Für einen dialektischen Ansatz
Hi.
„Er kann die Welt nicht verstehen, ist fremd in ihr. Als die
berühmte Subjekt-Objekt-Spaltung bleibt dieser Sprung prägend
für die gesamte Neuzeit. Kant erklärte, warum wir vom „Ding an
sich“ nichts wissen können…“
Kants Theorem vom Ding-an-sich enthält mehrere Widersprüche, von denen folgender vielleicht am schwerwiegendsten ist. Kant setzt implizit voraus, dass das Ding-an-sich die Sinne affiziert (= reizt, auf sie einwirkt), dass es die Erscheinungswelt also kausal prägt. Damit spricht er dem Bereich des Ansich ein Merkmal zu (Kausalität), das laut Kant zu den Funktionen des subjektiven Verstandes zählt und nicht zu den Aspekten der Erscheinungswelt. Die Behauptung eines kausalen Dinges-an-sich widerspricht aber Kants anderer Behauptung, dass über das Ding-an-sich keinerlei Aussage gemacht werden könne.
Ein weiterer Widerspruch ist die Aussage der Existenz eines Dinges-an-sich. Wenn es den Sinnen so absolut unerkennbar ist, wie kann der Verstand dann von ihm wissen? Kants Verweis auf die Angeborenheit (Apriorität) dieses Wissens kann nicht befriedigen.
Ohne die Sinne Wuessten wir GAR NIX!
Der Wahrheitswert der Sinnesdaten steht ja gerade zur Debatte. Deine Formulierung setzt voraus, dass die Sinne „Wissen“ produzieren. Hier wirst du „Wissen“ definieren müssen, ebenso den Begriff „Wahrheit“, denn an dieser scheiden sich die Kategorien des Phänomenalen (der Erscheinungen) und des Noumenalen (dem vermeintlich unerkennbaren Wesen). Dass sich ein „Wissen“ über Inhalte und Gesetzmäßigkeiten der Erscheinungswelt funktional bewährt (Pragmatismus), bedeutet nicht, dass die damit verbunden theoretischen Annahmen „wahr“ sein. „Wissen“ mag also funktionieren, ohne dass das einen absoluten Wahrheitswert einschließt.
Dass „unsere Sinne unsere Welt sind“, wie deine Titelzeile anfragt, ist natürlich zu verneinen. Auch der entgegengesetzte Ansatz (Konstruktivismus: Die Welt ist vom Subjekt konstruiert) ist zu einseitig. Meiner Ansicht nach kann einzig ein dialektischer Ansatz, der von einem „absoluten Geist“ ausgeht, die Widersprüche auflösen, in welchen sich die nichtdialektischen Anschauungen verheddern.
Chan