Unterschied zwischen Epoche und Strömung

Ich müsste (dringend) wissen was der genaue Unterschied zwischen Epoche und Strömung ist, habe übermorgen meine MA-Zwischenprüfung. Rein intuitiv könnte ich wohl Epochen und Strömungen auseinanderhalten aber sobald ich versuche eine genaue Definition aufzustellen, merke ich, dass ich doch nur eine sehr schwammige Vorstellung dieser abstrakten Begriffe habe.

Jetzt habe ich z.B. gelesen, dass der Sturm und Drang eine Strömung sein soll, vorher war ich der festen Überzeugung es handle sich um eine Epoche, ebenso die Klassik. Andererseits werden beide Begriffe oft synonym gebraucht, was ich doch sehr verwirrend finde, da es offenbar - speziell in der Germanistik - eine deutliche Trennung gibt.

Bis zum Ende der Aufklärung scheint ja noch alles recht „geordnet“ abzulaufen, da gibt es keine Überschneidungen - bis zum besagten Sturm und Drang. Ab dieser Zeit überschneiden sich die Epochen (oder Strömungen?) oft, das kann man ganz gut an dieser Grafik sehen:

http://www.xlibris.de/Epochen/Uebersicht/Uebersicht-…

Meine Fragen wären also zum einen: Was ist der genaue Unterschied zwischen Epoche und Strömung? Und zum anderen: Welche der Abschnitte aus der besagten Grafik würde man dieser Definition zufolge als Strömung, welche als Epoche bezeichnen?

Vielen Dank vorab!

das Wichtigste
Hallo Chris!
Ich weiß im einzelnen zu wenig zu deiner Frage, aber eine grundlegende Sache muss ich dir unbedingt mitgeben: Alle Einteilungen der Literaturgeschichte in Epochen oder Strömungen oder was auch immer sind willkürliche Versuche der Wissenschaft, Literatur zu ordnen und zu systematisieren! Dabei sind sich die Wissenschaftler auch nicht einig (z.B. wird im Ausland die deutsche Klassik und die Romantik oft als eine Epoche zusammengefasst, was viele - nicht alle - deutsche Wissenschaftler für völlig abwegig halten!).

Wichtig ist, dass du in einer Prüfung nicht behauptest, so und so wäre es richtig (denn das stimmt nicht!), sondern dass du sagst:
Aus den und den Gründen ist es sinnvoll, vom „Sturm und Drang“ zu sprechen…
Typisch für Dichtung der Barockzeit ist das und das…
Pluspunkte sammelst du, wenn du sagst: Dies oder jenes Werk (z.B. Goethes Faust) lässt sich nur schwer in den Gattungsbegriff einordnen, da …
oder: Heinrich Kleist lässt sich fast gar nicht in eine Epoche einordnen, da…

Die Begrifflichkeit „Strömung“ hat übrigens damit zu tun! Wenn ein Wissenschaftler nicht von einer Epoche sprechen mag, da eine bestimmte Form der Literatur nur sehr kurz oder nur bei einem Teil der Schriftsteller auftrat (und andere Formen gleichzeitig wichtig waren) dann wird er eher von Strömung sprechen!

Ich hoffe, ich habe dir geholfen und dich nicht verwirrt!
Gruß!
Christian

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Damit hast du natürlich Recht, die Einteilung der Literatur ist eher aus pragmatischen Gründen geschehen. Ordnungskategorien sind eben leichter zu bearbeiten als die ungeordnete Gesamtmenge. Viele Autoren fallen sowieso aus dem Raster einer Strömung oder Epoche, besonders Kleist ist schwierig zuzuordnen (weder ganz Romantik, noch ganz Klassik). Oder nehmen wir Goethes „Faust“, da wird vielfach behauptet, dies wäre kein Werk der Klassik mehr, wenn die Klassik als (geistige) Zusammenarbeit von Schiller und Goethe begriffen wird. Schiller starb bereits 1805, der Faust ist 1808 erschienen (wenn ich mich nicht täusche). Die Alternative wäre das Ende im Jahr 1832 (Tod Goethes), da bemerkt man schon eine gewisse Unsicherheit bei der Datierung. Es soll sogar Literaturwissenschaftler geben, die dem ganzen Geflecht von Sturm und Drang, Klassik und wo es gerade passt der Romantik die Epoche „Goethezeit“ zuordnen wollen. Das halte ich für verfehlt, wir leben ja heute auch nicht in der „Grasszeit“.

Rein gefühlsmäßig würde ich sagen, dass man bis zur Aufklärung durchaus von Epochen sprechen kann, da es im deutschen Bereich wenig Überschneidungen in der sich allmählich entwickelnden und ausbreitenden Literatur gab. Durch das in der Neuzeit gestärkte Bürgertum hat sich dann ein Wandel vollzogen, sodass ab dieser Zeit mehr kurzlebige Strömungen als Epochen entstehen. Ein großer Unterschied besteht aber dennoch (meiner Meinung nach): Epochen sind lediglich zeitliche Abgrenzungen, die oft an politischen und kulturellen Entwicklungen festgemacht werden (siehe Mittelalter, Barock, Weimarer Republik usw.), Strömungen sind dagegen thematisch mit gewissen Inhalten der Literatur verknüpft. Beispiel Weimarer Republik: Innerhalb dieser „Epoche“ kam das, was man später die „Neue Sachlichkeit“ nannte, es ist also ein stilistischer Wandel, der sich durch die politische und kulturelle Entwicklung vollzogen hat.

Kurz und bündig:
Epoche = geschichtliche Periodisierungseinheit
Strömung = geistesgeschichtliche / thematisch zusammenhängende Literatur einer bestimmten Zeit (Epoche)

Beide sind aber zeitlich abgeschlossen (solang man nicht versucht einen Begriff für die Literatur der Gegenwart einzuführen wie „Postmoderne“), das heißt eine Strömung kann höchstens als Neo-xy wieder auftauchen (siehe Neuromantik), ist dann aber auch an andere geschichtliche Entwicklungen geknüpft.

Meint ihr das kann man in etwa so stehen lassen?

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