Hi Phillipp,
ich bin gestern Mal dazu gekommen, mir deine Aufgabe anzuschauen und schreibe dir jetzt mal, warum das gar nicht so unlogisch ist…
Hallo Mitglieder!
Ich gebe in Mathematik Nachhilfe und bei der Integration von
Funktionen stehe ich nun vor dem unlogischen Problem:
int((2*x+1)^2) dx = ((2*x+1)^3)/3 * (1/2) => klar
int((2*x+1)^3) dx = ((2*x+1)^4)/4 * (1/2) => klar
int((2*x+1)^4) dx = ((2*x+1)^5)/5 * (1/2) => klar
Ok, ich nehme an, dir ist auch klar, dass das in der ersten Zeile so hinhaut, weil nach der Kettenregel beim Ableiten gilt
Kettenregel: f(x) = h(g(x))) => f’(x) = h’(g(x)))* g’(x).
Oder kurz notiert: f = h(g) => f’ = h’(g)* g’.
Wir haben ja im 1. Integral das Quadrat von einer Funktion g, und dies ist genau die Ableitung der rechten Seite h(g) mit äußerer Funktion h.
Bitte rechne das zunächst einmal nach, indem du
g = g(x)= 2*x+1 und
h(g) = (g^3)/3 * 1/2
setzt, jeweils ableitest und einmal g,g’ und h’ in f’ einsetzt!
JETZT selbst überprüfen!!
…
Soweit immer noch alles klar?
Intgriert man die rechte Gleichung der Kettenregel, so bekommt man
int f’(x) dx = int h’(g(x))* g’(x) dx = [h(g(x))] = [f(x)],
daher eingesetzt solltest du die Gleichung aus der ersten Zeile erhalten…
Doch nicht so klar? Na gut, immer schön der Reihe nach:
h’ = h’(g) = g^2 * 1/2.
Dies ist genau genommen nur die Ableitung von h nach g. Leiten wir f jetzt nach x ab:
f’(x) = {h(g(x))}’
= { (g(x)^3)/3 * 1/2 }’
= 3*(g(x))^2)/3 * 1/2 * g’(x)
(4x^3)/3 + (4x^2)/2 + x
Stimmt aber nicht! Kann mir bitte jemand sagen warum?
Doch es stimmt!
Irren ist menschlich, aber die Mathematik irrt sich nicht 
Zunächst einmal haben wir eben festgestellt
int f’ dx = int g^2 dx = int { (g(x)^3)/3 * (1/2) }’ dx
= [f(x)]
= [(g(x)^3)/3 * (1/2)]
Du musst nun die Klammer hoch 3 nur mal ausmultiplizieren und die beiden Terme vergleichen. Also:
g(x)^3 = (2x+1)(4x^2+4x+1)
= 8x^3 + 12x^2 + 6x + 1.
Im nächsten Schritt ist noch zu beachten, dass das Integral ja idR (über ein Intervall I=(a;b) ) mit den reellen Grenzen a,b berechnet wird - weil die Fläche unter der Funktion sonst nicht immer endlich ist und dann kein Integral über ganz R existeirt*.
Wichtig: Beim integrieren über I muss man die Stammfunktion F(x) bilden und auswerten, indem man erst b dann a einsetzt und voneinander abzieht:
int f(x) dx = [F(x)] = F(b) - F(a).
(die eckigen Klammern bedeuten Auswerten der Stammfunktion!)
Also mit f(x) = g(x)^2 ist, wie du ja am Anfang begonnen hast**
int(f(x))dx = int((2*x+1)^2)dx
= [((2*x+1)^3)/3 * (1/2)]
= 1/6*[8x^3 + 12x^2 + 6x + 1]
= [4/3*x^3 + 2x^2 + x + 1/6]
Vergleichen wir dies mit deiner 2ten Möglichkeit, so unterscheiden sich die Ergebnisse nur noch um eine additive Konstante c = 1/6.
Nun ist jedes G(x) = F(x) + c aber auch eine Stammfunktion von f, denn es gilt
G’(x) = { F(x) + c }’ = F’(x) = f(x)
und damit
int f(x) dx = [G(x)],
denn werden a,b eingesetzt, verschwindet die Konstante c beim Auswerten:
[c] = c-c = 0.
Somit gilt [F(x)] = [G(x)] und daher sind beide Wege möglich und richtig.
Insbesondere ist
int f(x) dx = [(2*x+1)^3)/3 * (1/2)]
= [4/3*x^3 + 2x^2 + x + 1/6]
= [4/3*x^3 + 2x^2 + x].
Anderersits ist die 2te Möglichkeit bei einer nicht linearen
Innenfunktion gültig und die erste nicht!
also bei:
int((2*x^2+1)^2) dx = ((2*x^2+1)^3)/3 * (1/4) => falsch
Hier muss man unlogischerweise die Binomische Formel zuerst
anwenden und erst dann integrieren.
int((2*x^2+1)^2) dx = int(4x^4+4x^2+1) dx =>
(4x^5)/5 + (4x^3)/3 + x
Warum?
Weil die Ableitung von 2*x^2+1 nicht konstant ist, sondern von x abhängt.
Die Kettenregel kann man hier nicht anwenden denn die Ableitung der inneren Funktion (nennen wir sie wieder g = g(x) = 2*x^2+1 ) ist nicht konstant:
g’(x) = 4x.
Dadurch wird die Berechnung komplizierter. Denn einen solchen Faktor 4x können wir nicht aus dem Integral heraus- oder hineinziehen, weil wir nach x integrieren.
Der Ansatz f’ = g^2 führt auf f = g^3/3. Sei also h(g) = (g^3)/3. Jetzt ist h’=g^2 und
f’(x) = h’(g(x))*g’(x) = ((2x^2+1)^2)*4x,
aber im Integral steht nur
h’(g(x)) = (2x^2+1)^2.
Oft kann man bei konstanter Ableitung der inneren Funktion g, die Gleichung einfach mit g’ malnehmen, das ist hier aber wegen g’=4x nicht möglich.
Hätten wir jedoch die Aufgabe
int ((2x^2+1)^2)*4x dx
zu lösen, so könnten wir mit dem Ansatz der Kettenregel folgern
int (2x^2+1)^2)*4x dx = int f’ dx
= [f]
= [h(g)]
= [(g^3)/3]
= [((2x^2+1)^3)/3]
Vielen Dank bereits im Voraus!
LG, Philipp
Bitte schön 
Ich hoffe das alles verständlich ist. Wenn du noch Fragen hast, schreib mir ruhig. Es kann allerdings manchmal ein bisschen dauern bis ich zum Antworten komme.
Viele Grüße
Timo
ps. Anmerkung
*: Für unbestimmte Integrale ohne Grenzen a,b (d.h. I=R) oder zB I=(1;00), 00=unendlich und f(x)=x^-2 bildet man vom bestimmten/normalen Integral den Grenzwert für b gegen unendlich und setzt a=1 - aber das hier nur als info am Rande.
Alle f(x)=x^k mit k >= 0 und somit alle Polynome haben kein verallgemeinertes/unbestimmtes Integral über ganz R, da sie für x -> 00 nichtmal asymptotisch verlaufen (f(x)->00 für x -> 00).
** Achtung: Ab hier habe ich f an Stelle von f’ und F statt f verwendet 