden hat - das kann der Muttersprachler des Quelltextes leichter beurteilen, weil bei ihm der ganze Apparat an Konnotaten und Denotaten spontan zur Verfügung steht (oder sollte).

Mir fällt grad bloß wieder die von mir hier ständig erzählte Anekdote von der Anleitung zu Aufbau, Einrichtung, Inbetriebnahme einer Anlage aus deutscher Produktion in Fernost ein, die von einem Techniker des Herstellers verfasst und beim Kunden übersetzt worden war. Da stand unter anderem drin „Weil der Rahmen später nicht mehr nachjustiert werden kann, muss man unbedingt darauf achten, dass die gesamte Anlage von Anfang an sauber im Wasser steht.“ Der Kunde beeilte sich, vor Eintreffen der Lieferungen ein Wasserbecken für seine neue Anlage zu betonieren.

Ein deutscher Muttersprachler wäre zwar viel schlechter als sein z.B. chinesischer Kollege in der Lage gewesen, die Anleitung so zu verfassen, dass ein Techniker aus China damit arbeiten kann, aber es wäre ihm sofort aufgefallen, dass der Begriff „im Wasser stehen“ noch eine andere Bedeutung haben kann, wenn er von einem Ölauge benutzt wird, und die Anlage wäre nicht als „Neuschrott“ montiert worden.

Schöne Grüße

MM

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ok, danke (kwT)
Danke für die Erklärung.