Unterscheidung Sprache/Dialekt?

Es gibt Sprachen, die sind einander so aehnlich (z.B. Hindi und Urdu, Serbisch
und Kroatisch), dass man einander verstehen kann.
Und es gibt Dialekte, die sind einander so fremd (z.B. algerisch arabisch und
ägyptisch arabisch), dass man sich nicht verstehen kann (zumindest in eine
Richtung).
Ich dachte immer, ein Dialekt sei eine Spielart einer Sprache. Und zwei
Sprachen muessen sich immer wesentlich staerker unterscheiden als zwei
Dialekte. Aber die obigen Beispiele zeigen, dass das nicht so ist. Liegt es
etwa daran, dass verschiedene Sprachen auch verschiedene Schriften besitzen?
Oder ist das hier eine politsche Frage, wann es sich um eine Sprache und wann
um einen Dialekt handelt? (Urdu spricht man ja in Pakistan und
schreibt mit arabsichen Buchstaben, Hindi in Indien mit Devanagari-Alphabet;
Serbisch und Kroatisch sind auch durch nur durch politische Umstaende und
damit verbunden durch die Schrift - kyrillisch versus latein - getrennt.)

Viele Gruesse,
Nina

Hallo Nina

Wie du selbst schon erwogen hast, werden Nationalsprachen durch
politische Entscheidungen zu solchen.
Ohne politische Grenzen gaebe es ein Sprachkontinuum, d.h. man wuerde
auf seinem Weg von Deutschland nach Polen nicht ploetzlich auf eine
voellig andere Sprache treffen, sondern es gaebe Zwischenstadien,
also Dialekte, die dem Deutschen immer unaehnlicher und dem
Polnischen immer aehnlicher wuerden. Nationalstaaten vereinheitlichen
die Sprachen jedoch und erklaeren einen Dialekt zur Standardsprache,
die dann im ganzen Land mehr oder weniger eifrig gesprochen wird.

Wie du auch schon festgestellt hast, sind manche Dialekte einander
aehnlicher als manche Sprachen. Daran sieht man, dass die
Bezeichnungen „Sprache“ und „Dialekt“ in diesem Fall keine
linguistischen Fachausdruecke sind.

Weiteres hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Dialekt

Gruss, Tychi

Hallo miteinander,
darf ich mich in Euere Diskussion einklinken, weil ich da Fragen habe.

Ohne politische Grenzen gaebe es ein Sprachkontinuum, d.h. man
wuerde auf seinem Weg von Deutschland nach Polen nicht ploetzlich auf
eine voellig andere Sprache treffen, sondern es gaebe
Zwischenstadien, also Dialekte, die dem Deutschen immer
unaehnlicher und dem Polnischen immer aehnlicher wuerden.

Das erscheint mir als eine sehr kühne Behauptung. Wieso bestanden denn vor der Erfindung der Nationalstaaten schon die verschiedenen Sprachen? Ist nicht die Sprache ein wesentliches Kennzeichen der Nation (als Kulturnation, wenn man so will), und beruht nicht das Streben nach dem Nationalstaat - mindestens seit dem Scheitern des Turmbaus zu Babel - auf der Besonderheit der jeweils eigenen Kultur (mit jeweils der eigenen Sprache)?

Nationalstaaten vereinheitlichen die Sprachen jedoch und erklaeren
einen Dialekt zur Standardsprache, die dann im ganzen Land mehr oder
weniger eifrig gesprochen wird.

Für die deutsche Sprache sehe ich diese Entwicklung nicht: Wurde sie nicht geradezu erfunden als Kompromiss zwischen verschiedenen regionalen Sprachen im „deutschen“ Sprachraum?
Und: Auch nach der Gründung des Deutschen Nationalstaates fanden nur noch Normierungen der deutschen Sprache statt (Rechtschreibreform, Duden); wo wäre 1871 ff. ein Dialekt zur Standardsprache erklärt worden?
(Mir ist statt des Wortes „Dialekt“ die Bezeichnung „Regionalsprache“ lieber, da klingt sicher nichts von Abwertung mit.)
Beste Grüße!
H.

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Hallo Hannes

wuerde auf seinem Weg von Deutschland nach Polen nicht ploetzlich

auf

eine voellig andere Sprache treffen, sondern es gaebe
Zwischenstadien, also Dialekte, die dem Deutschen immer
unaehnlicher und dem Polnischen immer aehnlicher wuerden.

Das erscheint mir als eine sehr kühne Behauptung.

Ich habe mal so etwas gelesen (Encyclopedia of Language, Crystal),
dass es Dialektkontinua gebe, die waren auch auf Landkarten
illustriert. Ob meine Aussage daraus abgeleitet werden kann, weiss
ich nicht so genau.

Wieso
bestanden denn vor der Erfindung der Nationalstaaten schon die
verschiedenen Sprachen?

Natuerlich. Aber die Uebgergaenge von einer zur anderen waren
fliessend.

Ist nicht die Sprache ein wesentliches
Kennzeichen der Nation (als Kulturnation, wenn man so will),
und beruht nicht das Streben nach dem Nationalstaat -
mindestens seit dem Scheitern des Turmbaus zu Babel - auf der
Besonderheit der jeweils eigenen Kultur (mit jeweils der
eigenen Sprache)?

Als die Grenzen eines Nationalstaates festgelegt wurden, hat man das
Kontinuum zerschnitten (Ihr gehoert jetzt zu Portugal und ihr zu
Spanien) und die Sprachen wurden vereinheitlicht. Bei Polen und
Deutschland klappt dieses Beispiel nicht so gut, weil polnisch und
deutsch sich staerker unterscheiden als portugiesisch und spanisch
und weil ein Fluss die natuerliche Grenze zieht.

Nationalstaaten vereinheitlichen die Sprachen jedoch und erklaeren
einen Dialekt zur Standardsprache, die dann im ganzen Land mehr
oder
weniger eifrig gesprochen wird.

Für die deutsche Sprache sehe ich diese Entwicklung nicht:
Wurde sie nicht geradezu erfunden als Kompromiss zwischen
verschiedenen regionalen Sprachen im „deutschen“ Sprachraum?

Einerseits richtig, andererseits gab es Regionen wo die Aussprache
der des Hochdeutschen nahe kam.

Und: Auch nach der Gründung des Deutschen Nationalstaates
fanden nur noch Normierungen der deutschen Sprache statt
(Rechtschreibreform, Duden); wo wäre 1871 ff. ein Dialekt zur
Standardsprache erklärt worden?

Danach nicht mehr. Man muss wohl bis Luther zurueckgehen.

Gruss, Tychi

Hallo an alle !

Ich würde sagen, die Sprachen sind doch das Mittel der Kommunikation zw.den Menschen (auf alle Fälle das Hauptmittel), daß es sich bei denselben also (jetzt mal nicht als Philologe gesehen, ich selbst bin auch keiner) einfach praktisch zunächst mal um ein „Werkzeug“ handelt; und der Gebrauch eines Werkzeugs liegt immer am individuellen Menschen, sicherlich geprägt und beeinflusst durch die umgebende Gesellschaft. Aber trotzdem immer individuell. Das bedeutet, alle Einteilungen die wir der Gesamtverteilung der „gesprochenen Worte“ oder „Reden“ (verzeiht bitte, mir fällt keine gute Umschreibung dafür ein) geben, sind in diesem Sinne „aufgepfropft“. Das heißt keineswegs, daß es nicht sowas wie Sprachen oder Dialekte gäbe; aber aus meiner Sichtweise gibt es da aus diesen Gründen logischerweise Übergänge!
Bitte korrigiert mich, wenn ich da irgendeine falsche Betrachtung habe.

Grüße
Peter

Guten Tag!

Zwischenstadien, also Dialekte, …
Ich habe mal so etwas gelesen (Encyclopedia of Language,
Crystal),
dass es Dialektkontinua gebe, die waren auch auf Landkarten
illustriert.

Das würde mich sehr interessieren. Kannst Du die Literatur genauer anführen?

Kontinuum zerschnitten (Ihr gehoert jetzt zu Portugal und ihr
zu Spanien) und die Sprachen wurden vereinheitlicht.

Vereinheitlicht, wirklich?
Im Prinzip hast Du hier natürlich völlig recht. Und „das Spanische“ in Spanien selbst ist ja wiederum nur eine der Regionalsprachen, die als Gemeinsprache durchgesetzt wurde.

Man muss wohl bis Luther zurueckgehen.

Ja, aber er hat, wie auch die Kanzleisprache Karls IV., eine Mischsprache verwendet und keine der Regionalsprachen. Was natürlich nicht bedeutet, dass das Luther-Deutsch klaglos überall übernommen wurde. Lang kämpften z. B. die Süddeutschen gegen das „lutherische e“ iSingular des Imperativs: lauf(e)!, sag(e)! usw.
Beste Grüße!
H.

Moin,

Ich habe mal so etwas gelesen (Encyclopedia of Language,
Crystal),
dass es Dialektkontinua gebe, die waren auch auf Landkarten
illustriert. Ob meine Aussage daraus abgeleitet werden kann,
weiss
ich nicht so genau.

Dialektkontinua zwischen Sprachen gibt es allerdings, in Afrika an vielen Stellen. Allerdings finden diese eher innerhalb von Familien statt als familienübergreifend. Also zwischen Deutsch und Polnisch hat es sowas, wenn überhaupt, wohl eher vor etlichen hundert Jahren gegeben. Zwischen Polnisch und Tschechisch hingegen gibt es solche Erscheinungen teilweise schon.

Wieso
bestanden denn vor der Erfindung der Nationalstaaten schon die
verschiedenen Sprachen?

Natuerlich. Aber die Uebgergaenge von einer zur anderen waren
fliessend.

Mit der Entstehung der Nationalsprachen entstand meist auch eine reglementierte Hochsprache, die natürlich auf die verschiedenen Dialekte eingewirkt hat und zur Homogenisierung innerhalb des Landes beiträgt. Dies verfestigt natürlich dann auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Nationalsprachen und bricht Dialektkontinua auf.

Gruß

Kubi

Literatur
Hallo Hannes,

Das würde mich sehr interessieren. Kannst Du die Literatur
genauer anführen?

Der erste Titel in den Buchtipps im Fremdsprachenbrett.

Gruß

Kubi

Hallo Hannes

Wenn du nach Dialektkarte oder map of dialects googlest, findest du
so in etwa, was ich meine. Ansonsten siehe auch
http://de.wikipedia.org/wiki/Dialektkontinuum
Gruss, Tychi

Moin Kubi,

sehr einfach wäre es gewesen, auf den archivierten Artikel „Hochsprache und Dialekt“ des leider immer noch gesperrten Fritz R. hinzuweisen, der diese Frage erschöpfend behandelt. Zu finden ganz unten hier am Ende des Brettes.

Gruß
MrsSippi

Auch moin,

sehr einfach wäre es gewesen, auf den archivierten Artikel
„Hochsprache und Dialekt“ des leider immer noch gesperrten
Fritz R. hinzuweisen, der diese Frage erschöpfend behandelt.
Zu finden ganz unten hier am Ende des Brettes.

Hast Du ja hiermit getan. Wie Du jenem Artikel entnehmen kannst, bezieht er sich allerdings hauptsächlich auf die deutsche Sprache, weniger auf den Unterschied Sprache/Dialekt allgemein. Und es steht sogar am Ende dabei, daß ich zu diesem Punkt auch mitgearbeitet hatte - und daher wußte, was drinsteht, und trotzdem meinte, noch etwas dazu sagen zu können, was dort nicht erwähnt wird.

Freundliche Grüße

Kubi

Hallo Kubi,

hast recht, ich hab wohl nicht genau genug gelesen.
Danke für Deine Hinweise.

Grüße
MrsSippi

Sprache ist ein Dialekt, der politisch erfolgreich war!
das hat mit Ländergrenzen etwas zu tun, nicht etwa mit der Beschaffenheit/Herkunft und schon gar nicht der „Qualität“ der Dialekte/Sprachen!

alles, was alle Bereiche des Lebens sprachlich abdecken kann, ist eigentlich eine Sprache - „hoch“-deutsch ( besser nennt man es Standarddeutsch ) oder die südliche Variante, beides könnte Standard sein. Es wird eben eine Norm gebraucht, die der politischen Aufteilung gerecht wird.

Gruß
tina

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