Umgang mit umfassender Schreibangst

Hallo liebes Forum,
meine Schreibangst ist wohl das einzige, worüber ich wirklich schreiben kann, weil sie immer für mich präsent ist. Ich bin Schüler der 13. Jahrgangsstufe eines Gymnasiums, stehe also kurz vor dem Abitur, und verzweifle langsam. Schon seit längerer Zeit passiert es mir, dass ich während den Klausuren gegen eine Wand fahre, verunglücke und nicht mehr alleine aufstehen kann; ich gelange an einen Punkt, an dem es mir unmöglich wird, den Stift wieder aufs Papier zu setzen und weiterzuschreiben. Nicht aus dem Grund, dass ich keine Ideen mehr hätte; nein, die habe ich, en masse! Doch plötzlich kann ich nicht mehr unterscheiden zwischen dem, was wichtig ist und dem, was mir gerade durch den Kopf stömt. Von meinen Lehrern wurde mir schon oft gesagt, dass ich eine Phantasie und auch einen Wortlaut wie kein zweiter bei uns in der Stufe hätte und „dass keiner etwas schöner sagen könne als Marius“. Die Klausuren enden dann meist damit, dass ich vorzeitig abgehe, mit einem rabenschwarzen Gewissen und Depressionen aus dem Raum schleiche und einige Tage später von der wie ein trauriger Hund dreinschauenden Lehrerin ein Heft überreicht bekomme, das eine schöne, kringelige 5 oder 6 ziert.
Na schön, wird da einer sagen; das Abitur ist bald vorbei und danach muss ich nicht mehr derart schreiben. Doch so ist es leider/glücklicherweise nicht. In mir drin stecken Ideen, die ich, vormittags wohl gehütet, nachmittags aufs Papier schreien muss! Denn andererseits liebe ich das Schreiben, das Sich-Ausdrücken, das gestalten von fremden Welten, deren Existenz an einem vorbeischnurrt, nur wenn die Augen über die Buchstaben gleiten. Doch auch nachmittags überfällt mich der gleiche Kummer wie zur frühen Stunde; Ich nehme mir viel Zeit, setze mich hin, genieße das Leben, ziehe Stift Zettel hervor und lasse mich inspirieren. Dabei finde ich sogar manchmal zu meiner Sprache, doch viel öfter baut sich ein hoher Druck auf, weil ich (nicht willentlich!) mich dazu zwinge, endlich Ausdruck zu finden.
Natürlich mag man nun annehmen, dass ich ganz ohne System versuche, damit zurande zu kommen oder, genau wie der unregelmäßige Puls dieses Textes es verlauten lassen könnte, völlig übereilt oder unbesonnen mit mir und meinen Problemen umgehe. Doch das ist nicht wahr.
Schon oft habe ich vor dem eigentlichen Schreibprozess Gliederungen angefertigt und mich nachher gewissenhaft daran zu halten versucht und meine Unwissenheit in Bezug auf Inhalt und Sprache, Tempo und Stimmung usw. genauestens analysiert, was meine Unzufriedenheit aber nicht im geringsten zu lindern vermochte. Die Lösung all dessen liegt auf der Hand; in mir brütet eine innere Blockade, gewachsen auf Selbstzweifel und überhöhten Erwartungen meiner selbst und anderer.

Meine Frage hier ist deshalb: Wie soll ich damit umgehen? Zu welcher ärztlichen Behandlung ratet ihr mir?

Herzlichst, Marius

PS: ich lese den Text lieber kein zweites Mal, es könnte sein, dass ich ihn sonst einfach lösche.

Hallo,

also erstmal: Schön formuliert, keine Sorge :smile:

Wirklich helfen im Sinne eines Schlachtplans kann ich dir nicht, auch wenn ich Phasen kenne, in denen kein Satz aufs Papier will, weil einfach keine Wörter kommen, aber auch Phasen, in denen die Eloquenz halt mal vorbeiguckt. Und manchmal gehts mir auch so, dass ich gern irgendwas loswerden würde, aber mein Wortschatz nicht reicht und ich rumfluche, weil ich nicht malen kann.

Ich hätte aber eine Frage interessenhalber: Du schreibst immer, dass die strukturellen Zwänge einer Gliederung und Ordnung deiner Gedanken dazu führen, dass du überhaupt nichts mehr rauskriegst, weil du das Knäuel in deinem Kopf nicht dieser Struktur anpassen kannst. Jetzt erstmal weg vom Kontext Schule: Was passiert denn, wenn du zu Hause beim Schreiben zum Genuss einfach mal nicht den Anspruch an irgendeine Struktur stellst? Sondern einfach schreibst, was halt grad kommt, auch wenn das total zusammenhanglos und wirr scheint. Schon probiert? Funktioniert das? Oder woran siehst du das scheitern?

Gruß
Yvette

Hallo,

in Anbetracht der Tatsache, dass es Sinn macht, im Abitur keine leeren Blätter abzugeben: Könnte es funktionieren, dass du einfach drauflosschreibst?

Ohne Stuktur, ohne den Zwang zu „Sinnvollem“? Irgendwie erscheint es mir sinnvoller, den Lehrer vor die Aufgabe zu stellen, sich durch einen Wust zu arbeiten, als vor lauter Schiss gar nichts hinzuschreiben. Schlechter als nichts abgeben kann es wohl nicht werden.

Schöne Grüße,
Jule