in der Sendung „Schalom“ vom 22.12.2017 sagt der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde Berlin folgendes:
„Eine Partei, die schon mal direkt reinschreibt, sie wolle die ??? verbieten, das steht so im Parteiprogramm der AfD, sagt ganz klar und eindeutig, wir wollen kein jüdisches Leben hier.“
Habe ich auch schon gedacht, er spricht es aber komplett anders aus. Außerdem hat die AfD meines Wissens nach diesen Punkt aus dem Programm zur BTW rausgenommen.
Wie @anon56793850 bereits erwähnt, spricht Königsberg da das Schächten an. Hebr. שחיטה, „schechitāh“, vokalisiert: שְׁחִיטה . Das Schwa mobile unter dem ש wird nicht ausgesprochen, also [ʃχiˈta] „schchita“. Wird aber trotzdem meist als „Schechita“ transkribiert.
Die Aussage des Beauftragten ist schlichtweg Unsinn. Schächten ist definitiv Tierquälerei und laut dt. Tierschutzgesetz zu Recht illegal. Allerdings sind Ausnahmen vor dem Gesetz möglich, wie eben das jüdische Schächten, wobei bestimmte Bedingungen einzuhalten sind, die allerdings keinen mildernden Einfluss auf das Leid der Tiere haben.
Tierquälerei mit antiker religiöser Dogmatik zu rechtfertigen, ist aus moderner ethischer Sicht allerdings unhaltbar. Eine Religion sollte fähig sein, sich von antiquierten Anschauungen zu lösen, die mit moderner Ethik im Widerspruch stehen. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist, dass ein Verbot des Schächtens überhaupt nichts mit der Abschaffung des „jüdischen Lebens“ zu tun hat, wie der Antisemitismusbeauftragte sehr überempfindlich behauptet. Es geht dabei nur um ein bestimmtes, für betroffene Tiere aber sehr entscheidendes Detail jüdischer ritueller Praxis. Die jüdische religiöse Identität an diesem einen Punkt festzumachen, ist einfach nur albern und bestätigt Freuds These von der monotheistischen Religion als Form der Zwangsneurose.
Das kann man so sehen.
Noch bedenklicher finde ich an der Aussage ja, dass er das „jüdische Leben“ so sehr direkt am Schächten festmacht: Wer das Schächten verbieten will … der sagt ganz klar und eindeutig: ‚Wir wollen kein jüdisches Leben‘.
So eine Reduktion des Judentums auf eine Schlachtpraxis ist schon sehr krass, auch wenn er das vermutlich nicht so gemeint hat, weil es sicherlich spontaner Rede entsprungen und im Kontext der AfD-Kritik zu verstehen ist.
Es ist schlichtweg ein eristischer Kunstgriff, der seinerseits dem Gegner den eristischen Kunstgriff unterstellt, durch eine bewußte sog. „falsche Äquivalenz“ („pars pro toto“; Schächten als Bestandteil religionshistorischer bzw. kultureller Identität des Judentums) eine vom Publikum selbstverständlich als unakzeptabel vorausgesetzte Absicht („toto pro pars“; Abschaffung jüdischen Lebens überhaupt), durch eine eher diskutable Absicht (Schächten verbieten) verschleiern zu wollen.
Ob diese Unterstellung berechtigt ist oder nicht, ist derweil ja hier nicht Gegenstand.
Es ist ja sogar noch komplexer, da diejenigen, denen diese „Verschleierung“ unterstellt wird, selbst bei ihrem Tun diese Verschleierungs-Unterstellung antizipiert und ab ovo zurückgewiesen haben (mit Aussagen wie: es geht uns nur um das Schächten, nicht um das jüdische Leben°1), so dass sie den Gegner damit zwingen können, selbst expressis verbis gerade diejenige reductio herzustellen, mit der sie ihr Werk der Verschleierung verrichten können.
Weniger rhetorisch und mehr politisch gesagt: die AfD hält ein Stöckchen (ein traditionell antisemitisches Stöckchen bekanntlich) hin und Königsberg springt begeistert drüber - und gibt gleichzeitig (auch das ist eine Dimension der Aussage) denjenigen Juden einen größtmöglichen Tiefschlag mit, die „inner-jüdische“ Kritik am Schächten üben.°2
°1 z.B.: „Einen Tag nach dem Parteitag wies Gauland im Deutschlandfunk den Vorwurf zurück, seine Partei wolle die Religionsfreiheit einschränken. Zugleich legte er im Hinblick auf das von der AfD befürwortete Schächtverbot noch einmal nach. In dem Radiointerview betonte er, Schächten sei »eine Frage des Tierschutzes«. Jüdisches Leben sterbe nicht dadurch, »dass wir oder unsere Mitglieder auf dem Parteitag gegen das Schächten aufgestanden sind.“
Die Forderung steht definitiv im Grundsatzprogramm der AfD (Punkt 13.4). Konkret als Forderung nach Streichung der Ausnahmeregelung § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG, nach der für betäubungsloses Schlachten Ausnahmegenehmigungen erteilt werden können, soweit „es erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen“.
Gefordert wird diese Streichung natürlich auch von Tierschutzorganisationen wie dem Deutschen Tierschutzbund und dem Bund gegen Mißbrauch der Tiere. Anders als diese fordert die AfD allerdings auch ein Verbot des Schächtens mit elektrischer Kurzzeitbetäubung - für viele Muslime eine akzeptable und weitgehend praktizierte Alternative. Was zum einen mit den strengen Auflagen für Ausnahmegenehmigungen zu tun hat aber auch damit, dass die Kurzzeitbetäubung in etlichen Fatwas (u.a. von der Al-Azhar in Kairo) als unbedenklich beurteilt wurde und auch z.B. von der DITIB ausdrücklich empfohlen wird.
Dass die AfD mehr um das Tierwohl besorgt ist als die Tierschutzorganisationen, wird ihnen wohl niemand allen Ernstes abnehmen.
an sich hast du Recht, dass dies so pauschal gesagt, natürlich Unsinn ist. Vor allem ist Schächten in der kritisieren Form ein Teil des orthodoxen und konservativen Judentums und hat nichts mit jüdischen Leben im allgemeine zu tun, da eben nur ein kleiner Teil der Juden danach leben und selbst ein grösserer Teil der Juden selbst dagegen ist.
Genau hier beginnt es aber kritisch zu werden, denn leider ist der Ruf nach einem Verbot zu oft auf Rassismus, Antisemitismus und viel zu viel Unwissenheit begründet und eine sachliche Diskussion ist hierüber überhaupt nicht möglich.
So kann man biologisch und wissenschaftlich ein Schächten nach jüdischen Regeln ebenso also ein Töten des Tieres mit vorheriger Betäubung ansehen. Hierzu gibt es auch wissenschaftliche Untersuchungen und wer nun meint mit irgend welchen nachgestellten Greulvideos zu kommen; Die anderen Betäubungsmethoden (welche angeblich tierfreundlich sind) sehen in der Praxis auch nicht besser aus.
Wenn es hier wirklich um das Tierleid ginge (der AfD z.B.), dann muss man eigentlich gegen jede Schlachtung sein und viel früher bei der Tierhaltung anfangen.