Umgang eines Unternehmens mit Gefahr und Abfall

Moin,

angenommen man unterhielte ein Unternehmen welches gefährliche Abfallstoffe erzeuge und von dem auch eine große Gefahr für die Bevölkerung und die Umwelt ausginge. Sagen wir mal eine Feuerwerksfabrik.
Wenn die „hochgeht“, man erinnere sich nur mal an die Katastrophe von Enschede, können schnell dreistellige Millionenbeträge an Schaden entstehen - die verletzten und getöteten Menschen noch nicht mal berücksichtigt.

Muss man als Betreiber hier für den Betrieb eine Versicherung nachweisen welche die Kosten zu 100% denken wird? Oder kann man die Versicherungssumme legal auf sagen wir mal 100Mio. deckeln um Kosten zu senken - ggf. geht mal nach einem Schaden dann eben einfach in Konkurs und lässt den Staat einspringen.

Auch könnte man auf die Idee kommen die giftigen Abfallstoffe aus dem regulären Betrieb einfach endlos auf dem Betriebsgelände zu lagern. Ginge das oder muss man da eine angemessene Entsorgung nachweisen?

Danke für Aufklärung,
J~

Ginge nicht, denn damit würde ja aus dem normalen Anfall von Betriebsabfällen und deren regelmäßiger Abholung eine Deponie.
In der Betriebsgenehmigung gibt es Auflagen zu den Abfällen, welche Mengen wo und wie auf dem Gelände gelagert werden dürfen. Die ordnungsgemäße Entsorgung muss nachgewiesen werden.

Gleiches gilt auch für die Rohstoffe, je nach Gefährdung, sind auch die in Menge und Lagerort reglementiert.

Übrigens, dass letztlich die örtliche Gemeinde oder das Bundesland für Altlasten aufkommen muss, wenn der Betrieb Pleite ist und keine Versicherung mehr besteht und auch die Besitzer persönlich nicht zahlen können. Im Rahmen der Gefahrenabwehr muss dann eben der Staat in Vorkasse treten und Gifte entsorgen lassen.

MfG
duck313

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Hallo,

ich vermute dass man eine fachgerechte Entsorgung nachweisen muss, weiß es aber nicht sicher. Grundsätzlich gibt es aber genaue Vorschriften über die Lagerung von Gefahrstoffen.

Die Katastrophe von Eschede ist ein komplett anderes Thema. Wenn ich mich richtig erinnere war das ein Unfall in einer Produktionshalle, der in einer Kettenreaktion sämtliche Lagercontainer auf dem Gelände zur Explosion gebracht hat. Allerdings wurden auf dem Gelände (ungeschützt?) viel zu große Mengen Gefahrstoffe gelagert, inklusive illegaler Feuerwerkskörper. Wären die Vorschriften eingehalten worden, würde ich davon ausgehen dass die Lagercontainer diese Eskalation verhindert hätten oder zumindest der Feuerwehr genügend Zeit zur Sicherung gegeben hätten, genau dafür sind sie ja gedacht.
Das hat aber nichts mit vorschriftsmäßiger Abfalllagerung zu tun und ich würde davon ausgehen dass bei so extremen Verstößen die Versicherung nicht zahlt.

Gruß
Tobias

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Naja, unabhängig von der Schuldfrage könnte es ja sein, dass die Versicherung in Vorleistung gehen muss. Das ist wenn ich mich recht erinnere bei der KfZ-Haftpflichtversicherung ja nicht anders wenn der Versicherte zB grob fahrlässig einen Unfall verursacht. Um Regressansprüche geht es mir hier aber nicht.

VG
J~

Das wäre durchaus möglich. Leider finde ich nichts explizites über schwere Unfälle mit Fahrzeugen bei denen zum Beispiel aufgrund von illegalem Tuning die Betriebserlaubnis und der Versicherungsschutz erloschen sind und die Umbauten auch noch die Ursache des Unfalls sind. Keine Ahnung ob es dafür eine Regelung gibt.

Mir ging es aber eher darum dass ich bei der Frage den Eindruck hatte dass es um das Ausreizen einer Lagerung/Entsorgung von gefährlichen Abfallstoffen in einem legalen Rahmen geht, während es sich beim Beispiel um eine Katastrophe handelt, die in erster Linie auf falsche Lagerung von illegalen Gefahrstoffen zurückzuführen ist.

Ursache dieser Explosion bzw. der schwerwiegenden Folgen war die eklatante Missachtung von geltenden Vorschriften und gesundem Menschenverstand. Ich hatte zweimal die günstige Gelegenheit, die Produktion von Feuerwerkskörpern zu besichtigen und die über allem stehende Maxime war die Sicherheit von Mitarbeitern und Umgebung.

Eine explizite, über das betriebswirtschaftlich sinnvolle und gebotene Versicherungspflicht gibt es m.W. nicht und eigentlich wüsste ich auch davon, wenn es sie gäbe.

Das ist ja generell nicht einfach erlaubt. Wobei eben das, was für Feuerwerk verarbeitet wird, nicht besonders giftig ist. Da fallen mir eher andere Industrien ein.

Gruß
C.

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Au, der Satz war nix. So ists besser:
Eine explizite, über das betriebswirtschaftlich sinnvolle und gebotene Maß hinausgehende Versicherungspflicht gibt es m.W. nicht und eigentlich wüsste ich auch davon, wenn es sie gäbe.

Angesichts der Tatsache, dass Atomkraftwerke nicht mal versicherbar sind, würde ich jetzt ganz einfach behaupten: nö.

Das Umweltbundesamt sagt dazu:


Von einer Versicherungspflicht findet man dort nichts…
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Es gibt für das Thema einen ganzen Haufen relevanter Vorschriften. Das ist bis ins kleinste Detail geregelt. Neben je nach Stoff der Gefahrstoffverordnung das Sprengstoffgesetz, die zugehörige Verordnung und spezielle Richtlinien zur Lagerung, eingeteilt nach Art und Menge. Hier mal eine Übersicht.

Da ist dann auch definiert, was „Lagerung“ überhaupt ist. Und inwieweit wir uns in den Bereich Lagerung bzw. Langzeitlagerung gefährlicher Abfälle bewegen.

Salopp formuliert ist es dann, wenn es ordnungsgemäß läuft, versichert. Wenn es nicht ordnungsgemäß läuft, ist es eh nicht versichert. Im Detail ist es natürlich schwieriger, weshalb nicht umsonst Gerichte meist beschäftigt sind, wenn es schief geht.

Selbstverständlich besteht eine Versicherungspflicht mit ausreichender Deckungssumme
https://verwaltungsportal.hessen.de/leistung?leistung_id=L100001%3A%3A9106663

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Moin und danke an alle, die bisher geantwortet haben!

Tatsächlich ist der Hintergrund meiner Frage der, wer das finanzielle Risiko einer Atomanlage (aka Atomkraftwerk) tatsächlich trägt. Stumpfe Befürworter argumentieren ja gerne, das Atomstrom so günstig sei (und die Gegner rein ideologisch verblendet). Aber mich düngt, dass er das nur ist, weil das Risiko sozialisiert wird und nicht auf den Strompreis umgelegt werden muss.
Aber um das besser bewerten zu können wollte ich erst einmal verstehen, wie eine gewöhnliches Unternehmen rechnen muss. Drum meine „Einstiegsfrage“.

Tja, da fragt man sich natürlich, was ausreichend ist. Wikipedia nennt bei der Katastrophe in Enschede € ~450Mio Schaden. Das klingt viel, sind aber nur lächerliche 1,7 Promille von dem was Fukushima gekostet haben soll (laut tagesschau.de $260Mrd) . Dabei ist das noch nicht mal so „hochgegangen“ wie Tschernobyl.
Also mit ~€500Mio Versicherungssumme sollte selbst eine Feuerwerksfabrik mitten in einer Großstadt ausreichend versichert sein.
Und der Witz ist: AKW haben in der Größenordnung die GLEICHE Deckungssumme, können aber locker das TAUSENDFACHE an Schäden verursachen.

Im Link von @asteiner ist im Bezug von explosiven Stoffen auch von einer „ausreichender Deckungssumme“ die Rede, s.o. Das wären bei einem AKW dann also €500…1000Mrd.

Dazu kommt der zweite Aspekt Abfall zu dem ihr mir ja auch geantwortet habt.

Tja. Atommüllproduzenten unterliegen nicht dem Zwang ihre Betriebsabfälle endgültig entsorgen müssen - so wie es von anderen Unternehmen offenbar gefordert wird.

Ich finde es immer wieder bezeichnend wie bei vielen gesellschaftlich relevanten Themen „Glaube“ und „Ideologie“ eine so wichtige Rolle spielen bzw den Gegner vorgeworfen werden. Dabei ist Atomkraft, von vielen anderen Aspekten mal völlig abgesehen, meiner Meinung nach schon wirtschaftlich nicht tragbar. Es sei den, es kommen Bedürfnisse zu tragen, dass man AKW aus militärischen Gründen haben möchte um waffenfähiges Material erbrüten zu können.

Eben stolperte ich übrigens noch über einen Artikel von 2011 aus dem Manager-Magazin wo bei einer ausreichenden Versicherung eine Erhöhung des Strompreises um das 20…40-fache spekuliert wurde. Und diesen Wettbewerb bräuchte wirklich kein Wind- und Stombauer fürchen. Ja wenn…

VG
J~

M.W. produziert nur noch Weco in Deutschland nennenswerte Mengen und das nicht mitten in einer Großstadt, sondern am Rande von Eitorf. Der Rest - Stand 2006 - handelt und verpackt. Da kommen zwar auch größere Mengen zusammen, aber die werden nicht in einem Haufen gelagert, so dass Explosionen wie in Enschede eher ausgeschlossen sind.

Was ausreichend ist, regelt im Gegensatz zu den AKW nicht ein Gesetz, sondern liegt im Ermessen des Unternehmens und der zulassenden Behörde. Das ist es, was ich mit

meinte. Natürlich hat jedes Unternehmen eine Haftpflichtversicherung, um sich und Dritte gegen Schäden abzusichern.

Waren das nicht mal 500 Mio. D-Mark zzgl. einer gemeinsamen Erklärung der AKW-Betreiber, zusammen Schäden bis 2,5 Mrd. Euro abzudecken? Es gab da mal ein nettes Buch „Explosion im Atomkraftwerk“, was eigentlich ganz eindrücklich schilderte, was so ein AKW mit der Umgegend macht, wenn es hochgeht (im Buch war es - meine ich - ein Anschlag). 2,5 Mrd. Euro reichen da natürlich kaum aus.

Naja, es hat den Anschein, dass Atomstrom auch ohne Versicherung gegen Strom aus EE nicht zwangsläufig und immer konkurrenzfähig ist:
https://twitter.com/f2135/status/1683024067492737025?s=20

Gruß
C.

Moin,

in Kiel produzieren die auch noch. Von drei Seiten von Feldern umgeben, die vierte ist 500m von einem Ort entfernt.

Was ausreichend ist, regelt im Gegensatz zu den AKW nicht ein Gesetz, sondern liegt im Ermessen des Unternehmens und der zulassenden Behörde. Das ist es, was ich mit

meinte. Natürlich hat jedes Unternehmen eine Haftpflichtversicherung, um sich und Dritte gegen Schäden abzusichern.

Was meinst du mit „zulassenden Behörde“? Muss die geplante Versicherungssumme also abgesegnet werden? Es ist doch klar, dass eine hohe Prämie den Ertrag schmälert. Man könnte die Versicherungssumme also gegen einen wirtschaftlicher erscheinenden Konkurs abwägen wollen. Das kann nicht im Sinne der Allgemeinheit sein.

Waren das nicht mal 500 Mio. D-Mark zzgl. einer gemeinsamen Erklärung der AKW-Betreiber, zusammen Schäden bis 2,5 Mrd. Euro abzudecken?

Ja. Im Artikel von 2011 steht „knapp 250 Millionen Euro“, und 2,25 Milliarden Euro gegenseitige Unterstützung. Ob die anderen Unternehmen die hätten aufbringen können?
https://www.manager-magazin.de/finanzen/versicherungen/a-761954.html

Auch nett zu lesen: SPON: Kernkraft ist nachhaltig – nachhaltig unversicherbar

VG
J~