Hallo!
Unter „Belcanto“ versteht man gängigerweise den Gesangsstil, der in der italienischen Oper des frühen 19. Jahrhunderts gefpegt wurde: Rossini, Donizetti, Bellini. (Von der anderen Bedeutung, die sich auf die früheren Epochen der Gesangsgeschichte bezieht, sehe ich in diesem Zusammenhang mal ab). Der Gesang zeichnet sich einerseits durch weite, sehr melodische Bögen aus, andererseits spielen Verzierungen und Koloraturen eine große Rolle. Knappe hundert Jahre später hatte der Verismo mit diesem Ideal völlig gebrochen. Wo es den Komponisten der Belcantoära um „Schönheit“ ging, ging es denen des Verismo um „Wahrheit“. Programmatisch ist etwa der Prolog von Leoncavalls „Pagliacci“. Anderes Milieu, starke bis krasse Effekte, das blieb auch für den Gesangsstil nicht ohne Folgen. Es kommen an angemessenen Stellen durchaus Vortragsanweisungen wie „gridando“ (geschrien) vor, bei Bellini etwa undenkbar.
Was nun Caruso angeht. er war mit der klassischen Belcantoschule vertraut, setzte sie in seinen frühen Jahren auch durchaus ein. Aber seine Stimme wurde schwerer und dunkler, gleichzeitig wurde der alte Gesangsstil verdrängt, so daß auch er sich stilistisch weiterentwickelte, ein erhöhtes Maß an Dramatik und „Realismus“ in seine Interpretationen eunbrachte. In diesem Sinne war Caruso derjenige, der den Belcanto überwand, während etwas gleichaltrige Sänger wie Alessandro Bonci oder Fernando de Lucia die alte Tradition weiterführten.