Unternehmensberater = Aufgabe des eigenen Lebens ?

Hallo zusammen,

ich studiere Wirtschaftswissenschaften und mache mir momentan so meine Gedanken darüber wo meine Reise nach dem Studium hingehen könnte.
Sehr angetan bin ich von der Unternehmensberatung.

Ich habe in den letzten Tagen viel recherchiert und habe ein zweigeteiltes Bild erhalten.
Die eine Seite sagt, wer in die Unternehmensberatung will und dort etwas erreichen möchte, muss sich damit abfinden 70 Stunden Wochen zu haben, den Verlust des Freundeskreises in Kauf zu nehmen (und wohl auch der eigenen Beziehnung, wenn existent) und bereit sein ein fast übermenschliches Arbeitspensum inklusive Druck zu ertragen.

Das Bild das sich durch das Studieren einiger Top-Beraterfirmen-Homepages gezeichnet hat (McKinsey, Boston Consulting Group, Roland Berger) vermittelt mir aber den Eindruck, dass Leistung durchaus ein Schlüsselkriterium ist, aber dass die Balance zum Privatleben mittlerweile gefördert wird.

Ist das klassiche (und klischeehafte) Bild des Unternehmensberaters der sein Leben, bis zu einem bestimmten Erfolgspunkt, komplett dem Beruf verschreibt, privat vereinsamt und mit spätestens 45 den ersten Herzinfarkt bekommt noch aktuell ?
Oder hat man heutzutage die Möglichkeit diesen Beruf zu ergreifen (auch mit dem Wunsch etwas zu erreichen) ohne alles andere im Leben zu verlieren ?
Ist die heutige Realität tatsächlich (noch) so extrem ?

Vielen Dank schonmal im Vorraus für eure Mühe und Antworten. Liebe Grüße

Hallo,

sehr schöne Frage.

Wir leben in der Zeit des extremen Wettbewerbs. Leistung und Profit sind die Kennzahlen, nach denen bewertet wird - und wer da nicht mitschwimmt, steht schnell im Abseits.

Heute sind Handys und Laps nicht mehr aus dem Leben wegzudenken, damit vermischt sich seit Jahren bereits vermehrt der Dienst auch mit der Freizeit. Hier die Lifetime Balance korrekt herzustellen, ist eine Sache der Definition des Einzelnen.

So richtig eigenständig wird die Entscheidung darüber nur in einer wirklichen Selbständigkeit. Hier gilt es, zugunsten des Balance NEIN zu sagen, Projekte abzulehnen und sich die Freiräume so zu erhalten, wie man sie braucht. Das ist individuell sehr unterschiedlich.

Vielfach erliegt die heutige Managergeneration dem Trugbild, dass sie lieber in frühen Jahren überpaced, um mit 50 z.B. dann abzuschliessen. Der Abschluss kommt - Sie beobachten sehr korrekt - mit dem Burnout, wenn es denn so gut abläuft.

Schauen Sie sich den STERN der letzten Woche an, ein interessanter Bericht zu SAP und anderen ist dort zu finden - vermeintliche Ruheoasen und andere Dinge dienen letzlich einer Sache: Leistung und Verfügbarkeit.

Als Unternehmensberater gehts eher darum, möglichst bald einen festen eigenen Kundenstamm aufzubauen. Und - so schwer es ist - da dann dafür zu sorgen, dass das LEBEN nicht zu kurz kommt. Es kommt da auf die eigenen Ansprüche an. Auf die Fähigkeit, Projekte „abzugeben“ (dazu ist das eigene Netzwerk wichtig) und bewusst nicht selber zu machen - und seien sie noch so lukrativ. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer - theoretisch sehr schön, der Verlockung des Geldes erliegen hier jedoch sehr viele: Ist ja nur vorübergehnd. Temporär. Ich fahre rechtzeitig wieder zurück. Anstatt loszulassen.

Es ist dazu wichtig, dass man Aktivitäten in dieser Freizone aufbaut, die entspannen und Freude machen. Die dafür sorgen, dass man runter kommt und entspannt.

Theoretisch hört sich das alles super an. Es kommt auf die Umsetzung an - gegen den Mainstream, der vielleicht auch mal mitleidig lächelt. Was haben Sie für Hobbys?

In großen namhaften UB Agenturen sind als die Startvoraussetzungen sicher klasse - aber dort dauerhaft zu bleiben, ist für Ihr Vorhaben eher nicht geeignet.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihr Vorhaben umsetzen können. Definieren Sie dazu das, was Sie mit der gewonnenen Zeit anfangen wollen, und wo Ihre persönliche Balance angesiedelt ist.

Abschliessend: Selbst eine gesunde Balance ist kein Garant für eine funktionierende Beziehung oder Familie - aber erleichtert diese Dinge ungemein.

LG

Hallo,

zunächst zwei Dinge:

a) Unternehmensberatung ist nicht gleich Unternehmensberatung.
b) Die Frage des „wo will ich innerhalb einer Firma hin“ sollte Berücksichtigung finden.

Grundsätzlich gibt es Beratungshäuser (primär Strategiebeartung, z.B. BCG, McKinsey, Roland Berger), in denen eine gewisse Erwartungshaltung besteht, nicht zuletzt deshalb, weil man hier meist unter hohem Termindruck arbeiten muss. Dort mag zwischenzeitlich zwar auch erkannt worden sein, dass eine gewisse Balance zum Privatleben hergestellt werden muss; real umsetzen lassen wird sich das aber oftmals nicht. Fazit: in diesen Häusern droht tatsächlich eine Unbalance und Koordinationsprobleme von Privatleben und Beruf. Im Gegenzug winkt eine Karriere und exzellente Bezahlung - übrigens wird dort auch erwartet, dass man Karriere macht bzw. sich entwickelt. Ansonsten ist man nach drei, vier Jahren draußen.

Daneben gibt es aber viele (große und kleine) Beratungshäuser, in denen es insgesamt entspannter vonstatten geht. Beispiele mögen sein: BearingPoint, Mummert Consulting oder CSC. Natürlich gilt auch hier: Leistung und Verantwortung werden belohnt. Nach meiner Erfahrung ist es aber hier wesentlich einfacher, eine Balance zu schaffen. Einige meiner Bekannten arbeiten seit vielen Jahren in Beratungen und sind sehr zufrieden. Der Verdienst ist dort aber auch nicht ganz so hoch, sondern eher mit dem zu vergleichen, was man in den Häusern verdient, die man berät.

Daher stellt sich die Frage: was also ist Dein Ziel? Wo willst Du hin? Bist Du der Typ „Karrierist für die Strategieberatung“ oder eher der Typ „Langzeit-Berater in solidem Umfeld“? Und welchen Preis bist Du bereit zu bezahlen?

Vielleicht helfen Dir die Ausführungen ein wenig.

Viele Grüße
Wolfgang

hallo auch, Studierender,
der Beruf „Unternehmensberater“ ist - aus eigener Erfahrung - sehr interessant. Bevor ich diese Richtung einschlug, hatte ich schon tiefe Berufserfahrungen aus anderen Positionen im Bankbereich gesammelt. Daher konnte ich eigene (u.a. Führungs-) Erfahrungen und praktisches Wissen einbringen. Als Einsteiger ohne tiefe Berufserfahrungen wirst Du zwangsweise angelernt. Großen Unternehmensberatungen sagt man nach, dass sie praktisch weitgehend unerfahrene Wirtschaftswissenschaftlern einsetzen, die lediglich über Theorien verfügen, Berechnungen anstellen und nicht wirkliche Hilfe für die Praxis bieten können. Die eigentliche Beratung erfolgt dann durch den Seniormberater. Dieser führt den Juniorberater… und der muss sich hinsichtlich Zeiteinsatz und Ort (viele Reisen…) fügen. Die Freizeit wird vermindert durch das Hin- und Zurückreisen zum Einsatzort. Das schmälert die Freizeit. Auch braucht man in der Regel eine ordentliche Ruhepause… um wieder Kräfte für die kommende Woche zu sammeln. Also Du musst damit rechnen, dass Du in der Woche irgendwo in Deutschland arbeitest… und die private Zeit am WE begrenzter ist, als bei Festangestellten, die nur an einem Ort - dem Wohnort - tätig sind. Also es kann sein, dass die Abende in der Woche „irgendwo“ verbracht werden. In dem Fall ist es weniger wichtig, ob Du 8 oder 12 Stunden pro Wochentag arbeitest, Du bist eh nicht zuhause. Das muss nicht so sein. Es kann auch sein, dass Du „zuhause“ im sogenannten Headoffice ausarbeiten sollst, was es auszuarbeiten gibt. Das ermöglicht mehr Freizeit (in der Woche, abends).
Es ist an der Stelle zu unterscheiden, ob Du für eine Unternehmensberatung/in einer Unternehmensberatung mit weitgehend festen Arbeitszeiten „am Wohnort“ tätig bist, oder in die Beratung als Juniorberater mit auf Reisen genommen wirst.
Je mehr Reisetätigkeit zu Deinem Arbeitsplatz gehört, je geringer wird auch die Freizeit sein. Ob dafür ein Freizeitausgleich geboten wird, gilt bei der jeweiligen Unternehmensberatung sowie deren Anforderung herauszufinden. Gerade in der Anfangszeit einer privaten Beziehung steht der berufliche Einsatz - ohne Freizeitausgleich - den privaten Interessen gegenüber. Besonders Frauen wünschen sich einen beruflich erfolreichen Mann, jedoch auch dass er genügend private Zeit mit Ihnen verbringt. Das beisst sich oft mit den beruflich-zeitlichen Anforderungen eines Unternehmensberaters, der auch herumreisen muss und evt. am WE noch Zeit aufwenden muss, um die folgende Woche bei einem Mandanten vorzubereiten.
Ich würde wie folgt vorgehen: Solltest Du Dich erfolgreich bei einer UB bewerben, dann besprich genau die zeitlichen Anforderungen - die Du dann mit Deinen Mindestanforderungen an Deine private Zeit vergleichst. Selbst wenn in der ersten Phase die zeitlichen Anforderungen für Dich OK sind, kann die private Zeit deutlich geringer werden, wenn ein Aufstieg angeboten wird. Dann kannst Du „aussteigen“ und kannst davon ausgehen, dass Deine Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht geringer sind als bei einer Festanstellung nach Studium in einer Nicht-Unternehmensberatung, weil Du aus einer UB kommst… selbst wenn Du dann auch erstmal wieder „klein“ anfangen müsstest.
Schwarz-Weiss-Malerei ist nicht so mein Ding, jedoch kann ich sagen: Je mehr der Arbeitsplatz in einer UB in Richtung Beratung geht, ist zeitliche Flexibilität und auch zeitlicher Mehreinsatz wichtiger als an einem Arbeitsplatz eines z.B. kaufm. Mitarbeiters einer Firma am Ort. Auch dort fallen sicherlich Überstunden an, jedoch lassen sich diese eher beschreiben und begrenzen, als bei einer UB. Ein UB richtet sich nach dem Kundenfall, der - soweit noch unbekannt - nie im voraus kalkulierbar ist. Jedoch wenn der Arbeitsplatz in einer UB erstmal nur vor Ort (am Heimatort) stattfindet, je eher ist dann auch eine normale Situation zu erwarten, die mit jedem anderen Zeiteinsatz in einer Firma am Ort vergleichbar ist.
Und wenn Du dann doch in die Beratung beim Kunden vor Ort hineingezogen wirst, muss halt eine Abwägung erfolgen, inwieweit der jeweilige Zeitaufwand (incl. Hin- und Rückfahrt in der Privatzeit) noch vertretbar ist. Mir hat UB immer viel Freude bereitet, neue Firmen, neue Anforderungen, Abwechslung pur. Aber je frischer die private Beziehung ist, um so mehr musst Du dann damit rechnen, dass Deine Partnerin Dir erst zeigt und dann leicht übertrieben sagt: „Du bist ja nie da“. Tja, und es gibt viele Berater, die mit ihrer privaten Beziehung auch aus Zeitgründen Schiffbruch erlitten. Bei einem Vorstellungsgespräch - sei doch auch direkt und geh ins Gespräch mit einem erfahrenen Berater dieser Firma. Frag ihn, wie seine private Beziehungen lief… ist er z.B. schon zum 3. Mal verheiratet? Und dann denke über seine Antwort nach.
Besprich die Antwort mit Deiner Lebensgefährtin… und ziehe Deine zeitlichen Grenzen… Genau zu wissen, wie weit man - wenn erforderlich - zeitliche Zugeständnisse machen möchte, ist sehr wichtig.
Ist damit Deine Frage beantwortet? Sonst frag nach…
Viel Erfolg…

Hallo lieber Ratsuchender,

ich versuche einmal kurz auf diese allgemeine Frage zu antworten.

Grundsätzlich habe ich keine persönliche Erfahrung mit einem der Big4, oder einer anderen Beratung sammeln können. Ich habe immer selbständig beraten. Die geleistete Arbeitszeit, in den ersten Jahren,war bei mir regelmäßig höher als 60 Stunden plus Reisezeit. Allein der Tatsache geschuldet, dass die Motivation an den Projekte von meiner Seite sehr hoch war und es einfach einen hohen Einsatz bedarf beim Kunden „anzukommen“.

Diese Thematik setzt sich auch in Beratungshäusern fort, wenngleich die Überstunden in der Regel als Home-Office, oder Freizeit abgegolten werden. Bitte keine Rückfragen wer, wie und was genau…

Den allgemein hohen Stundenanteil (70Stunden) kann ich aber nicht bestätigen, woher hast Du diese Info? Zum Teil werden hier Anwesenheit am Arbeitsort und Arbeitsleistung vermischt. Ich habe mich z.B. proaktiv auf Termine vorbereitet und habe mich nicht um 20 Uhr ins Hotel gesetzt. Das hatte den Vorteil das ich nicht am Wochenende noch schnell eine Präsentation nachbereiten mußte.

Als Beziehungskiller kann ich diese Arbeit nicht bezeichnen, wer labil ist, wird mit jeder anderen Arbeit seine Beziehung gefährden. Das bedeutet, dass nur DU für DEINE Work-life-Balance verantwortlich bist, nicht der Arbeitgeber.

Und zuletzt wer Erfolg sucht, muss auch dafür arbeiten.

Viel Erfolg und Gruß

Die Kernfrage ist eigentlich in meinen Augen: übernehme ich (temporär) Verantwortung für andere Menschen, Unternehmer, die in Not sind, um denen nach bestem Wissen und Gewissen mit aller Kraft aus deren Engpass herauszuhelfen, d.h. will ich deren Situation in den ursächlichen Wurzel wirklich verstehen und Fehlpassagen korregieren oder will ich „nur Geld verdienen im eigenen Interesse“ - wofür? Selbstbefriedigung zur Überdeckung von minderen Gefühlen?.
Die Kernfrage verdichtet sich dann zu „ganz oder gar nicht“.

Ich hatte mit 55 „Burnout“ und wurde in einer Fachklinik repariert. Heute mit 67 bin ich wieder tätig, kleine Jobs, überschaubar, kleines Geld aber auch mit vielen privaten Engagements.

Es ist Ihre Entscheidung, welchen Weg Sie gehen.
Viel Glück.

Hallo,

ich glaube es hängt sehr damit zusammen, welche Ziele man sich selber steckt. Ist der berufliche Erfolg alles, dann wird auch die 70 Stunden Woche sehr faszinierend sein können…
Ich glaube, als Unternehmensberater sollte man sich selber sehr klar darüber sein, welches die eigenen Ziele sind (zumindest sollte man ständig dran arbeiten, da man das von seinen Kunden ja auch einfordert…).

Vielleicht ist der von Dir eingeschlagene Weg genau der Richtige für Dich, vielleicht ist es aber gerade für diesen Weg interessant - in einem Betrieb einmal mitgelaufen zu sein, um einmal zu sehen, mit welchen Alltagsproblemen dort zu kämpfen ist. Die Glaubwürdigkeit für den Weg als Unternehmensberater ist um ein Vielfaches höher… In jedem Fall sind viele Unternehmensberater in speziellen Feldern unterwegs, auf denen bestimmte Vorerfahrungen da sind. - Die sind auch über berufliche Vorkenntnisse zu bekommen.
Ansonsten muss man sich anderweitig Erfahrungen aneignen…
Viel Erfolg und schöne Grüße

Ein Unternehmensberater kann neben seinem Erfolg im Beruf und viel Arbeit durchaus auch ein Familienleben haben und sich sogar für ganz andere Bereiche interessieren und engagieren, wie Film und Kunst; siehe http://fritz-spohn.blogspot.de/