Hallo Eckard,
möglicherweise fehlt mir der Zugang zu Sozialwissenschaften. Ich fühle mich in der Tat auf psychologischer Ebene sicherer. Doch die Betrachtung der Kritikfähigkeit, also nicht die Fähigkeit, Kritik kontruktiv vorzutragen, sondern Kritik konstruktiv aufzunehmen und zum Erfolg der eigenen Tätigkeit einzusetzen, scheint mir im sozialwissenschaftlichen Bereich besonders interessant. Deinem Statement zum konstruktiven Kritisieren ist nichts hinzuzufügen. Mir fehlt allerdings nun die Gegenseite, derjenige, der kritisiert wird. Welchen Anteil hat er an einem kontruktiven Ergebnis? Schon der Volksmund sagt, daß in jeder Beleidigung immer ein Funke Wahrheit enthalten ist. Du sagst ja selber:
Kritik wird also - jedenfalls nach meiner Meinung -
letztendlich geäußert, um Konsens zu erzielen oder einem
Konsens möglichst nahe zu kommen.
Nun gibt es Menschen, die wären gerne konstruktiv, können es aber nicht, weil sie es einfach nicht in die Wiege gelegt bekommen haben.
Hätte nicht auch der Kritisierte hier die Möglichkeit, zu einer konstruktiven Ebene zu finden indem er vermeintliche Beleidigungen einfach überhört und den konstruktiven Faden selber aufnimmt? Wird es ihm wirklich unmöglich gemacht, selber den konstruktiven Faden zu finden, nur weil der Kritisierende nicht genügend Elternhaus, Intellekt und soziale Kompetenz mit sich bringt um die Person nicht zu beleidigen? Ich gehe noch weiter: Gewinne ich nicht Selbstachtung, wenn ich in der Lage bin, Anfeindungen eben NICHT persönlich zu nehmen?
Umgekehrt, welche Macht hat der Kritisierte sich einfach auf den Standpunkt des Beleidigten zurückzuziehen nach dem Motto „Du hast mich beleidigt, bist nicht konstruktiv“ oder noch schlimmer, weil wenig handhabbar: „Der Ton macht die Musik“?
Wie gesagt, ich gehe mehr aus psychologischer Sicht an dieses Thema heran, aber mich würde die sozialwissenschaftliche Approximation durchaus interessieren, weil mir in diesem Puntkt der sozialwissenschaftliche Zugang völlig fehlt.
Das hier:
Es wird
nicht versucht, das eigene Denken deutlich zu machen, sondern
lediglich der Zweck verfolgt, den Kritisierten herabzusetzen.
halte ich für eine Unterstellung. Ich behaupte, der Kritisierende ist hierzu nicht in der Lage. Wie viele Rhetorikseminare musstest Du machen bis Du in der Lage warst, Dinge so auszudrücken wie Du sie meinst? Aber auch das ist eher die psychologische Betrachtung, deswegen interessiert mich die sozialwissenschaftliche Betrachtung so sehr, zu der mir vermutlich der Zugang fehlt.
Insofern handelt es sich dabei um „als Kritik verkleidete
Beleidigung“.
Schon klar, wie ich das apriere oder? Es ist die als Beleidigung verkleidete Kritik.
Das Ziel des Konsenses wird so nicht erreichen
zu sein und ist wohl auch nur scheinbar beabsichtigt.
Vermeintlich. Ich gehe jetzt von einem bestimmten Typus aus, der das eben wirklich nicht kann.
Nur der Narr wird glauben, er sei über Kritik
(wohlgemerkt Kritik zu Sache!) erhaben und bereits so
vollkommen, dass es nichts mehr zu verbessern gäbe.
Der Narr, der sagt: Der Ton macht die Musik.
Der Kritiker sollte also seine Worte mit Sorgfalt wählen und
sich der Wirkung, die sie auslösen, bewußt sein. Beleidigungen
und Kränkungen helfen niemandem, nicht einmal das Ego des
Kritikasters wird dadurch wesentlich befördert werden.
Es gibt Menschen die reagieren erst wenn man ihnen so nah kommt, daß man es schafft sie zu kränken, wenn man schon nicht deren Zuneigung erreicht. Aber auch das ist hier OT.
Zum Schluß noch ein Vers von Eugen Roth, der die
Lächerlichkeit schlecht fundierter Kritik aufzeigt:
Der Rezensent
Ein Mensch hat Bücher wo besprochen
Und liest sie nun im Lauf der Wochen.
Er freut sich wie ein kleines Kind,
Wenn sie ein bisschen auch so sind.
Oh je, *seufz*. Ich verstehe den Vers nicht. Kannst Du ihn mir bitte erklären?
Ich weiß, was ich nicht weiß…
AndyM