Unbezahltes Praktikum trotz Mindestlohngesetz

Hallo in die Runde,

vor einigen Tagen habe ich mich bei einem Unternehmen aus der Sicherheitsbranche beworben und kam dort sehr gut an. Bevor ich dort jedoch einen Vertrag erhalte, soll ich ein „zwei wöchiges unentgeltliches Praktikum“ absolvieren und sofern ich das bestehe, erhalte ich den Arbeitsvertrag.

Mir kommt das ein wenig Spanisch vor, weil ich nirgends finden kann, dass sowas rechtens ist. Ich bin weder auf der Suche nach einem Orientierungs- oder Pflichtpraktikum. Dazu habe ich bereits eine abgeschlossene kaufm. Ausbildung und auch ohne Ausbildung, sehe ich es kritisch.
(Quelle: https://www.lecturio.de/magazin/mindestlohn-praktikum/)

Mir kommt es so vor, als ob man mich vorher testen will. Wenn ich funktioniere gut, wenn nicht dann weg. An sich ist für sowas die Probezeit da.

Wie sieht es hier aus? Müsste das „Praktikum“ nach Mindestlohn bzw. eher nach Tarif bezahlt werden? Vielen herzlichen Dank für hilfreiche Antworten!

Hallo,
schau mal hier - http://www.aok-business.de/nordost/fachthemen/personalrecht-online/datenbank/anzeigen/poc/docid/3944749/zurueck/1/ -
da ist einiges über Praktikanten zu lesen - so auf den ersten Blick könnte man sagen, dass es sich bei dir nicht um ein Praktikum handelt. Hast du das schriftlich vom Arbeitgeber, dass es sich um ein unbezahltes Praktikum handeln soll.
Zum Thema Probearbeitsverhältnis habe ich noch das gefunden - https://www.haufe.de/recht/deutsches-anwalt-office-premium/17-inhalt-des-arbeits-dienstvertrages-4-probearbeitsverhaeltnis_idesk_PI17574_HI11124925.html - danach geht das ohne Entgelt.
Gruss
Czauderna

Für mich klingt das auch nicht nach einem laut Mindestlohngesetz zulässigen unbezahlten Praktikum.

Hast du dieses Angebot, dass du 2 Wochen ohne Bezahlung arbeiten sollst in Textform? Weiß das Unternehmen darauf hin, dass sie dich zu bezahlen haben und drohe ansonsten mit dem Zoll.

Dies aber bitte bald tun, damit sie noch innerhalb der Probezeit kuendigen koennen
Ende Satire

Hi!

Sicherheitsbranche - das überrascht mich jetzt nicht wirklich …

Um es kurz zu machen:
Wenn Du nicht in diesen Personenkreis fällst, dann hast Du Anspruch auf den Mindestlohn.

Du könntest natürlich die zwei Wochen unbezahlt akzeptieren (keine Ahnung, wie die das meldetechnisch in der SV über die Bühne bringen wollen) und dann entscheiden, ob Du bei einer Übernahme einen Haken dran machst und bei einer Nichtübernahme den Zoll informierst und die Knete einforderst - rechtlich wirksam darauf verzichten kannst Du ohne ein Gericht nicht, egal, was unterschrieben wird.

VG
Guido

Würden alle Bewerber einfach mal so auf vollkommen natürliche Dinge hinweisen und sich nicht von derartigen Abzockern über den Tresen ziehen lassen, bekämen diese Unternehmen kein Personal und es fände eine natürliche Selektion auf dem Markt statt.

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Hallo,
das hier könnte doch auch zutreffen - ist aus dem Jahre 2007, womöglich aber noch gültig -

In einem Urteil vom 25. April 2007 hat das
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschieden, dass die Parteien ein so
genanntes „Einfühlungsverhältnis“ vereinbaren können. Zweck eines solchen Einfühlungsverhältnisses
ist nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5.August
2015 …die Voraussetzungen
der Zusammenarbeit für das potenzielle spätere Arbeitsverhältniszu klären, also
insbesondere dem künftigen Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, die
betrieblichen Gegebenheiten kennenzulernen."
Entscheidend für die Abgrenzung zwischen unbefristetem Arbeitsverhältnis
mit Probezeit oder befristetem Probearbeitsverhältnis einerseits und Einfühlungsverhältnis
andererseits ist, dass die Parteien bei einem Einfühlungsverhältnis nicht
verpflichtet sind, die für ein Arbeitsverhältnis typischen Pflichten zu erfüllen.
Der potenzielle Arbeitnehmer muss nicht arbeiten, der potenzielle Arbeitgeber
muss keine Vergütung bezahlen.
Gefunden habe ich das hier : https://www.dgbrechtsschutz.de/recht/arbeitsrecht/arbeitsvertrag/einfuehlungsverhaeltnis-was-ist-das-denn/

Gruss
Czauderna

Hallo Günter,

hier

liegst Du falsch.
Beim Probearbeitsverhältnis besteht vom ersten Tag an Vergütungspflicht, da es typischerweise auch eine Arbeitspflicht beinhaltet.

Was Gegenteiliges sagt der Link auch gar nicht aus.

&Tschüß
Wolfgang

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Und dann war da noch die Drogeriekette, die ein zweimonatiges, natürlich unbezahltes Praktikum anbot, zufällig im November/Dezember. Selber dabei gewesen, also nicht Hörensagen.
Ich möchte nicht wissen, wie viele AN auf solches unseriöses Gebaren eingehen.

Soon

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Ich kenne da jetzt nur die, welche so heißt, wie unsere ehemalige Währung, etwas besser.

Da kann ich mir das nicht wirklich vorstellen …

War auch eine mit einer Art Pferd im Namen…:wink:

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:smiley:

Ich dachte eigentlich, die hätten einen nicht so miesen Ruf - ok …

Hallo,
na gut, wenn wir Probearbeitsverhältnis streichen passt es wieder.
Gruss
Czauderna

Hi Günter!

Nein, könnte es nicht, da spätestens seit 2015 das MiLoG einen Strich durch die Rechnung macht.

VG
Guido

1 Like

Hallo,
Okay, vielen Dank fuer den Hinweis.
Gruß
Guenter

Ich denke, dass es das NICHT macht.
Denn das Einfühlungsverhältnis ist durch das Fehlen arbeitsvertraglicher Pflichten gekennzeichnet.
Der potenzielle Arbeitnehmer arbeitet nicht, er schaut nur interessiert zu. Wer nicht arbeitet, muss nicht bezahlt werden.

In der Realität dürfte das anders aussehen, denn der Arbeitgeber wird vermutlich die Person dennoch arbeiten lassen.

Aber im Prinzip sind vergütungsfreie Einfühlungsverhältnisse immer noch möglich, wenn man sich an die Regeln hält. Keine Arbeitsleistung, kein Direktionsrecht des AG, kein Lohn.

Allerdings sieht der Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht zum §611 BGB hier wegen der Missbrauchsmöglichkeit eine zeitliche Beschränkung vor, „in der Regel nicht länger als eine Woche“.

Zwei Wochen sind schon sehr lange.
Ich würde mich auf ein solches Einfühlungsverhältnis eventuell einlassen, aber sehr genau protokollieren, wie lange ich anwesend bin und ob ich dabei arbeiten muss - oder nur zuschauen darf.

Im Falle eines LKW Fahrers, der eine Woche lang nur Beifahrer war, eine weitere Woche dann aber überwiegend selber gefahren ist, sah das ArbG Freiburg am 21.09.17 an, dass die zweite Woche voll vegütungspflichtig war. (AZ: 14 Ca 5/17)
(Also die erste Woche tatsächlich als Einfühlungsverhältnis galt. Der Arbeitszeitraum war Februar 2017 - also schon bei bestehendem MiLoG.)

Hi,

Es geht hier um ein Praktikum, in dem man offensichtlich nicht nur zuschauen soll …

VG
Guido

Hallo zusammen,

danke für eure Antworten!

Meine Vermutung hat sich bestätigt. Ein Anwalt hat mir hierzu Recht gegeben.

Hierbei muss man zwischen einem „Einfühlungsverhältnis“ ("Ich schaue mal über die Schulter und bin an keine Anweisungen außer dem Hausrecht gebunden) und einem „falschen Praktikum“ (Wie in diesem Fall -> an sich ein Arbeitsverhältnis) unterscheiden.

In so einem Fall sollte man auch darauf achten, ob man nach Mindestlohn oder - noch besser - nach Tarif bezahlt wird.

Was alles auf den Arbeitgeber zurollen kann, wenn er sich nicht daran hält, kann man hier nachlesen: Link

Liebe Grüße & ein schönes Wochenende!