Ab dafür …
Originalzitat Horst Köhler am 22.05. im Deutschlandfunk:
_Meine Einschätzung ist […], dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern. Alles das soll diskutiert werden, und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.
[…]
Wir haben ja leider diese traurige Erfahrung gemacht, dass Soldaten gefallen sind, und niemand kann ausschließen, dass wir auch weitere Verluste irgendwann beklagen müssen. […] Das ist die Realität unseres Lebens heute, wo wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen: Es gibt Konflikte. Man muss auch um diesen Preis sozusagen seine am Ende Interessen wahren._
Schön - da hat sich dieser famose Ex-Sparkassendirektor (es gibt ja auch ein Leben nicht nur nach, auch vor der Politik) ausgerechnet am Tag vor dem Tag des Grundgesetzes, an dem vom Bürger so gerne Verfassungspatriotismus eingefordert wird, von eben diesem Grundgesetz distanziert. Was irgendwie symptomatisch dafür zu sein scheint, wie sehr unserer politischen Klasse Art. 87a Abs.2 unserer Verfassung offensichtlich am Arsch vorbei geht:
„Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.“
Man mag es erstaunlich finden - aber tatsächlich findet sich dort auch bei gründlichem Suchen nichts von Wahrung wirtschaftlicher Interessen, von Sicherung von Arbeitsplätzen und Einkommen durch militärische Einsätze. Schon gar nicht von militärischer Erzwingung „freier Handelswege“ - das gehört dann wohl doch eher in die Mottenkiste wilhelminischer Kanonenbootpolitik. Fast ein Grund, erleichtert aufzuatmen - gäbe es da nicht doch diese irritierende Realität, diesen kleinen häßlichen Krieg in Afghanistan. Wo nicht nur unser als Kollateralschaden nun abgängiger Bundespräsident sich fragt, wozu er denn nun wirklich gut sein soll. Schön, dass das Staatsoberhaupt persönlich mal den Versuch macht, den Bürgern reinen Wein einzuschenken und diese Frage so frei von der Leber weg beantwortet. Vielleicht nicht richtig, aber wohl doch ehrlich - das sollte den Bürger eigentlich freuen, den ja immer wieder die klassische Frage der politisch Mündigen, die alle vier Jahre ihre Stimme abgeben dürfen, umtreibt: „Was denken die sich eigentlich dabei?“ Wie man sieht, ist „nichts“ eine zwar häufig naheliegende, aber nicht immer richtige Antwort. Das hat man davon, wenn man einen Banker zum Staatsoberhaupt macht.
So lobenswert Herrn Köhlers naive Offenheit war - inhaltlich wendet sich da der Zuhörer mit Grausen. Als gewiefter Politiker hätte Herr Köhler freilich wissen müssen, dass man so etwas einfach nicht tut - das ist politischer Selbstmord.
Einmal aus dem Sack war diese Katze nicht mehr einzufangen. Das war derart unzweideutig - da gab es nichts zu reparieren und auch nicht mit bemühten Umdeutungen zu relativieren. Nicht die, die Herrn Köhler für dieses unbekümmerte Säbelrasseln gerügt haben, haben das Ansehen des Amtes des Bundespräsidenten geschädigt - das hat Herr Köhler im Alleingang fertiggebracht. Er hat keinen nachvollziehbaren Grund, nun auch noch beleidigte Leberwurst zu spielen.
Wenn er behauptet, die Kritik an seinen Äußerungen ließe den notwendigen Respekt vor seinem Amt vermissen, dann hat er entweder selbst nicht so recht verstanden, was er da eigentlich von sich gegeben hat, oder er hat nicht verstanden, was er persönlich diesem Amt und seiner Würde schuldig ist - und dass es ihn nicht sakrosankt macht.
Wenn er nun glaubt, diese vorgebliche Respektlosigkeit vor dem Amt des Staatsoberhauptes als Grund für seinen Rücktritt vorschieben zu müssen - nach dem Motto, nicht er selbst, sondern seine Kritiker seien schuld daran, dass die Bürger fortan auf ihren braven und beliebten Präsidenten verzichten müssen, dann ist das nur noch peinlich - aber es war erwartbar. Die Kritik liess vielleicht Respekt für seine Person vermissen - aber nicht für sein Amt, dem er offenbar nie so richtig gewachsen war. Wie so häufig bei Politikern fällt es dem Betroffenen mal wieder schwer, Amt und Person auseinanderzuhalten. Ob dieser Respekt für seine Person wiederum notwendig oder gar verdient gewesen wäre, daran lässt diese Rücktrittsrede eher noch zusätzliche Zweifel aufkommen.
Das einzige, was man ihm zugute halten möchte, ist, dass er sich entschlossen hat, den Käßmann-Bonus in Anspruch zunehmen und das Amt nicht weiter dadurch zu beschädigen, dass er das Unvermeidliche hinausgezögert hat. Als Bundespräsident war er schlicht nicht mehr tragbar. Schade, dass ihm nicht aufgegangen zu sein scheint, warum das so ist.