No ja, für
sind die einigen hundert Jahre, während derer sich Deutsche und Franzosen in dieser Gegend etwa zwei Mal pro Jahrhundert gegenseitig umgebracht haben, nur weil sie die jeweils „anderen“ waren, noch nicht lang genug her.
Wir waren im September knapp zwei Wochen lang entlang des südlichen Vogesenkamms zu Fuß unterwegs - es war ein seltsames Gefühl, dort oben einerseits recht persönliche, regelrecht herzliche Begegnungen mit den Bergbauern zu erleben, ihren hervorragend guten Käse und ihr freundliches Quartier zu genießen, und dann auf dem Marsch von Quartier zu Quartier solche Bilder zu sehen:
Über hundert Jahre, nachdem die Balken, mit denen sie abgedeckt waren, einer nützlicheren Verwendung zugeführt worden sind, sieht man immer noch die Unterstände für die Zigtausende junger Männer aus Frankreich und Deutschland, die sich dort massakrieren lassen mussten, noch bevor sie irgendein eigenes Leben anfangen konnten - für nichts als drei Farben auf irgendwelchen Tüchern, und nicht einmal in der zweifelhaften Logik des Militärs für irgendeinen Nutzen. Am Collet du Linge, wo sich während der ganzen Zeit 1914 - 1918 die Front kaum bewegte, sind 1915 innerhalb von drei Monaten 17.000 gefallen.
Am bizarrsten daran, dass im Jahr 843, als dieses Elend als Folge der Teilung des Erbes von Kaiser Karl seinen Anfang nahm, gar nicht so viele Stämme im damaligen Reich das fränkische Erbrecht der gleichen Teilung unter den männlichen Nachkommen kannten und das Anerbenrecht = ältester oder jüngster Sohn, bei den Ostfriesen jüngste Tochter erbt alles am Stück ungeteilt eher verbreitet war. Man könnte fast glauben, das hätte eigentlich alles nicht sein müssen und wäre eher zufällig so gekommen…
Wie auch immer - dass wir heute mit Vergnügen den Cleebourger Wein verkosten können und all das Unerfreuliche, was in der Gegend dort passiert ist, von heute aus gesehen sehr weit weg erscheint, ist vielleicht das Einzige, was ich „politisch“ im Lauf der letzten fünfzig Jahre erreicht oder mindestens mit bewirkt habe: Der Elysée-Vertrag zwischen den beiden Oberkatholiken Adenauer und de Gaulle war erstmal nur ein Stück Papier. Es brauchte lebendige Menschen, um es mit Leben zu füllen, und das ist gelungen. In den Vogesen, in den Ardennen und an der Marne werden auf Dauer solche Scheußlichkeiten nicht mehr stattfinden.
Schöne Grüße
MM