Unruhen in Vietnam

Hallo Gemeinde,

bin gestern in Saigon angekommen und merkte absolut nichts. Bekam einen besorgten Anruf von meiner Firma und sagte denen -> ist alles völlig entspannt.

Habe heute noch mit den Mitarbeitern der Firma, bei der ich die Inspektion/Abnahme in Phu Thiet mache, gesprochen und die sind auch entspannt und sehen dies nur als einen Zoff zwischen den Regierungen.

Auch habe ich heute früh im Hotel n Saigon viele chinesische Gescäftsleute gesehen.

Gruß vom Raben

Hi,

genauso wie man in Berlin ja auch am 1. Mai in Charlottenburg einen Kaffee trinken kann während in Kreuzberg die Steine fliegen oder in Hamburg an den Landungsbrücken ein Fischbrötchen essen kann während in der Schanze die Barrikaden brennen.

Würdest DU die Kollegen in Berlin oder Hamburg an dem Tag anrufen würden die denken Du hast sie nicht mehr alle. Aber die sehen 100 Demonstranten in den Medien und denken dass alle Deutschen sich sofort zur Botschaft durchkämpfen müssen um vom KSK ausgeflogen zu werden.

Gruss
K

Hallo,

so ähnlich kenne ich das auch von Kairo! Wir waren zwei Straßen vom Tahrir, wo es Demonstrationen gab, einkaufen und es war alles völlig normal und ruhig!

Einen angenehmen Aufenthalt in Vietnam!
Mannema

Hi

Ein Freund meines vietnamesischen Kollegen (der aktuell in D weilt) hat nen Stein an den Kopf geschmissen bekommen, erzählte selbiger Kollege mir heut morgen. Und dass mittlerweile taiwanesische Firmen Schilder raushängen, damit sie nicht unter den Unruhen zu leiden haben.

lg
Kate

Hi,

in China haben einige Besitzer von japanischen Autos die Logos während der letzten anti-japanischen Proteste mit chinesischen Flaggen überklebt um „gute Chinesen“ zu sein. Andere hatten noch den Spruch „Mein Auto ist japanisch - mein Herz chinesisch“ in die Scheibe geklebt. Dann sind sie brav auf die Strasse gegangen um gegen Japan zu demonstrieren. Danach dann wieder in den Mazda und daheim mit der Frau vor dem Sony TV gesessen und über die Japaner geschimpft. Auch die japanischen Restaurants waren Abends voll mit Chinesen nachdem sie einen Tag lang geschlossen hatten. Mein running gag zu der Zeit war übrigens Taxifahrern auf die obligatorische Frage wo ich herkomme zu antworten: „Japan!“. „Ohhhh…bu hao!!!“ (nicht gut) sagten sie dann. :wink:

Das ist in der Ecke der Welt halt Nationalismus befeuert von der jeweiligen Regierung die ja gewillt ist dass sich die Bürger eher zu aussen- als zu innenpolitischen Themen austoben. Wenn ich mit dem Finger auf einen anderen zeigen kann lenkt das ja kurzzeitig von meinen Problemem ab. Auch in Vietnam.

Nebenbei: Ein Bekannter von mir aus Augsburg hat auch mal einen Stein an den Kopf bekommen. Er ist Polizist und war auf einer Demo eingesetzt.

Gruss
K

Hi

In Vietnam geht es eigentlich gerade um ziemlich konkrete Probleme, nur können die chinesischen Firmen „an sich“ nix dafür, die verhalten sich halt, wie chinesische Firmen das immer tun.

Vietnam steht momentan vor einer großen wirtschaftspolitischen Krise, denn das aktuelle Regierungssystem, dass noch an einem sehr klassischen planwirtschaftlichen Entwicklungsprozess festhält, scheitert nur allzu offensichtlich. Das ist schlecht, denn die Legitimation der Regierung speist sich, wie in China auch, aus dem wirtschaftlichen Erfolg.

Nun hat man sich die Chinesen ja selbst ins Land gehört, denn anstatt Infrastrukur aufzubauen und größere Flächenstriche der eigenen Bevölkerung zu fördern wurde seit den 90ern eher auf Leuchtturmprojekte gesetzt, auf große industriell geförderte und sehr freie Städte, welche möglichst viele internationale Investoren (primär aus China) anlocken sollten.

Den Städten im Süden geht es eigentlich relativ gut dabei, die Landstriche zwischen den Leuchtturmstädten leiden ziemlich, denn die Land-Stadt Verschiebung funktioniert aufgrund des beschränkten Bewegungsrechts schlecht. Manche müssen Jahrelang darauf warten, dass ihnen erlaubt wird, von ihrem verrottenden Hof wegzuziehen.

Das eigentliche Problem ist aber der Norden des Landes. Hier ist die Armut groß, die Industrie ähnelt der Chinas in den 70ern-80ern und die Qualität kann sich schlecht steigern, weil es keine Infrastruktur gibt - keine Straßen, kein Strom, kaum sauberes Wasser und vor allem keine Bildung!

Nun wurden die Grenzen geöffnet und das Ergebnis war, dass Waren in China gekauft werden und chinesische Waren den heimischen Markt überfluten - die sind noch billiger erstaunlicher Weise, und etwas besser hergestellt. Dadurch geraten die Nordprovinzen in sehr große Bedrängnis und das lädt sich auch auf ethnischer Ebene auf: Kaum ist in Vietnam der Nationalismus größer als im Norden, war dieser doch ständig von den Chinesischen Invasoren bedroht (ein anhaltendes Narrativ). „Die Chinesen klauen uns die Jobs, die Frauen und das Land“, das ist die eigentliche Quellen der antichinesischen Unruhen.

Und dazu dann der Übergriff auf Seeterritorien die China nicht zustehen, die es aber selbstverständlich als eigenes Gebiet betrachtet. Dieser Kampf dauert jetzt schon Jahrhunderte an, fast alle Inseln des Drachenbauches werden von China beansprucht.

lg
Kate

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Liebes Reisebrett,

Ich handhabe es gerne locker, wenn Beiträge hier im Brett nicht vollständig streng dem vorgegebenen Frage-Antwort-Schema entsprechen.

Aber hier mit dem Abstecher zur politischen Diskussion ist doch die Grenze dessen, was sinnvollerweise im Reisebrett steht, erreicht und ich erlaube mir, den Thread zu schließen.

Mit der Bitte um Verständnis
Hardey (Reise-Mod)